Die Pariser Flohmärkte an der Porte de Clignancourt

Jeden Samstag, Sonntag und Montag verlockt der populärste Trödelmarkt von Paris, der Marché de Saint-Ouen im Stadtnorden unmittelbar am Boulevard Périphérique, frühmorgens bis etwa 16 Uhr zum Stöbern, Bummeln und Entdecken. Über mehrere einzelne, überdachte Hallen mit fixen Ständen, die teilweise ein spezialisiertes Sortiment aufweisen, erstreckt sich dieser strukturierte Markt, der für einen Flohmarkt eigentlich fast zu ordentlich anmutet.

Der Marché aux Puces de Saint-Ouen: Paris für Schatzsucher

Paris hat viele Gesichter – eines seiner originellsten zeigt sich im Norden der Stadt, jenseits des Boulevard Périphérique: Dort, an der Porte de Clignancourt, beginnt ein eigenes Universum aus Trödlerstuben, Antiquitätenlagern, nostalgischen Cafés und charmant chaotischen Hallen. Es ist das Reich des Marché aux Puces de Saint-Ouen, des größten Flohmarkts der Welt.

Seit dem frühen 20. Jahrhundert hat sich dieser Markt zu einer Institution entwickelt. Was einst als Sammelbecken von Lumpenhändlern begann, ist heute ein weit verzweigter Komplex aus über 2.000 professionellen Ständen auf einer Fläche von rund sieben Hektar – ein Mekka für Sammler, Ästheten, Designer und Liebhaber des Unverwechselbaren. Rund 11 Millionen Besucher kommen jährlich, darunter viele Pariser, aber auch ein internationales Publikum von Antiquitätenkennern, Modemachern und Touristen, die das Authentische suchen.

Atmosphäre zwischen Museum, Markt und Metropole

Wer den Markt betritt – vorzugsweise über die Métrostation Porte de Clignancourt (Linie 4) –, wird zunächst ernüchtert: Zwischen Schnellimbissen und Ramschständen mit Billigkleidung, Lederimitaten und fragwürdigen Markenartikeln beginnt der Weg eher trist. Doch das eigentliche Herz des Marktes schlägt weiter hinten, jenseits des Boulevards, wo die echten Marchés liegen: eine faszinierende Mischung aus verwinkelten Gassen, überdachten Hallen und liebevoll gestalteten Schauräumen.

Es sind nicht einfach Flohmärkte im klassischen Sinn – es sind szenografierte Erlebnisräume, in denen vergangene Jahrzehnte und Jahrhunderte nachwirken. Man wandelt durch Geschichte, durch Wohnideen, durch Stilepochen: Biedermeier steht neben Pop Art, ein Barockspiegel neben einem Nierentisch, eine Madonna aus dem 18. Jahrhundert neben einem Metallschild von Michelin.

Die einzelnen Märkte – ein Überblick

Der Marché aux Puces ist kein homogener Markt, sondern ein Geflecht aus rund einem Dutzend Teilmärkten mit jeweils eigenem Charakter. Hier die wichtigsten:

Marché Vernaison

Der älteste und quirligste Teilmarkt. Mit rund 300 Ständen ein Labyrinth aus engen Wegen, kleinen Innenhöfen und überquellenden Auslagen. Hier ist der klassische Trödler zuhause, hier gibt es alte Reklameschilder, Blechspielzeug, Puppenstuben, Gläser, Schallplatten, Postkarten und Kuriositäten. Besonders beliebt: das nostalgische Café Chez Louisette, wo Live-Chansons und Akkordeonklänge den Ton angeben.

Marché Biron

Der „noblesse oblige“-Markt: Auf zwei parallelen Alleen präsentieren rund 200 Anbieter hochwertige Ware – Möbel des 18. Jahrhunderts, Gemälde, Skulpturen, Luxusobjekte, asiatische Kunst. Das Publikum ist entsprechend international und kauffreudig, die Preise ambitioniert.

Marché Malik

Der Gegenentwurf zu Biron: Jung, laut, wild, günstig. Hier dominiert Secondhand-Mode – von Lederjacken über Jeans bis zu Army- und Punkkleidung. Wer Vintage liebt, wird hier fündig. Auch Sneakers, Plattencover, Comics und Streetstyle gehören zum Repertoire.

Marché Jules Vallès

Ein echter Flohmarkt im klassischen Sinn: unter freiem Himmel, manchmal improvisiert, manchmal chaotisch. Hier verkaufen auch Gelegenheitshändler, die eine Matratze, altes Werkzeug, Militaria, Wühltischware oder Bücher aufdecken. Ideal für Schnäppchenjäger mit Geduld.

Marché des Rosiers

Der kleinste Markt – aber von hoher Qualität. Mit nur etwa 20 Händlern auf zwei Etagen bietet er ausgesuchte Objekte des Art déco und Jugendstils: Möbel, Lampen, Schmuck, Dekor. Wer gezielt sucht, kann hier elegante, seltene Einzelstücke finden.

Marché Serpette

Der wohl „angesagteste“ Teilmarkt – einst eine Garage, heute ein stilvoller, überdachter Antikkomplex mit hoher Dichte an Galerien. Die Präsentation ist museal, die Ware kuratiert: Mid-century-Design, fifties-Chic, ethnographische Sammlerstücke, Industriemöbel, Kunstobjekte. Serpette zieht vor allem ein internationales Designpublikum an – mit entsprechender Preisgestaltung.

Marché Paul Bert

Gemeinsam mit Serpette bildet Paul Bert die kreative Achse des Markts. Hier gibt es stilvolle Vintage-Stände, durchkomponierte Präsentationen, alte Reklameobjekte, Küchengeräte, Kindermöbel, Werkbänke, Koffer, Emaille, Leuchtreklame – oft sorgfältig restauriert und in Topzustand. Kein Ort für Ramsch, sondern für Ästheten mit Faible für Materialität.

Marché Malassis

Eine große, überdachte Markthalle mit zweistöckigem Aufbau. Die Händler haben sich thematisch spezialisiert: afrikanische Kunst, barocke Möbel, Art-déco-Leuchten, Ikonen, Asiatika, Skulpturen. Dieser Teil des Markts wirkt ordentlicher, fast „kuratiert“, ohne die rohe Romantik der improvisierten Stände. Ausdruck einer Tendenz zur Professionalisierung und Kommerzialisierung des Gesamtareals.

Besuchertipps – Orientierung, Zeiten, Verhalten

  • Öffnungszeiten:
    Samstag: ca. 9–18 Uhr
    Sonntag: ca. 10–18 Uhr
    Montag: ca. 11–17 Uhr
    (nicht alle Händler öffnen montags, montags ist ruhiger)
  • Beste Zeit:
    Wer in Ruhe schauen möchte, kommt frühmorgens, am besten Samstag oder Sonntag vor 11 Uhr. Ab mittags wird es sehr voll. Menschen mit Platzangst oder Reizempfindlichkeit sollten Stoßzeiten meiden.
  • Anfahrt:
    Métro Linie 4 bis Porte de Clignancourt – dann zu Fuß unter der Stadtautobahn hindurch Richtung Rue des Rosiers. Alternativ von hinten mit Linie 13 (Garibaldi) oder Linie 14 (Porte de Saint-Ouen) – oft entspannterer Zugang.
  • Sicherheit:
    Wie überall in Paris gilt: Wertsachen gut verstauen, Taschen festhalten. Taschendiebe arbeiten gerade an belebten Zugängen und in Gedrängesituationen.
  • Verhalten:
    Fotografieren ist nicht überall gern gesehen. Fragen schadet nie. Feilschen ist möglich, aber stilvoll – mit einem Augenzwinkern. Wer ernsthaft interessiert ist, kann bei kleineren Objekten moderate Nachlässe erzielen.
  • Geld & Logistik:
    Viele Händler akzeptieren Karten, aber nicht alle. Bargeld (kleine Scheine!) ist hilfreich. Toiletten sind vorhanden, aber begrenzt. Wer etwas Großes kauft, bekommt in der Regel Hilfe beim Transport organisiert.

Ein Ort zwischen gestern und morgen

Der Marché aux Puces ist ein lebendiges Stück Pariser Kultur. Doch auch hier wandelt sich vieles. Teile des Areals wurden aufgekauft, Investoren drängen auf Modernisierung, von einer „Professionalisierung“ ist oft die Rede – zum Bedauern mancher Stammhändler. Noch aber überwiegt die Vielfalt, der Charme, die Verwinkelung. Noch ist dieser Ort mehr als ein touristischer Markt – er ist ein atmosphärisches Gesamtkunstwerk, das Geschichte atmet und zugleich offen ist für neue Formen urbaner Kultur.


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