Dirk Schümer, Touristen sind immer die Anderen

Kategorie: Reisebücher des Monats ǀ

Ein kritisches Reisebuch über die Widrigkeiten des Reisens, das sich schonungslos absetzt von der Hochglanzprosa oder -lyrik touristischer Werbemedien. Eine desillusionierende Bestandsaufnahme all dessen, dem wir scheinbar hilflos ausgesetzt sind, wenn wir unsere relativ sicheren heimischen Gefilde hinter uns lassen. Wer will so etwas lesen? Hoffentlich sehr viele!

Dirk Schümer, Touristen sind immer die Anderen

Eigentlich wissen wir alle, die wir privat oder geschäftlich häufiger auf Reisen gehen, dass dies mit Mühsal und Strapazen verbunden ist, dass wir diese Erkenntnis aber gerne verdrängen, weil das Reisen in unserer Zeit zu einem Wert an sich geworden ist, wie Dirk Schümer den Philosophen Descartes modern umdeutet: "Ich reise, also bin ich!" Je weiter, je exotischer, desto besser natürlich.

Dies ist ein essayistisches Reisebuch, das nicht eine bestimmte Destination zum Thema hat, sondern das Reisen an sich. Schümer findet bei jeder Art des Reisens das Haar in der Suppe oder legt den Finger in die heilige Wunde der Globetrotter-Lebenslügen.

Ob Flugreisen, Hotelaufenthalte, Gourmet-Trips , Strand- und Skiurlaub, Gruppenreisen, Fernreisen oder Extremurlaub, immer weiß Schümer mit zielgenauer Intuition und scharfer Analyse die Schwachstellen zu benennen und die Selbstillusionierung der Rastlosen als solche zu entlarven. 

Das liest sich, wenn man aufnahmebereit ist und in dem Autor einen „seelenverwandten Freund“ sieht, unterhaltsam und zuweilen mit hämischer Genugtuung, ahnte man doch unterschwellig schon immer, dass es keinen Grund gibt, den neureichen Nachbarn für seine zahlreichen exotischen Fernreisen zu beneiden.

Nicht jeder wird diese kritische Sichtweise teilen wollen und beispielsweise lieber weiterhin Reiseziele wie Trophäen sammeln oder immer wieder in der Hauptsaison dem Herdentrieb folgend, die überfüllten Strände am Mittelmeer bei unerträglicher Hitze ansteuern und sich Stress und Ärger aussetzen - um im nächsten Jahr wie nach kollektiver Amnesie den gleichen Fehler erneut zu begehen oder einen neuen gleichermaßen offensichtlichen.

Reisen im idealen Sinne bedeutet für Dirk Schümer, trotz seiner defätistisch-misanthropischen Tendenzen, immer noch die persönliche Grand Tour, die klassische Bildungsreise, am besten mit einem dicken kunsthistorisch ausgerichteten Reiseführer in der Hand. Das hat in Zeiten der digitalen Revolution etwas rührend Altmodisches, aber leider auch etwas leicht Ignorantes, weil Schümer das ausgiebige, kundige Bestaunen von geheiligten Kulturdenkmälern als absoluten Wert ansetzt, wohlwissend, dass er sich hiermit elitär abhebt von der tumben Horden minder gebildeter Reisebarbaren, die nicht Horizonterweiterung anstreben, sondern vorwiegend primitivere, aber durchaus legitime Gelüste befriedigen wollen.

Auch wenn Schümer die Borniertheit der selbsternannten Elite von Individualurlaubern bereits in seinem Buchtitel entlarvt und immer wieder darauf zurückkommt: den Widerspruch des Reisens, dass Touristen immer die anderen und nicht wir selbst sind, kann selbst er nicht lösen, auch nicht mit kalkulierter Selbstironie.

Die traurige Alternative besteht dann meist nur darin, gezielt und nachhaltig zu Hause zu bleiben. Aber das wäre doch schade und auch nicht im Sinne des Autors.

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Auch als E-Book-Version erhältlich

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