Rügen – Der Süden
Auf der Insel selbst stößt der aufmerksame Reisende immer wieder auf zum Teil erstaunliche Superlative.
Es beginnt damit schon, bevor man Rügen wirklich erreicht hat. Die Rügenbrücke mit der Bundesstraße 96 über den Strelasund ist mit 4104,8 m die längste Brücke Deutschlands. In mehreren Abschnitten verbindet sie Rügen mit dem Festland. Der weithin sichtbare Pylon hat eine Höhe von 128 m, die Durchfahrtshöhe für Schiffe beträgt 42 m.
Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2007 entlastet sie den Rügendamm, der mehr als 70 Jahre lang die einzige Möglichkeit bot, die Insel über Land von der schönen Hansestadt Stralsund aus zu erreichen. Er wurde in den Jahren 1931 bis 1936 für den Auto- und Eisenbahnverkehr erbaut. Für die Durchfahrt von Schiffen gibt es festgelegte Brückenöffnungszeiten. Größere Kreuzfahrtschiffe legen allerdings in Sassnitz an, denn selbst die 42 Meter Durchfahrtshöhe der neuen Brücke überragen sie noch etliche Meter.
Die Deutsche Alleenstraße ist die längste Ferienstraße Deutschlands. Sie beginnt auf Rügen und endet nach 2.500 m auf der Insel Reichenau im Bodensee bzw. umgekehrt.
Die ältesten Alleebäume haben das stolze Alter von 250 Jahren. Sie wurden einst gepflanzt, um den Reisenden in ihren Pferdekutschen eine schattige Fahrt zu ermöglichen, jetzt begrenzen sie den Ausbau der Straßen für den Autoverkehr.
Die älteste Weidenallee der Insel mit 150 Jahre alten knorrigen Bäumen steht in Neuendorf, einem Stadtteil von Putbus.
Der südlichste Ort Rügens ist Palmer Ort auf der Halbinsel Zudar. Hier geht der Strelasund in den Greifswalder Bodden über. (Ein „Bodden“ ist laut Wikipedia „ein flaches buchtartiges Küstengewässer einer nacheiszeitlich teilweise überfluteten Grundmoränenlandschaft. Der Name Bodden ist vermutlich niederdeutschen Ursprungs und bedeutet „Boden“ oder „Grund“, was sich auf die geringe Tiefe dieser Gewässer bezieht“.)
Garz ist die älteste und kleinste Stadt Rügens. Sie besitzt Stadtrecht seit 1316.
Am 26.12.1769 wurde im Ortsteil Groß Schoritz der nationalistische Schriftsteller der deutschen Romantik Ernst Moritz Arndt geboren, der mittlerweile etwas in Vergessenheit geraten ist. Ihm ist in Garz immerhin ein Museum gewidmet.
Im Jahr 1930 entstand in Garz unter Professor Gerhardt Katsch das erste Deutsche Diabetikerheim.
Das architektonisch sehr ansprechende Putbus ist kurioserweise die jüngste Stadt der Insel. Fürst Wilhelm Malte I zu Putbus ließ den Ort zwischen 1808 und 1823 in klassizistischem Baustil anlegen. In Deutschland war dies die letzte nach Plan angelegte Residenzstadt. Fürst Malte ordnete an, dass alle Gebäude weiß erstrahlen und vor jedem Haus Rosenstöcke gepflanzt werden sollen. Dies ist noch heute augenfällig und verleiht der gepflegten Stadt ein besonders edles Flair. Im Zentrum befindet sich der „Zirkus“, ein Platzrondell mit acht von Eichen gesäumten Wegen ins Innere, das von einem 21 m hohen Sandstein-Obelisken dominiert wird.
Ein paar Jahre nach der Gründung von Putbus brauchte die aufstrebende Residenzstadt natürlich auch ein Theater. Der Fürst veranlasste den Bau in Sichtweite seines Schlosses. Obwohl es viele Male umgebaut worden ist, konnte die ursprüngliche Bausubstanz erhalten werden. Eine aufwändige Restaurierung in den 1990er Jahren lässt es wieder im alten Glanz erstrahlen. Das Theater Putbus ist das schönste Theater in Mecklenburg-Vorpommern und das einzige, in dem über all die Jahre hinweg Aufführungen stattgefunden haben.
Lauterbach am Rügenschen Bodden, heute ein Stadtteil von Putbus, ist das älteste Seebad von Rügen und ganz Pommern. Eine drei km lange Lindenallee verbindet es mit Putbus. Außerdem ist Lauterbach der wichtigste Segelhafen der Insel.
Östlich von Lauterbach befindet sich ein bewaldetes Gebiet von 70.000 m² Fläche. Am Rande dieses Waldes ließ Fürst Malte einen Bade-Komplex errichten für Badevergnügen jeglicher Art, vom Wannenbad bis zu Bademöglichkeiten im Freien, freilich immer streng getrennt nach Männern, Frauen und Kindern. Heute dient das Gebäude als Kurhotel mit dem Namen „Hotel Badehaus Goor“.
Rügen – Der Norden
Die Halbinsel Wittow bildet den nördlichsten Teil der Insel.
Der nördlichste Punkt Rügens überhaupt ist nicht, wie weithin vermutet Kap Arkona, sondern Gellort. Unterhalb der Steilküste liegt der Siebenschneiderstein, ein gewaltiger 165 Tonnen schwerer Findling mit 6,40 m Länge und 1,80 m Höhe.
Der älteste Leuchtturm Rügens steht in Kap Arkona. Der so genannte 22,45 m hohe Schinkelturm wurde 1827 nach den Plänen von Karl Schinkel aus Backsteinen errichtet. In knapp 16 m Höhe befindet sich eine Aussichtsplattform. Seit 1905 weist ein neu gebauter Leuchtturm den Schiffen ihren Weg übers Meer. Heute dient der alte Turm als Museum und Außenstelle des Standesamtes bei Hochzeiten.
Von Kap Arkona aus wurde 1865 das erste Telegrafenkabel durch die Ostsee nach Schweden verlegt.
In Altenkirchen steht die älteste Dorfkirche Rügens. Sie wurde um 1200 im romanischen Baustil errichtet.
Der zur Gemeinde Dranske gehörende Schifferkrug Kuhle gilt als Rügens ältestes Wirtshaus. Bereits 1455 wurde der erste Ausschank erwähnt.
Das wunderschön gelegene Wiek, früher ein kleines Fischerdorf, ist heute das nördlichste Seebad Rügens und staatlich anerkannter Erholungsort. Eine seiner illustren Gäste war die Schriftstellerin Elisabeth von Arnim. In ihrem Buch „Elisabeth auf Rügen“ ist Wiek der einzige Ort, der von ihr nicht kritisiert wird.
Jasmund heißt die Halbinsel im Nordosten von Rügen. Das Landschaftsbild ist geprägt von den Ablagerungen der Eiszeit-Gletscher. Der Hauptort ist die Hafenstadt Sassnitz.
Der nur 30 km² NP Jasmund ist seit 1990 Deutschlands kleinster Nationalpark.
Außer den Kreidefelsen, zu denen als berühmtester und zugleich höchster (118 m) der zur Stubbenkammer gehörende Königsstuhl gehört, beeindrucken hier die als geschlossenes Waldgebiet größten Rotbuchenwälder an der gesamten Ostseeküste. Sie gehören seit 2011 zum UNESCO Weltnaturerbe. Besonders im Herbst bilden sie einen reizvollen Kontrast zu den weißen Kreideklippen.
Im Gebiet des NP Jasmund befindet sich auch der Piekberg, mit 161,1 m die höchste Erhebung Rügens und sogar ganz Vorpommerns.
Alle Wege führen nach Sassnitz. Hier enden die B 96 und die Eisenbahnstrecke vom Festland. Im Ortsteil Mukran befindet sich der größte Eisenbahn-Fährhafen Deutschlands. Er wurde 1986, noch zu DDR-Zeiten, in Betrieb genommen und diente zunächst ausschließlich der Militär- und Frachtgutbeförderung nach Russland. Es ist der einzige mitteleuropäische Hafen mit Gleisanlagen auch für russische Breitspurbahnen.
Nach 1990 wurde der Hafen aufwändig renoviert und für den Personenverkehr erweitert. Von hier aus gibt es Fährbetrieb nach Bornholm, Schweden, Litauen und Russland.
Vom Stadthafen Sassnitz aus fahren Fahrgastschiffe mehrerer Reedereien mehrmals täglich zu den Kreidefelsen. Nach dem Passieren der längsten Hafenmole Europas (1,5 km) erreichen sie das offene Meer und steuern die Kreideklippen an, die besonders in den Vormittagsstunden im besten Licht liegen.
Das neunstöckige Hotel Rügen ist das höchste Gebäude in Sassnitz. Der mehr zweckmäßige als schöne Klotz überragt alle anderen Häuser und ist weithin sichtbar. In DDR-Zeiten gab es bereits die Fährverbindung von Sassnitz nach Trelleborg, Schwedens südlichster Stadt. Die Schweden nutzten die Überfahrt gerne zum zollfreien Einkauf. Im Jahr 1968 wurde von Schweden das Hotel erbaut. Bezahlt werden konnte darin ausschließlich mit Devisen. Nach der Wende wurde das Hotel von der Raulff-Gruppe betrieben, zu der unter anderem auch das Badehaus Goor in Lauterbach und das Kurhotel in Sassnitz gehören.
Klementelvitz ist das einzige Kreidewerk, wo Kreide industriell über Tage abgebaut und verarbeitet wird. Rügener Kreide findet Verwendung in der Herstellung von Farben, Kitt, Medikamenten, Zahnpasta, Glas und Porzellan.
In einem ehemaligen Kreideabbruch wird im einzigen Kreidemuseum Europas über den traditionellen Kreideabbau auf Rügen informiert.
Rügen – Der Osten
Das hübsche Göhren mit seinen zahlreichen Villen im Stil der Bäderarchitektur wurde bereits 1165 urkundlich erwähnt. Göhren ist der östlichste Ort der Insel und zugleich größter Ort auf der Halbinsel Mönchgut.
Durch die im Nordperd spitz zulaufende Landzunge Göhrener Höft verfügt Göhren mit seinem Nord- und Südstrand über fast neun km feinsten Sandstrand.
Nordperd mit seinen 50 m steil abfallenden Klippen ist der östlichste Teil der Insel.
Das „Haus am Höft“ am Steilufer des Nordperd ist das östlichste Haus Rügens.
Zwischen der Göhrener Seebrücke, der ersten auf Rügen nach der Wiedervereinigung gebauten, und dem Nordperd liegt etwa 300 m vom Strand entfernt im Wasser der größte in Deutschland gefundene und zugleich der schwerste Stein Deutschlands mit einem Gewicht von 1.600 Tonnen und 40 m Umfang. 25 Personen haben auf diesem Findling aus der letzten Eiszeit Platz.
Der Göhrener Bahnhof ist Endstation des „Rasenden Rolands“. Diese dampfbetriebene Schmalspurbahn verkehrt mit einer eher gemütlichen Spitzengeschwindigkeit von 30 km/h zwischen Putbus und Göhren.
Das älteste Gasthaus auf Mönchgut ist der Gasthof zur Linde. Das in einem Ortsteil von Middelhagen gelegene Haus wird schon seit dem Mittelalter bewirtschaftet.
Bevor man Mönchgut wieder verlässt, empfiehlt sich in Alt-Reddevitz die Einkehr in Kliesow’s Reuse, einem urigen Scheunenrestaurant mit regionaler Küche und „fangfrischem Fisch vom Fischer nebenan“.
Sellin ist neben Binz und Göhren einer der bedeutendsten Badeorte in Rügen. Prachtvolle Villen säumen die Wilhelmstraße, die geradewegs auf die längste Seebrücke Rügens zuführt. Über 99 relativ steile Stufen führt die so genannte Himmelsleiter hinunter zum Strand und zur Seebrücke, die 394 m weit in die Ostsee ragt.
Einige km südlich von Sellin, in Baabe, steht der kleinste McDonald von Rügen, nicht viel breiter als der Schriftzug über dem Straßenstand. Manche sagen sogar, es sei der kleinste der Welt, aber das ist umstritten.
Binz ist das größte Seebad auf Rügen. Der meistbesuchte Ferienort der Insel wurde 1318 erstmals erwähnt, Seebad ist er allerdings erst seit 1888. Seine eindrucksvolle Bäderarchitektur (klassizistisch bis Jugendstil), die von Läden, Hotels und Restaurants flankierte verkehrsberuhigte Hauptstraße, die 3,5 km lange Strandpromenade und die 600 m lange Seebrücke ziehen scharenweise Besucher aus Nah und Fern an.
Das direkt an der schönen Strandpromenade gelegene Luxushotel Kurhaus Binz mit seinen markanten Türmen ist das Wahrzeichen von Binz. Schon Kaiserin Auguste Viktoria nächtigte hier. Die ihm als erstes Hotel in Mecklenburg-Vorpommern vom Deutschen Hotel- und Gaststätten-Verband verliehene Auszeichnung „Fünf-Sterne-Superior“ wurde wieder zurückgegeben, da man befürchtete, dass sich Familien davon eher abgeschreckt fühlen könnten.
Vielleicht nicht das beste Eis von Rügen, zumindest aber von Binz, erhält man am Beginn der Hauptstraße beim Rialto an einem Straßenstand oder gleichnamigen im Hotel/Restaurant.
Ein Unglück im Jahr 1912 führte zur Gründung der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG). Unter der Last zu vieler Menschen war ein Teil der Seebrücke zusammengestürzt. Etwa 80 fielen in die hier mehrere Meter tiefe Ostsee, 17 Menschen ertranken.
In Zirkow, in der Nähe von Binz, steht „Karls Erlebnishof“. Neben zahlreichen Outdoor-Aktivitäten im Außenbereich geht es im Inneren des Bauernmarkt-Gebäudes hauptsächlich um Erdbeeren. Erdbeermarmelade, Erdbeerwein, Erdbeerbonbons sind nicht weiter ungewöhnlich, aber wer kennt schon Erdbeerbratwurst, Erdbeerbrot oder Erdbeerkäse?
Auf jeden Fall sollte man seinen Blick auch einmal nach oben schweifen lassen auf unzählige Regale voller Kaffeekannen. Bereits 2012 wurde mit 27.390 Exemplaren der Eintrag ins Buch der Rekorde erreicht. Mittlerweile sind es schon 55.269, Tendenz steigend. Allerdings stehen nicht alle Exponate der größten Kaffeekannensammlung der Welt in Zirkow. Karls Erlebnishof gibt es auch in weiteren Standorten.
Im Gebäude gibt es ein Schnellrestaurant, draußen im Hof stehen die Besucher Schlange am Fischstand, um sich aus einem vielfältigen Angebot an Fischbrötchen etwas „auf die Hand“ zu kaufen.
Prora ist ein Ortsteil von Binz und hätte das größte und modernste Seebad Deutschland werden sollen, wenn es nach der nationalsozialistischen Organisation „Kraft durch Freude“ gegangen wäre. Geplant war eine Ferienanlage für 20.000 Volksgenossen, weitere solcher Bauten sollten folgen. Mit dem Bau wurde 1936 begonnen. Zu Kriegsbeginn, drei Jahre später, machte ein plötzlicher Baustopp allem ein Ende, als Arbeiter und Gerätschaften nach Peenemünde verlegt wurden, um den Bau der Raketenversuchsanstalt, deren technischer Direktor Wernher von Braun, der spätere Wegbereiter der Raumfahrt, war, voranzutreiben.
Das 4,5 km lange Bauwerk ist das längste Gebäude der Welt. Es besteht aus acht „Bettenhäusern“, unterbrochen von Treppenhausblöcken und einem großen Platz für Aufmärsche. Die Räume waren nicht größer als 10 m² und enthielten nur das allernötigste an Mobiliar. Zum Verweilen gab es Gemeinschaftsräume.
Zu DDR-Zeiten dienten die bereits fertiggestellten Gebäudeteile als Kaserne, Unterkunft für Bausoldaten und Kinderferienlager.
Heute befinden sich darin ein Dokumentationszentrum, Museen und in Block 5 die größte Jugendherberge der Welt mit 400 Betten.
Nach dem Entkernen und Modernisieren entstehen zudem auch Ferienwohnungen und zum Teil sehr luxuriöse Eigentumswohnungen zu astronomischen Quadratmeterpreisen.
Rügen – Westen und Mitte
Der westlichste Ort der Insel ist Schaprode. Er liegt an der engsten Stelle zwischen Rügen und der nur 1.000 m entfernten Insel Hiddensee. Vom Hafen aus verkehren ganzjährig die Fähren zur idyllischen Nachbarinsel. Im Herbst finden von hier aus in den Abendstunden auch die beliebten Kranichfahrten statt.
Die Boddenlandschaft zwischen Westrügen, Hiddensee und Zingst ist das wichtigste Rastgebiet der Kraniche. Zwei Mal im Jahr, im Frühling und im Herbst, suchen sie zu Tausenden nach Sonnenuntergang ihre Schlafplätze auf, ein eindrucksvolles Schauspiel, das sich von den Fahrgastschiffen aus gut beobachten lässt.
Im Zentrum von Rügen liegt Bergen, die Hauptstadt der Insel, inmitten von Feldern Wiesen und Weiden. In Bergen steht St. Marien, die älteste Kirche der Insel. Das kunsthistorisch bedeutende Bauwerk wurde bereits 1193 urkundlich erwähnt. Es ist wohl die einzige Kirche, deren Uhr aufgrund der Unachtsamkeit von Arbeitern bei der Restaurierung nach einem Sturm im Ziffernblatt 61 Minuten anzeigt.
Wenn man einmal von sakralen Gebäuden absieht, ist das Bendix-Haus Rügens ältestes Gebäude. Heute befindet sich in dem 1538 erbauten Haus die Touristinformation
Auf dem 90 m hohen Rugard, der höchsten Erhebung Bergens, steht der Ernst-Moritz-Arndt-Turm, ein 26,7 m hoher Aussichtsturm, von dem man bei klarem Wetter eine großartige Aussicht genießen kann.
Im zum Amt Bergen gehörenden Parchtitz befindet sich das Gut Reischvitz. Dies war bis zur Enteignung 1945 und ist seit dem Rückkauf 1992 wieder der Stammsitz der ältesten Familie auf Rügen, derer von Platen.
In der Käse- und Milchfabrik von Bergen wird der „Rügener Badejunge“ hergestellt, der einzige deutsche Inselcamembert. Man findet ihn weit über die Grenzen Rügens hinaus in den Kühlregalen der Supermärkte.
