Hilfreiche Gestorias

In Spanien gehen die Uhren anders – darauf wurde bereits mehrfach hingewiesen. Das muss man hinnehmen und sich darauf einstellen. Diese »Andersartigkeit« werden Sie erleben, wenn Sie z. B. auf eigene Faust versuchen, eine N.I.E. zu beantragen, ihr Auto umzumelden oder ein Restaurant zu eröffnen.

Der Gestor als Mittler

Behördendschungel
Wenn Sie sich in Deutschland eine Geburtsurkunde besorgen wollen, ist das eine relativ einfache Angelegenheit. Vielleicht müssen sie beim Einwohnermeldeamt etwas warten, aber das hält sich in Grenzen. In Spanien sind damit gleich mehrere Verwaltungsakte verbunden.

Auch Spanier wissen oft nicht, an welche Verwaltungsinstanz sie sich wofür richten müssen. Das liegt weniger an Gesetzen, die zu kompliziert wären, als an organisatorischen Abläufen, die hochkomplex, aber wenig effizient sind. Sich in diesem System zurechtzufinden ist eine tatsächliche »Wissenschaft« für sich. Wobei es im Wesentlichen darauf ankommt, die verschlungenen Pfade zu kennen, die im Einzelfall verfolgt werden müssen.

Licht im Dunkel
Unter diesen Umständen ist es nur logisch, dass sich ein Berufsstand entwickelt hat, der die Problemlösung bietet. Das ist der sog. Gestor (sprich: Chestor), was wörtlich übersetzt »Geschäftsführer« oder »Vermittler« heißt. Die von ihm geführte Firma ist eine Gestoria. Ohne Gestorias würde Spaniens Bürokratie nicht mehr funktionieren. Sie bringen Licht ins Dunkel des Chaos’ und sind eine nicht mehr wegzudenkende notwendige Nabelschnur zwischen Staat und Bürger.

Fast 100 Gestorias sind allein in den Gelben Seiten des Telefonbuchs von Palma aufgeführt. Daran lässt sich ermessen, wie groß der Bedarf an Hilfestellung gegenüber Ämtern und Institutionen ist. Da die Berufsbezeichnung geschützt ist, gibt es noch eine ganze Reihe weiterer »Gestoren«, die ihre Leistung unter abweichenden Bezeichnungen, z. B. als asesoria oder servicio fiscal (Steuerberatung) anbieten.

Spezieller Studiengang
Da dem Staat durchaus bewusst ist, dass der Bürger mit ihm nicht mehr ohne sachkundige Vermittlung zurechtkommt, hat er schon vor längerer Zeit eine Ausbildungsverordnung erlassen, welche die Anforderungen an einen Gestor und dessen Werdegang festlegt. Als erste Voraussetzung gehört dazu ein abgeschlossenes Studium der Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften. Danach entscheiden die Akademiker über ihren weiteren Berufsweg. Wenn sie eine Tätigkeit als Gestor anstreben, müssen sie ein spezielles Aufbaustudium in Madrid absolvieren. Mit dessen erfolgreichem Abschluss erhalten sie die Lizenz, als Gestor arbeiten zu dürfen und werden in die offizielle Standesrolle eingetragen. Damit sind sie »amtlich bestellt« und werden gleichzeitig gegen Fehler und schuldhaftes Handeln versichert.

Spezialistengemeinschaften
Bei der Vielfalt dieser Aufgaben ist offensichtlich, dass eine Person allein nicht alles wissen kann. Deshalb spezialisieren sich die Gestoren auf eines der Gebiete und bilden als Bufete (Sozietät) eine Spezialistengemeinschaft. Die Spezialisierung ist auch deshalb notwendig, weil im Bereich des Arbeits- und Steuerrechts in Spanien eine noch größere Bewegung herrscht als in Deutschland. Die Kenntnisnahme und Berücksichtigung der laufenden Änderungen geben den Gestoren reichlich zu tun. Für den Klienten hat die Bündelung der Arbeitsgebiete den großen Vorteil, dass er eine Komplettleistung erhält und nicht mehrere Stellen bemühen muss, »Service aus einer Hand« also.

Wenn ein Gestor gut ist, so zeichnen ihn Kreativität und Findigkeit aus, d. h., er lässt sich für Sie etwas einfallen, um den schwerfälligen Staat zu überlisten, indem er alle Möglichkeiten ausschöpft – auf legale Weise natürlich.

Gestorias und Ämter
Auch den Gestorias wird bei Ämtern nichts geschenkt. Denken Sie nicht, deren Mitarbeiter könnten den Beamten alle Vorgänge ihrer Klienten durch die Hintertür hineinreichen oder würden bevorzugt behandelt werden. Nein, auch die Angestellten von Gestorias müssen sich brav in die Reihe stellen und warten, bis sie dran sind.

Doch im Unterschied zu Außenstehenden, die nicht wissen, wie der Apparat funktioniert, kennen die Spezialisten die Arbeitsabläufe. Und sie nutzen einen weiteren Vorteil: Ssie bündeln die Arbeit; d.h., wenn sie zum Finanzamt gehen, haben sie eine ganze Mappe mit Vorgängen diverser Klienten dabei und erledigen alles auf einmal. Wenn Sie bei einem Amt selbst einmal anstehen sollten, sehen Sie sich um, ob in der Schlange jemand mit einer besonders dicken Mappe steht. Das ist dann mit einiger Sicherheit ein Angestellter einer Gestoria, und wenn der dran ist, beschäftigt er den Beamten eine Stunde und länger.

Der »richtige« Gestor
Eingangs wurde bereits darauf hingewiesen, dass es eine große Anzahl von Gestorias gibt. Nicht alle arbeiten gleich gut und effizient. Die für die eigene Angelegenheit am besten geeignete, die »richtige« Gestoria herauszufinden, ist mitunter nicht ganz leicht. Gute Gestorias inserieren nämlich nicht in der Zeitung, sondern ihre Adressen werden durch Mundpropaganda weitergereicht. Die erste Empfehlung lautet daher: Hören Sie sich bei der Suche nach »Ihrer« Gestoria um, und fragen Sie ggf. bei Ihrer Bank nach einer guten Adresse, da man dort oft Einblick in die Arbeit dieser Büros hat.

Grundsätzlich sollte ein »guter« Gestor einige Bedingungen erfüllen: Wenn Sie zu ihm ins Büro kommen und er Ihnen nicht gleich zu Beginn des Gesprächs seinen Zulassungsausweis zeigt, so besitzt er ihn nicht oder ist vergesslich. Dieser Ausweis, mit Lichtbild und Registriernummer, weist seine Firma als Gestoria Administrativa aus und beweist, dass er eine Spezialausbildung absolviert hat und für seine Tätigkeit haftet. Jeder Gestor ist verpflichtet, seinen Klienten diesen Ausweis beim ersten Gespräch vorzulegen. Des Weiteren sollte in Ihrer Gestoria zumindest einer der Fachleute gut Deutsch sprechen. Denn Sie werden im seltensten Falle Spanisch so gut beherrschen, dass sie dem Gestor Ihre Angelegenheiten, speziell Probleme in allen Einzelheiten exakt in spanischer Sprache erklären können.

Auf Mallorca empfiehlt es sich zudem, einem geborenen Mallorquiner als Gestor den Vorzug zu geben, weil die oft die besseren »Drähte« haben als Festlandsspanier, die auf Mallorca auch als eine Art von extranjero (Ausländer) gelten. Das hängt nicht zuletzt mit den amistades zusammen.

Und wenn der Gestor genügend Zeit für Sie hat und Sie nicht ein Klient unter hunderten sind, wäre auch das nicht schlecht. Beim ersten Gespräch, das bei einem seriösen Gestor immer kostenlos ist, sollten Sie nicht nur den Ausweis seiner Qualifikation sehen, sondern auch ungeniert fragen, ob er Mallorquiner ist, genügend Zeit für Sie hat und wie viele Mitarbeiter in der Kanzlei Deutsch verstehen bzw. sprechen.

In welchen Fällen Sie Hilfe brauchen

Man kann davon ausgehen, dass ca. 70-80% der angehenden deutschen Residenten nicht genügend Spanischkenntnisse besitzen, um die behördlichen Angelegenheiten selbständig regeln zu können. Viele wenden sich daher zunächst Hilfe suchend an das deutsche Konsulat, doch wird man sie von dort in den meisten Fällen an eine Gestoria weiterverweisen. Welche Vorteile hat nun konkret eine Gestoria für Sie, und was nützt Sie ihnen?

N.I.E. Identifikationsnummer

Die Beantragung der vor einigen Jahren abgeschafften so genannten residencia entfällt zwar. Aber dafür ist die Eintragung in das Melderegister der Ausländerbehörde ratsam. Persönliche Anwesenheit ist dabei Vorschrift. Was die Gestoria für Sie übernehmen kann, ist die Zuteilung einer N.I.E. Identifikations- und Steuernummer. Das kostet etwa €100 und spart – ggf. viel – Zeit.

Autoan-/ummeldung

Vielleicht haben Sie auch Ihr Auto auf die insel gebracht, das nun umgemeldet werden soll bzw. muss. Die Umschreibeprozedur sollten sie einer Gestoria überlassen. Nur einen Weg müssen Sie dabei selbst machen: die Fahrt mit Ihrem Fahrzeug zur Inspeccion Técnica de Vehiculos (ITV), wo ihr Wagen auf seinen technisch einwandfreien Zustand untersucht wird. wenn diese spanische »TÜV«-Untersuchung geschafft ist, erledigt die Gestoria alles weitere innerhalb eines Monats. Fragen Sie Bekannte, was die erlebt haben, als sie das Fahrzeug selbst ummeldeten, und Sie werden sich auf jeden Fall für die Gestoria entscheiden.

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