Viele Ortschaften Mallorcas haben ihre eigene Folklore als Handwerkstradition: In Consell werden seit Jahrhunderten Messer hergestellt, in Porreres Leinenschuhe mit Hanfsohle, die typischen Körbe und Besen aus Palmfasern stammen aus Capdepera. Andere Bräuche und Gewohnheiten werden auf der gesamten Insel gepflegt:
Traditionelle Tänze und Musik
Ball de Bot, Hüpftanz, fehlt auf keinem Dorffest auf Mallorca. Auf dem Land beherrscht auch die junge Generation noch die alten Schritte und vollführt an den richtigen Stellen die kleinen, charakteristischen Hüpfer. Das kann fast schon elegant aussehen, in jedem Fall aber haben die Tänzer viel Spaß. Früher war der Tanz ein Paartanz, weil aber heute oftmals die Männer fehlen, wird er im Kreis getanzt. In Trachten wird nur im Ausnahmefall getanzt, geläufiger ist normale Straßenkleidung.
Die typischen Instrumente sind guitarrons und flabiols, kleinen Gitarren und Flöten. Fünf, sechs Bands, die sich auf die Tanzmusik spezialisiert haben, dominieren die Szene. Die Fans folgen ihrer jeweiligen Lieblingsband von einem Fest zum anderen.
Der ball dels Cossiers, der Tanz der Cossiers, lädt zum Zuschauen ein. In Algaida und Montuïri wird er seit Jahrhunderten gepflegt, in Manacor, Alaró, Pollença und Palma hat man ihn erst kürzlich wieder zum Leben erweckt.
Die Cossiers sind drei männliche Paare und eine Dame in Weiß. Eine Teufelsgestalt versucht, den schwungvollen Tanz zu stören. Apropro Teufel: Auf vielen Festen Mallorcas erscheinen plötzlich kleine dimonís. Warum, erklärt Felip Munar, mallorquinischer Volkskundler: “In einem Volkslied Mallorcas heisst es: `Der Teufel hat eine Mutter, die ihn rügt, weil er etwas ausgefressen hat.´Das zeigt, dass der Teufel bei uns nur das menschlich Schlechte verkörpert; er gehört zur Familie und deswegen darf er auch nicht fehlen, wenn die Familie feiert.”
Die Cossiers werden von traditionellen Musikinstrumenten begleitet: von flabiol, Flöte, xeremie, Dudelsack und tamborin, kleiner Trommel. In Mallorcas Geschichtsschreibung wurden die Cossiers schon im 16. Jahrhundert erwähnt; woher der Name stammt, ist nicht geklärt. In Algaida kann man die Cossiers an bestimmten Tagen bestaunen: am 16. Januar beim Fest von Sant Honorat, sowie am 24. und 25. Juli an Sant Jaume.
Märchen
Les Rondalles mallorquines, die mallorquinischen Märchen, erinnern an Schneewittchen und Aschenputtel, spielen aber auf Mallorca. Jahrhundertelang wurden sie mündlich überliefert, bis Mossèn Alcover, bedeutender mallorquinischer Geistlicher und Schriftsteller des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sie schließlich aufschrieb und veröffentlichte, unter dem Pseudonym Jean d`es Reco.
Viele Märchen spiegeln die Züge zeitgenössischer Persönlichkeiten Alcovers wider- die Spurensuche mallorquinischer Wissenschaftler füllt ganze Bücherregale. Die eigentliche Zielgruppe, Mallorcas Kinder, kennen die Disney-Version von Schneewittchen vermutlich besser als die Insel-Variante, doch die Großeltern erzählen immer noch rondalles und viele öffentliche Lesungen halten die Inselmärchen lebendig.
Marienlegenden
Jede Marienfigur hat angeblich ein Wunder vollbracht und gibt Hoffnung auf weitere, wenn sie zu einem Kloster Mallorcas gehört. Die Marienfigur vom Kloster Lluc, dem religiösen Zentrum der Insel in der Serra Tramuntana, darf gleich 86 Wunder für sich beanspruchen. Zwei davon erzählen sich die Mallorquiner auch heute noch häufig und gern.
Wunder Nummer eins: Um das Jahr 1250 sollen eine Hirte und ein Mönch ein Marienbildnis gefunden haben. Sie brachten es in das Pfarrhaus Sant Pere d`Escorca. Am nächsten Tag war das Bildnis verschwunden und tauchte am ursprünglichen Fundort wieder auf. Der Vorgang wiederholte sich zweimal- bis man beschloss, genau an dem Fleck, zu dem das Bild auf wundersame Weise immer wieder gelangte, eine Kapelle zu bauen. Wo einst die kleine Kapelle stand, ragt heute das mächtige Kloster Lluc empor.
Als die andere Legende entstand, gab es das Kloster bereits: Auf dem Pilgerweg dorthin schubste ein Mann seine Frau den Abhang hinunter und setzte den Weg zum Kloster alleine fort. Oben angekommen wollte er Maria um Vergebung bitten, als er plötzlich seine Frau erblickte: Unversehrt hatte sie das Kloster als erste erreicht. Der Ort des verhinderten Verbrechens wurde unter dem Namen el salt de la bella dona, “der Sprung der schönen Frau”, verewigt.
Sticken und Weben
Die Welt wirkt noch in Ordnung, wenn sich abends im Sommer die älteren Frauen vor die Häuser setzen und Handarbeiten verrichten: Die Deckchen, Bettenhimmel und Teppiche, die dabei gewoben oder bestickt werden, zieren das eigenen Heim und so manches Urlaubsdomizil.
Im Winter bekommen Langzeit-Urlauber die Gelegenheit, selbst zu lernen, wie sich komplizierte Blumenmuster auf Stoffe bannen lassen: Die Rathäuser der Insel organisieren jede Menge Kurse; das Angebot reicht von Katalanisch über Paartanz bis zu Punto mallorquín, mallorquinischer Stickerei. In vielen Kurzwarenläden der Insel sind Stoffe mit Vordrucken zum Selbersticken sowie passendes Garn erhältlich.
Ein kostbarer Stoff aus dem 10. Jahrhundert mit auffallendem Pfeil- oder Zungenmuster hängt im New Yorker Metropolitan Museum of Art und soll so aussehen, als stamme er aus Mallorca:
Stoff mit Zungenmuster, tela de llengües, wird auf der Insel auch heute noch hergestellt, zum Beispiel in den Webereien der Firmen Can Bujosa in Santa Maria und Teixits Vicens in Pollença. Die Stoffe mit dem traditionellem Muster dienen zum Beziehen von Stühlen und Couchen oder werden als Vorhang verwendet. Sie sind nicht gerade billig, dafür aber keine Massenware.
Das oben erwähnte Museumsstück stammt übrigens aus dem Jemen. Ob das charakteristische Muster von dort nach Mallorca kam, oder ob das Handwerk beider Regionen einen gemeinsamen Ursprung hat, ist nicht bekannt.
Adressen der Webereien:
Guillem Bujosa, C/ Bernat Sta.Eugènia, 53 – 07320 STA. MARIA DEL CAMÍ
Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 08.00 – 13.00 Uhr / 15.30 – 20.00 Uhr.
www.bujosatextil.com
Teixitvicens, Rotonda Can Berenguer – 07460 POLLENÇA
Öffnungszeiten: Mo. bis Sa. 9.00 – 19.00 Uhr.
www.teixitsvicens.com
Aus Küche und Backstube
Ausgerechnet am Tag der Kölner Stadtheiligen Ursula, dem 21. Oktober, gönnen sich Mallorquiner etwas Besonderes: Kleine, in Fett gebackene Kringel mit Zucker, bunyols genannt. Dabei gedenken die Insulaner weniger der heiligen Ursula, als mehr ihrer Begleiterinnen: Der Legende nach unternahm die bretonische Königstochter Ursula mit 11 000 Jungfrauen eine Wallfahrt nach Rom. Bei einem Halt in Köln, sagt man, wurden sie von den Hunnen umgebracht. Aber so genau möchte das auf Mallorca gar keiner wissen. Hier heißt der Tag mit den süßen Kringeln las virgenes, die Jungfrauen, weil man die Süßigkeit Jungfrauen schenken soll, so eine gängige Erklärung.
Kaum hat man die fettigen bunyols verdaut, gibt es auch schon die nächste Süßigkeit: Rosarios, Rosenkränze. In diesem Fall sind das Ketten mit Keksen und Gummibärchen, die die Kinder an Allerheiligen von ihren Taufpaten geschenkt bekommen. Seit ein paar Jahren beschenken die Kinder zusätzliche sich selbst: In den Kindergärten und Schulen der Insel ist es üblich, Süßigkeiten mit Löchern zu versehen und auf Strippen zu fädeln- kein Kind, dem dieser Rosenkranz nicht gefällt.
Mallorquinische Würste wie sobrasada, longaniza und botifarron gibt es zwar das ganze Jahr über, traditioneller Weise aber am Vorabend von Sant Antoni, dem 16. Januar. Passend zur Jahreszeit brennen überall auf der Insel Lagerfeuer, in denen aufgespießte Würste brutzeln.
An Ostern backen und verzehren Mallorquiner panades, rubiols und crespells, das sind Teigtaschen mit salziger und süßer Füllung. Zu Weihnachten werden verschiedene typische Festtagsspeisen serviert. Einen Klassiker unter den Weihnachtsmenüs gibt es nicht, wohl aber unter den Weihnachtssüßigkeiten: Torró oder spanisch: turrón plegt man überall in Spanien zu essen: es ist eine Süßware aus Mandeln, Honig, Zucker und Eiklar. Eine besonders leckere Variante besteht aus Mandeln und Schokolade.
Zur kulinarischen Folklore gehört auf Mallorca auch ein Salat, trampo, aus Tomaten, Paprika und Zwiebeln. Findige Hausfrauen machen ihre Sommertomaten für einen Salat im Winter haltbar: Die Tomaten werden gehäutet und im Ganzen konserviert. Alternativ werden im Winter Tomaten der mallorquinischen Sorte ramallet verwendet, da sie sich bei richtiger Lagerung ein halbes Jahr und länger halten.
Das Pa amb Oli, (Brot mit Öl) eine andere traditionelle Speise, hat sich in den letzten Jahren als Abendessen etabliert. Wahrscheinlich, weil es schnell zuzubereiten ist, so wie das deutsche Abendessen, mit dem es noch mehr Gemeinsamkeiten hat: Auch das Pa amb Oli ist ein belegtes Brot, wobei die Brotscheiben getoastet und mit Olivenöl beträufelt werden. Sehr klein geschnittene Tomaten oder Tomatenscheiben, Salz und Knoblauch sind neben getrocknetem Schinken oder Käsescheiben die weitere Zutaten. Und als Beilage gibt es Oliven oder Pepperoni. Diese deftige mallorquinische Spezialität gibt es als “kleine Speise” in vielen Bars und Restaurants der Insel. Man sei gewarnt, häufig reicht eine Portion aus, um zwei Personen vollkommen zu sättigen.