Die Bräutigamseiche im Dodauer Forst bei Eutin Neudorf

Umgeben von altem Buchenwald steht die ehrwürdige Bräutigamseiche am Rande des Dodauer Forsts bei Eutin in Ostholstein. Der über 500 Jahre alte Doppelstamm der Stieleiche (Quercus robur) beeindruckt mit einem Stammumfang von rund 5 Metern bei einer Höhe von 25 Metern und einer ausladenden Krone von etwa 30 Metern.

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Der Zugang zum Postfach der Bräutigamseiche im Dodauer Forst von Eutin; Foto: Holger.Ellgaard - CC BY-SA 4.0, wikimedia.org

Schon in vorchristlicher Zeit ranken sich Sagen um die Eiche: Einer Legende zufolge pflanzte ein keltischer Fürstensohn die Eiche aus Dankbarkeit, nachdem ihn ein christliches Mädchen im Wald befreit hatte. Ob diese Sage historisch stimmt oder von Missionaren erfunden wurde, sei dahingestellt – jedenfalls feiern Einheimische bis heute am Pfingstmontag einen Gottesdienst unter ihren Ästen. Fest belegt ist hingegen die wahre Liebesgeschichte der Förstertochter Clara Ohrt und des Fabrikantensohns Schütte-Felsche. Anfang der 1890er Jahre durften die beiden Liebenden wegen Standesdünkel ihrer Eltern zunächst nicht zusammenkommen und tauschten heimlich Liebesbriefe über ein Astloch der Eiche aus. Schließlich gab der Vater sein Einverständnis, und die Verliebten gaben sich am 2. Juni 1892 unter der Bräutigamseiche das Ja-Wort. Dieser romantische Ursprung gab dem Baum seinen Namen und machte ihn bald überregional bekannt.

Liebesbriefe im Astloch: Das ungewöhnliche Postfach

Seit 1927 fungiert die Bräutigamseiche offiziell als einzigartiges Liebesbrief-Postfach. Liebessuchende auf der ganzen Welt schreiben seither an die Adresse „Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin“, wenn sie auf romantische Weise einen Partner finden möchten. Ein Postbote klettert (Montag bis Samstag zwischen 12 und 15 Uhr) über eine Holzleiter zum Astloch in rund 3 Metern Höhe und deponiert dort bis zu 40 Briefe gleichzeitig.. Da an diesem öffentlichen Briefkasten das Postgeheimnis nicht gilt, kann jedermann die Briefe herausnehmen, lesen und – wenn man möchte – beantworten.

So funktioniert’s:

  • Adressieren: Sie schreiben einen normalen Brief an „Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin“
  • Abgeben: Sie geben den Brief an der Post auf. Sie wird ihn – wie üblich mit Briefmarke – zum Eichen-Briefkasten transportieren (die Postbotin legt ihn ins Astloch).
  • Lesen und Antworten: Beim Besuch vor Ort können Sie Interessantes entdecken: Jeder kann hier Liebesbriefe entnehmen, durchstöbern und selbst beantworten. Wenn Sie einen Brief öffnen, den Sie nicht beantworten möchten, legen Sie ihn bitte zurück, damit auch andere Singles eine Chance haben.

Durch diese ungewöhnliche Kontaktbörse haben sich inzwischen unzählige Brieffreundschaften und über hundert Ehen angebahnt. Reisereporter zählen sogar rund 1.000 Briefe pro Jahr, die an der Bräutigamseiche eintreffen – ein Beweis dafür, dass hier wirklich jede(r) die Suche nach Liebe in die Hand (oder besser: den Briefkasten) nehmen kann.

„Hochzeit“ im Wald: Die Himmelgeister Kastanie

Auch im Jahr 2009 sorgte die Bräutigamseiche nochmals für Schlagzeilen: Am 25. April 2009 wurde sie in einer symbolischen Zeremonie „verheiratet“ – mit einer ebenfalls berühmten Baum-Braut, der alten Himmelgeister Kastanie aus Düsseldorf. Diese Kastanie hatte 2007 als zweiter Baum in Deutschland ihre eigene Postadresse erhalten. Die Liebe hielt sechs Jahre: 2015 musste die kastanienbraune Braut jedoch gefällt werden, nachdem sie von einem Pilz befallen worden war. Ihr Stamm wurde als Kunstobjekt erhalten, doch die Brieffunktion dort endete. Ganz im Sinne des „Baumpaares“ steht die Bräutigamseiche also weiterhin allein – aber nicht einsam – in ihren Wäldern.

Anreise und Umgebung

Mit dem Auto: Fahren Sie auf der Bundesstraße 76 von Eutin in Richtung Plön. Kurz hinter dem Stadtgebiet von Eutin Neudorf zweigt ein Schild zum „Dodauer Forst“ ab. Folgen Sie dieser Straße bis zum Wanderparkplatz Dodau . Dort stehen gebührenfreie Parkplätze sowie Infotafeln bereit. Von hier aus führt ein befestigter Waldweg direkt zur Bräutigamseiche.

Zu Fuß: Wer wandert, findet einen etwa 5 km langen, malerischen Rundweg zum Baum. Dieser führt überwiegend durch schattigen Buchenwald und passiert Rastplätze sowie eine Vogelbeobachtungshütte. Unterwegs lernt man die beeindruckende Vielfalt des Naturparks Holsteinische Schweiz kennen. Entsprechende Markierungen und Infotafeln weisen Ihnen den Weg. In jedem Fall sollte man festes Schuhwerk tragen und genügend Zeit einplanen, um Baum und Umgebung in Ruhe zu genießen.

Tipps für Besucher

  • Brief-Etikette beachten: Die Bräutigamseiche ist zwar ein öffentlicher Briefkasten, aber für viele Suchende etwas sehr Persönliches. Öffnen Sie Briefe nur, wenn Sie sie wirklich lesen wollen – und legen Sie unpassende Briefe ordentlich zurück, anstatt sie achtlos liegen zu lassen. Auf diese Weise bleibt die Magie der Eiche für alle erhalten.
  • Rücksicht nehmen: Vermeiden Sie Lärm und Müll. Halten Sie Abstand zum Stamm und behandeln Sie den Baum liebevoll – er wird als geschütztes Naturdenkmal der Öffentlichkeit überantwortet. Der Bereich um die Eiche ist mit einem Holzgeländer umfriedet, um Wurzeln und Boden vor Betreten zu schützen. Klettern Sie nicht selbst die Leiter hoch (das machen nur Postboten) und halten Sie Hunde an der Leine, damit der Wurzelbereich ungestört bleibt.

Unsere Eiche ist der Mittelpunkt eines kleinen Hains – von Pflegemaßnahmen und Seilen umgeben. Die Leiter und das Astloch sind sichtbar, doch der Stamm selbst bleibt von Besucherbarrieren geschützt.

Pflege und Schutz der Eiche

Die Bräutigamseiche steht seit langem unter besonderem Schutz: Sie gilt als eingetragenes Naturdenkmal. Das zuständige Forstamt betreut den Baum fortwährend und lässt ihn von Baumpflegern regelmäßig kontrollieren. Bereits in den 1990er Jahren wurde das Kronengerüst mit stabilisierenden Seilen verstärkt, um dem mächtigen Wipfel Halt zu geben. Im Winter 2014 entdeckten Experten dann einen holzzerstörenden Pilzbefall (Schwefelporling) im Stamm. Daraufhin wurden befallene Äste gekürzt und neue Halteseile installiert, um der Eiche die letzten Jahrzehnte zu erhalten. Auch das Einzäunen rund um den Baumstamm gehört zu den Pflegemaßnahmen, damit niemand aus Versehen Wurzeln abtritt. Dank dieser Pflege ist die Bräutigamseiche heute stabil und vital – eine liebevoll behütete Naturschönheit.

Medienpräsenz und touristische Bedeutung

Die Bräutigamseiche genießt einen sagenhaften Ruf, der weit über Schleswig-Holstein hinausreicht. Zahlreiche Radio- und Fernsehteams aus dem In- und Ausland haben bereits über das romantische Phänomen berichtet. So wurde die Eiche auf mongolischem Rundfunk, im italienischen und japanischen Fernsehen vorgestellt und selbst in einem Deutsch-Lehrbuch des Goethe-Instituts erwähnt. 2018 widmete die BBC dem Baum einen großen Valentins-Tage-Onlineartikel („The world’s most romantic postbox“). 2019 erschien ein Feature im „Atlantic“ über „The Matchmaking Tree and the Lonely Postman“ – schließlich rollt die Postbotenkarre fast täglich an der Eiche an und aus.

Auch Medien aus Deutschland sind fasziniert: Reisereporter und Magazine nennen die Bräutigamseiche gerne „Deutschlands romantischsten Baum“. Noch heute zieht sie tausende Besucher an, besonders rund um den Valentinstag und an Pfingsten. Von hier aus kann man auch leicht weitere Attraktionen der Region erkunden – etwa das nahegelegene Forsthaus Dodau, vor dessen Haus in den 1950er Jahren Szenen der Kultfilm-Serie „Immenhof“ gedreht wurden.

Mit ihrem märchenhaften Hintergrund und ihren lebenden Geschichten ist die Bräutigamseiche nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel: Sie lädt Paare, Singles und Naturliebhaber gleichermaßen zu einem romantischen Waldbummel ein. Wer also dem Alltag einmal auf ungewöhnliche Weise entfliehen und dabei vielleicht die Liebe finden möchte, findet an diesem besonderen Baum inmitten der Holsteinischen Schweiz garantiert Inspiration – und vielleicht schon bald eine neue Post im Astloch.