Mehr Gäste, weniger Spielraum
2024 zählte die Insel mehr als 15 Millionen Besucher. Im Sommer ist die Bevölkerungszahl zeitweise fast doppelt so hoch wie im Winter. Diese gewaltige Schwankung bringt Systeme an ihre Grenzen – etwa die Wasserversorgung, die Müllabfuhr oder das Gesundheitswesen. Auch die Polizei stößt regelmäßig an Kapazitätsgrenzen, vor allem in den Küstenorten mit intensiver Partykultur.
Viele dieser Probleme sind nicht neu. Neu ist allerdings, wie sichtbar sie geworden sind – und wie wenig dagegen geschieht. Trotz zahlreicher Diskussionen über Obergrenzen, nachhaltigen Tourismus und städtebauliche Leitlinien hat sich die grundlegende Dynamik kaum verändert. Die Zahl der Betten ist offiziell gedeckelt, aber über Umwege wächst das Angebot weiter: über private Ferienwohnungen, Kreuzfahrttouristen oder Bauten in bisher unberührten Lagen. Und das Preisniveau steigt überproportional.
Alltag mit Nebenwirkungen
Was das für die Einheimischen bedeutet, zeigt sich besonders deutlich in Palma. Die Mieten sind in den vergangenen Jahren explodiert. Viele Wohnungen, die früher dauerhaft vermietet wurden, sind heute auf Kurzzeitplattformen gelistet. Junge Leute ziehen weg oder bleiben bei den Eltern wohnen. Saisonarbeiter wohnen oft unter prekären Bedingungen. Und wer im Dienstleistungsbereich arbeitet, muss immer weitere Wege in Kauf nehmen, um bezahlbaren Wohnraum zu finden.
Aber auch außerhalb der Stadt ist die Veränderung spürbar. In Orten wie Sóller, Pollença oder Artà hat sich das soziale Gefüge verändert. Man kennt sich weniger, weil die Nachbarschaft ständig wechselt. Traditionsläden und Lokale der Einheimischen verschwinden, stattdessen kommen weitere Boutiquen, Edelrestaurants und Immobilienbüros. Es ist kein dramatischer Umbruch – eher ein steter Wandel, der sich schwer zurückdrehen lässt.
Der stille Wasserkrieg
Ein Thema, das auf den ersten Blick wenig mit Tourismus zu tun hat, aber in Wahrheit eng damit verknüpft ist, ist das Wasser. Die Insel leidet zunehmend unter Trockenperioden, während der Verbrauch stetig steigt. Hotels, Pools, Golfplätze – all das frisst Ressourcen. Gleichzeitig kämpfen Landwirte mit sinkenden Grundwasserspiegeln, und in manchen Dörfern wird im Sommer das Trinkwasser rationiert. Die Entsalzungsanlagen helfen, sind aber teuer, energieintensiv und keine Lösung für die strukturelle Schieflage.
Zwischen Tourismusverwaltung und Tourismusverwaltung
Mallorca versucht seit Jahren – mehr halbherzig als entschlossen – die Entwicklung zu steuern. Es gibt Umweltauflagen, Bauvorgaben, eine ökologisch orientierte Touristensteuer. Doch vieles davon wirkt wie ein Feigenblatt. Zu stark ist der ökonomische Druck, zu viele Interessen hängen am Geschäft mit dem Urlaub. Schließlich hat der sensationelle Aufstieg des Tourismus die Insel und viele ihrer Bewohner reich gemacht. Die Politik laviert – zwischen Symbolmaßnahmen und echter Gestaltung. Wer eingreift, riskiert Gegenwind aus Hotellerie, Bauwirtschaft – oder aus Madrid.
Das macht es schwer, langfristig zu planen. Viele Gemeinden arbeiten im Notbetrieb, reagieren statt zu gestalten. Gleichzeitig fehlt es nicht an Ideen: ein ganzjähriger, kulturbasierter Tourismus, eine bessere Infrastruktur im Inselinneren, gezieltere Steuerung über Lizenzen. Doch es hapert an der Umsetzung – und am Mut, sich mit den mächtigen Profiteuren der aktuellen Verhältnisse anzulegen.
Wohin geht die Entwicklung?
Mallorca ist und bleibt ein wunderschöner Ort. Es gibt sie noch, die ruhigen Dörfer, die abgelegenen Strände, das echte Leben abseits der Hotelmeilen. Aber dieses andere Mallorca ist weiter auf dem Rückzug. Nicht überall, nicht abrupt – aber schleichend.
Die Frage, die sich immer drängender stellt, lautet nicht: Wie kann man den Tourismus abschaffen, sondern: Wie kann man ihn so gestalten, dass er nicht alles andere verdrängt?
Im Moment wirkt es, als würde man das Spiel einfach weiterspielen – in der Hoffnung, dass es noch lange gutgeht. Und die Buchungszahlen steigen weiter… .