Karnevalsparade © by Hans-R. Grundmann - Reise-know-how - Verlag
Karnevalsparade auf dem Paseo Marítimo

Karneval auf Teneriffa- Ein Erlebnisbericht

Das närrische Treiben beginnt mit einem höllischen Knall. Der Startschuss gilt dem Auftakt des Straßen-Karnevals auf Teneriffa. Schon lange vorher dreht sich alles um diesen großen Moment. Der Faschings-Marathon flackert inselweit immer wieder auf und die Pappnasen können bis April tanzen. Jeder Inselort Teneriffas hat seine eigenen Karnevalstermine - unabhängig vom offiziellen (religiösen) Kalender.

Santa Cruz fühlt sich während der (ca. 10 tollen Tage) als Rio Europas. Der Auftakt in Santa Cruz ist – 3 Wochen vor Rosenmontag – die Prämierung der Murgas (= Straßensänger). Rund 40 Bänkelsänger in uniformen Clownskostümen tragen politsarkastische Chöre vor, gesungene Büttenreden. Einige Murgas wie NiFú-NiFá kennt jedes Kind. Es folgt die Inthronisation der Kinder- und der Alterskönigin (Reina de la Tercera Edad, Königin des 3. Lebensabschnitts) und schließlich am Mittwoch vor Aschermittwoch die Wahl der Karnevals-Königin.

Gekürt wird nicht die Schönste, sondern das schönste Kostüm. Kein Prinzess-Kleidchen wie am Rhein aus weißer Seide mit Rüschen und Goldborte, auch kein luftiges Federgesteck wie unterm Zuckerhut, das lange Beine und schwingende Hüften zu Samba-Klängen frei lässt. Nein, hier erscheinen die Rivalinnen in haushohen, fantasievollen Kreationen (100 kg, € 10.000), z.B. als »Kandelaber« (mit geschwungenen Armleuchtern) oder als »Meeresfee« (umringt von einem Fischschwarm). Wochenlang haben fleißige Näherinnen die bunte Pracht perfektioniert, und flinke Hände sind zur Stelle, um der endlosen Schleppe zu einem majestätischen Abgang von der Bühne (Kosten € 600.000) zu verhelfen.

Närrische Begleiter sind Comparsas, Tänzerinnen mit Rhythmusgruppen, die im Trommelwirbel hüpfen.

Die eigentlichen tollen Tage beginnen in Santa Cruz am Freitag vor Rosenmontag mit dem Umzug der Königinnen und Murgas auf geschmücktem Lkw, begleitet von umgebauten Uralt-Vehikeln (Carrozas), mit überbordender Dekoration, dröhnenden Lautsprechern und bald torkelnder Besatzung.

Jedes Jahr steht unter einem anderen Motto: »Piraten«, »Ägypten«, »1001 Nacht« oder »Horror«. Aber auch jede andere Verkleidung ist gern gesehen. Hauptsache, man kommt nicht ohne – ein buntes Hütchen tut’s auch. Mit von der Partie sind jedesmal die drei Look-a-likes: Charly Chaplin, Fidel Castro und Groucho Marx. Miss Gran Canaria von der rivalisierenden Nachbarinsel wird als pottfette Sau dargestellt, eingezwängt ins viel zu enge Ballett-Kleidchen. Beliebt bei Paaren ist der Partnerlook. Auch Freundesgruppen oder ganze Schulklassen kommen gern im gleichen Fummel. Kids und Teens lieben Katzen als Teddyfell-Overall; halbgeöffnet hängt das Oberteil zum Tanzen runter; später schließt man es per Zip und fertig ist ein Schlafsack zum Pennen auf der nächsten Kühlerhaube.

Die City ist ab jetzt autofrei. Um die Plaza España, dem alten Epizentrum, reiht sich eine Bude an die andere; sie sichern die Dauerversorgung mit Bier, Soft- und Longdrinks, sowie megawattweise Samba, Salsa und Merengue. Schließlich sind die »achte Insel« (Venezuela) und Karibik näher als Brasilien.

Am Wochenende tanzt man sich ein für die Nacht der Nächte von Rosenmontag auf Dienstag. Jeder dritte Tinerfeño kommt frühestens ab Mitternacht in seine Hauptstadt zu einer der größten Feten Europas. Durchfeiern ist Ehrensache. Hartgesottene hängen ihr Katerfrühstück gleich hintendran, irren verkleidet, verarmt und verstört durch die Straßen. Oft genug auch frisch verliebt.

Karneval © by Hans-R. Grundmann - Reise-know-how - Verlag
Nicht die Schönste, sondern das schönste Kostüm wird gekrönt

Als heidnisches Relikt und Kontrapunkt zur christlichen Fastenzeit wurde der Kanaren- Karneval von der katholischen Kirche verfolgt und von Franco verboten. Nicht nur wegen der (männlichen) Vorliebe zur Geschlechtsverdrehung in obszönen Kostümen, was bis heute Tradition blieb. Jedes Jahr sieht man mehr Kerle in Weiberklamotten, die in Puerto Cruz auf Pumps um die Wette laufen. Als Charleys Tante lebt man sich tuntig aus. Weniger erotisch, aber mit deftigem Männerhumor: Röckchen heben, Dildos zeigen, Riesenbusen schütteln.

»In« sind männliche Stubenmädchen mit zweideutigem Staubwedel und weibliche Polizisten mit eindeutigen Gummiknüppeln.

Dienstagnachmittag ist ab 16 Uhr großer Umzug auf der Meeres-Avenida von Santa Cruz. Anschliessend herrscht erstmal ein bisschen Ruhe, um die Batterie für neue Höhepunkte aufzuladen.

Die Beerdigung der Sardine (chicharro) am Aschermittwoch ab 18 Uhr ist das Originellste am Karneval von Santa Cruz. Man trägt sich selbst zu Grabe, denn Chicharrero ist der gern-gelittene Spitzname für die Tinerfeños. Um das närrische Treiben zu verlängern, wird das Trauerritual zuweilen in drei Akte (Tod, Totenwache, Einäscherung) von Mittwoch bis Freitag gestreckt.

Eine riesige Pappmaché-Sardine wird der puro rauchenden Trauerkolonne – überwiegend Männer als trauernde Witwen – vorausgetragen. Man heult, tanzt  trinkt und krümmt sich schluchzend zu Boden im ersterbenden Trommelwirbel, der sogleich wieder zum Weitertanzen erwacht. Die Sardine endet am Hafen auf dem Scheiterhaufen – Teneriffas Karneval aber feiert schon in der übernächsten Nacht für weitere Wochen inselweite Auferstehung.

Feste Karnevalsveranstaltungen (Höhepunkte)

Santa Cruz

  1. Mittwoch vor Rosenmontag um 21.30 Uhr Kongresshalle: Wahl der Königin
  2. Freitag vor Rosenmontag ab 21 Uhr: Umzug mit Karnevalswagen (Cabalgata). Ab Plaza Weyler, Calle Méndez Nuñez, dann Richtung Hafen.
  3. Samstag und Sonntag vor Rosenmontag: ab 23 Uhr Tanz zwischen Plaza Candelaria und Plaza Príncipe. Nimmermüde sieht man noch am nächsten Mittag am Kiosk an der Park-Ecke Rambla Santa Cruz/Calle Numancia.
  4. Rosenmontag: ab 23 Uhr, Riesentanz (wie 2 Tage zuvor)
  5. Fastnacht (Dienstag): Feiertag, d.h., alles hat geschlossen. Ab 16 Uhr Umzug mit den Karnevalsgruppen auf der Avenida Marítima (Plaza España); danach abends/nachts Party in allen Gassen und Kneipen.
  6. Aschermittwoch: Beerdigung der Sardine; ab 21 Uhr trauernder Umzug (Rambla Pulido bergab zur Plaza Weyler, dann Teatro Guimerá und Hafen) mit Verbrennung der Sardine am Hafen; ab 23 Uhr Tanz und Feuerwerk.
  7. Freitag und Samstag nach Aschermittwoch: ab 21 Uhr letzte Tanzabende mit Live Musik (Samstag – genannt Piñata – 18 Uhr: Umzug der Kinder zur Plaza Candelaria, lautstarke »Traca« mit nächtlichem Feuerwerk).
Karnevalsverkleidung © by Hans-R. Grundmann - Reise-know-how - Verlag
Das Schönste für viele Tinerfeños sind die Männer in Frauenkleidern

Für Santa Cruz sollte man sich nach der genauen Strecke der Umzüge (cabalgatas) am Freitag vor Rosenmontag und am Aschermittwoch (Beerdigung der Sardine) erkundigen.

Der Umzug am Faschings-Dienstag geht immer entlang der Avenida Marítima. Aber die Plätze, auf denen die Orchester zum Tanz aufspielen, ändern sich oft. Der Karneval in Puerto de la Cruz findet fast zeitgleich mit dem in Santa Cruz statt. Die närrischen Tage in Los Cristianos beginnen meist innerhalb der ersten 10 Tage nach Aschermittwoch.

Die Termine anderer Inselgemeinden variieren. Man muss sie jeweils vor Ort im Touristenbüro erfragen. In der ganzen Zeit finden begleitend Theater-Veranstaltungen und Auftritte der Karnevalsgesellschaften statt (NiFú-NiFá, Los Fregolinos, u.a.).