Volker Keller, Ferner Osten – Reisen ins Morgenland von heute: Indien, Sri Lanka, China, Vietnam, Singapur, Indonesien und Japan*

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Nach dem Buch "Naher Osten – Reisen ins Morgenland von gestern" folgt nun der zweite Band mit persönlichen Erlebnissen in den oben angeführten Ländern, in denen der Autor von Begegnungen mit Einheimischen und nur sehr selten - und wenn, sehr vorsichtig - wertet. Das Buch schließt thematisch an das erste Buch an und vollendet so den Kreis der Länder, in denen unterschiedliche Religionen eine Rolle spielen.

Volker Keller, Ferner Osten

Wie zuvor endet jedes Kapitel mit einer Landeskunde, die informativ zur gesellschaftlichen, politischen und religiösen Entwicklung des Landes berichtet sowie die jüngere Geschichte kompetent zusammenfasst. Auch hier verzichtet der Autor wohltuend auf eine Wertung, stattdessen bemüht er sich, die Zusammenfassung möglichst wertneutral zu beschreiben.

Der Autor ist evangelischer Pfarrer und das spürt man immer wieder, denn er beschäftigt sich in jedem der besuchten Länder mit deren Religionen und dem Verhältnis zum Christentum. Das ist häufig auch für den religiös Nichtinteressierten aufschlussreich, um zu verstehen, wie die Menschen in den jeweiligen Kulturen dort ticken. Gerade in Indien als Geburtsstätte des Hinduismus und Buddhismus und in China (Taoismus und Konfuzianismus) ist dies auch naheliegend. Gelegentlich habe ich aber das Gefühl, das das etwas ausufert, speziell bei Japan und dem Zen.

Die umfangreichen Kapitel über Indien und Sri Lanka empfand ich als besonders gelungen. Der Autor beobachtet hier besonders genau und beschreibt, was er als Einzelreisender sieht, erlebt und was ihm sein jeweiliges Gegenüber erzählt. Gelegentlich berichtet er dabei auch seine eigenen Empfindungen, aber er bemüht sich, nicht zu werten. Das empfinde ich als sehr wohltuend, speziell bei einem solch schwierigem Thema wie dem Verhältnis der unterschiedlichen Religionen in Indien.
Zu Indien zitiert er sehr passend: „Hermann Hesse erlebte schon den mystischen Osten, aber er verbarg seine Enttäuschung nicht, dass er allzu häufig statt auf Weisheit und Seelenkünstler auf Menschen traf, deren ‚seelenvoller suchender Beterblick gar nicht ein Ruf nach Göttern und Erlösung ist, sondern einfach ein Ruf nach Money.‘“
Indien wirkt auf den Menschen aus dem Westen schon ausgesprochen paradox, weil die durch das allgegenwärtige Christentum geprägten und daher häufig als universal angesehenen Wertmaßstäbe hier eben nicht mehr gelten. Keller macht aus seinen persönlichen und durchaus widersprüchlichen Reaktionen kein Hehl, was dem Bericht Glaubwürdigkeit verschafft. Das alles ist sehr offen und oft mit leisem Humor geschrieben, so dass sich die Seiten fast wie von selbst lesen.
 Hier geht es häufig um Religion, da Indien ja Geburtsstätte des Hinduismus und des Buddhismus ist und auch eine Epoche der Moslemherrscher hatte. Es geht auch häufig um religiöse Werte. Vielen Aussagen kann ich auch als nichtreligiöser Mensch zustimmen.

Zu China zitiert er die Erklärung einer in Deutschland lebenden Chinesin: „Chinesen seien auf sich selbst bezogen und hätten deshalb kein politisches Interesse und das alltägliche Überleben koste sowieso schon alle Kraft. Der Deal zwischen der Führung und dem Volk lautet so: Das Volk ordnet sich dem Staat unter, dafür schafft der Staat Wohlstand und Sicherheit.“

Ich habe selbst einige der beschriebenen Länder bereist und erkenne vieles wieder. So schreibt er etwa zu Bengaluru (ehemals Bangalore, das IT-Zentrum des Landes): „Die Stadt der Zukunft könnte durch elektrische betriebene Autos leise sein, aber nur dann, wenn Gen-Chirurgen den Indern das Hupen herausoperieren.“ Auch die Schilderung der ersten Begegnung mit dem Straßenverkehr in Vietnam kommt mir sehr bekannt vor.

Fazit: ein sehr lesenswertes Buch für jeden, der sich für diese Länder interessiert oder eine Reise dorthin vor- oder nachbereiten möchte. Ich werde es vor meiner nächsten Reise in eines dieser Länder sicher erneut lesen-