Gerald Drissner, Schwarzer Tee und blaue Augen

Kategorie: Reisebücher des Monats ǀ

Der Journalist Gerald Drissner wurde für seine Arbeiten schon mehrfach ausgezeichnet. Zu seinen bevorzugten Themengebieten gehören der Islam und der Orient. Nach fünf Jahren in Ägypten lebt er seit 2012 in der Türkei. Er ist der türkischen Sprache mächtig und somit in der Lage, auch in entlegenen Orten der Türkei mit Menschen in Kontakt zu treten. Von Istanbul im Westen bis zum Berg Ararat im Osten besucht er 20 Ziele in Anatolien, ein Land, in dem Abendland und Morgenland gleichermaßen präsent sind. quer durch alle Regionen, politischen Strömungen und Gesellschaften.

 

Die Türkei von innen betrachtet

Dieses Buch ist kein Reisebericht im üblichen Sinne. Auch in den touristischen Reisezielen weicht Drissners Berichterstattung weit von den gängigen Highlights ab. Er taucht in den Alltag des Landes ein, trifft Menschen, hört ihnen zu, stellt Fragen, lernt viele Facetten der Türkei kennen und versucht, das Land von innen zu verstehen. Mit Augenmaß und Offenheit nimmt er wahr, wie die derzeitige Regierung das Land religiöser macht und sich mit der säkularen Jugend anlegt. Wie Naturschutz auf Politik und Geld prallt und wie Kurden sich dagegen wehren, Türken zu werden. Auf seinen Reisen sucht er das Gespräch mit den Menschen. So lernt er beim Teetrinken, was der ›Tiefe Staat‹ ist, warum der Präsident Zigaretten hasst, was Schnurrbärte über Männer verraten und wie blaue Glasaugen vor Unglück schützen. Er besucht ein abgeschiedenes Tal, in dem die besten Schachspieler leben sollen, fährt bis zu dem Berg nahe der armenischen Grenze, an dem die Arche Noah gestrandet sein soll, sowie in ein Dorf, das sich heute – im wahrsten Sinne des Wortes – gegen seinen Untergang wehrt.

Seine Gesprächspartner - manchmal flüchtige Zufallsbekanntschaften, oft aber auch sehr intensive Begegnungen - sind so unterschiedlich, dass sie nur eines verbindet, nämlich die Liebe zu schwarzem Tee.
Drissners sensible Wahrnehmung und die Fähigkeit, all das kritisch Hinterfragte und Erfahrene auf den Punkt zu bringen, machen dieses Buch zu einer außergewöhnlichen Landeskunde.

Wer etwas über die heutige Türkei erfahren möchte, was über das normale Hintergrundwissen für eine Türkeireise hinausgeht, dem sei Gerald Drissners Reisereportage wärmstens empfohlen.