Florida als Rentnerparadies

Charlotte County an der Golfküste von Florida hält einen ungewöhnlichen Rekord: in diesem Verwaltungsbezirk zwischen Fort Myers und Sarasota lebt mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren die älteste Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Jeder zweite Bewohner dort ist Rentner.

Charlotte County ist zwar ein extremes Beispiel, dessen Bevölkerungstrend aber typisch für ganz Florida. Seine Einwohner haben das höchste Durchschnittsalter der gesamten USA. Zu den über 2 Mio. Rentnern, die jetzt schon im Sonnenstaat leben, kommen jeden Monat Tausende hinzu. Böswillige Zungen haben dem Staat daher schon vor einiger Zeit den Spitznamen Gottes Wartezimmer verliehen.

Die Gründe für diese Entwicklung liegen auf der Hand. Wer hat nicht schon an grauen Herbsttagen oder beim morgendlichen Freikratzen der Windschutzscheibe davon geträumt, in den sonnigen Süden zu ziehen und all dies hinter sich zu lassen? Während des Berufslebens ist das nicht so einfach, aber nach der Pensionierung hält viele Amerikaner nichts mehr im Norden oder im Mittleren Westen.

Manche kaufen sich »nur« eine Zweitwohnung zum jährlichen Überwintern in warmen Staaten wie Arizona, Texas oder Florida. Diese Gruppe wird gerne als Snowbirds bezeichnet, weil sie wie die Zugvögel vor der Kälte flüchtet. Eine noch größere Gruppe zieht allerdings komplett um und lässt sich dauerhaft im Süden nieder. Dass sich viele gerade für Florida entscheiden, liegt am Image des Staates als Urlaubsparadies, es hat aber auch finanzielle Gründe. In Florida sind die Steuern relativ niedrig und Immobilien deutlich billiger als etwa im sonnigen Kalifornien.

Außerdem kann man sich in Florida unter Gleichgesinnten niederlassen. Viele Wohngegenden und Apartmenthäuser sind ganz auf die Bedürfnisse von Senioren eingerichtet. Es gibt komplette Siedlungen, wo nur einziehen darf, wer mindestens 55 Jahre alt ist. Sie haben Namen wie Leisure City (= Freizeitstadt), Serenity (= Heiterkeit), Golf Village oder Sun City Center und bieten nicht nur die entsprechenden Wohnungen und Häuser, sondern auch vielfältige Freizeitprogramme und medizinische Versorgung. Wer es sich derartige Anlagen nicht leisten kann, kauft sich sich in sogenannten Mobile Home Retirement Villages ein, in dicht gepackte Siedlungen mit containerartigen, voll möblierten Fertighäusern für Rentner.

Die massive Abwanderung von Senioren nach Florida hat Geschichte. Schon in den 1940er-Jahren begannen Tausende von jüdischen Rentnern aus New York, sich in Miami Beach niederzulassen. Von dort wurden Pensionäre seit den 1980ern indessen verdrängt, da der Küstenort plötzlich groß in Mode kam und damit die Mieten und Immobilienpreise explodierten.

Was aber Bestand hatte, ist die Tendenz zu Gruppenbildung. So zieht es z.B. Senioren aus dem Mittleren Westen in der Regel an die Golfküste, während Rentner aus dem Nordosten fast immer die Atlantikküste wählen. Afroamerikanische Senioren bevorzugen besonders Jacksonville und Umgebung, pensionierte Militärangehörige das Gebiet des Panhandle.