Zwischen Ibiza und Identität: Mallorcas Weg zur LGBTQ+-Insel
Wer Mallorca mit der glitzernden Nachbarinsel Ibiza vergleicht, denkt zunächst an Unterschiede: Ibiza ist exzentrisch, laut, früh emanzipiert – Mallorca dagegen traditionsbewusst, lange von familiärem Tourismus geprägt und erst spät sichtbar queer. Doch dieser Kontrast weicht zunehmend einer Realität, die vielschichtiger ist. Mallorca ist keine „Gay-Destination“ im klassischen Sinne, sondern eine Insel im Wandel: stiller, eleganter, aber zunehmend selbstbewusst.
Die LGBTQ+-Community auf Mallorca ist integrativ gewachsen – nicht als abgetrennte Parallelwelt, sondern als Teil des kulturellen und urbanen Lebens. Palma, die Hauptstadt, spielt dabei eine Schlüsselrolle: Hier, wo internationale Einflüsse, wirtschaftlicher Wohlstand und gesellschaftlicher Pluralismus aufeinandertreffen, ist in den letzten zehn Jahren eine respektierte Szene entstanden, die sich nicht mehr verstecken muss – aber auch nicht laut sein will, um gesehen zu werden.
Palma de Mallorca: Stadt mit zwei Herzen
Die LGBTQ+-Kultur in Palma verteilt sich auf zwei symbolische Zentren: El Terreno, das historische Viertel rund um die Plaça Gomila, und Santa Catalina, das junge, kulinarische Herz westlich der Altstadt. Beide stehen für unterschiedliche Ausprägungen queeren Lebens: El Terreno war einst verrufen, heute wird es bewusst entwickelt – mit Designhotels, Showclubs und einer offen gemischten Klientel. Santa Catalina hingegen lebt von seiner Internationalität, der gastronomischen Dichte und einer Grundhaltung, die Vielfalt selbstverständlich integriert.
In El Terreno war es die schwule Szene, die bereits in den 1980er-Jahren erste Bars, Diskotheken und Treffpunkte etablierte. Das Viertel mit seinem eigenwilligen, charmant morbiden Charakter wurde für viele ein Refugium – auch für internationale Auswanderer und Künstler. Die Bar Michel an der Avinguda Joan Miró ist ein typisches Beispiel: bodenständig, offen, gut vernetzt. Hier trifft man schwule Paare, die seit Jahrzehnten auf die Insel kommen, ebenso wie junge Touristengruppen, die sich vor dem Clubbesuch noch eine Tapasplatte teilen. Die Adresse hat keinen Internetauftritt, aber jeder in der Szene kennt sie.
Nicht weit entfernt liegt das Joe’s Gomila Boutique Hotel – ein Adults-only-Haus mit Rooftop-Pool, Dachbar und stylischer Einrichtung. Das Hotel ist kein explizit queeres Etablissement, doch sein offener Anspruch, die Lage im Szeneviertel und die Gestaltung machen es zum idealen Rückzugsort für LGBTQ+-Reisende.
www.joesgomila.com
Santa Catalina: Queer im kreativen Milieu
Ganz anders Santa Catalina. Dieses Viertel steht nicht für klassische Clubs oder Bars, sondern für ein Lebensgefühl: offen, kulinarisch, modern. Hier findet man Curtis & Grace, eine neue LGBTQ-geführte Bar mit Bistroambiente und Retro-Chic, aber auch viele gemischte Cafés, kleine Galerien und Boutiquen, die nicht mit Fahnen werben müssen, um queerfreundlich zu sein. Der Alltag hier ist multikulturell – und Diversität kein Konzept, sondern Realität.
Instagram: @curtisgracepalma
Ein weiteres Beispiel: die Bar Flexas in der Altstadt – eine Institution der lokalen Szene. Gegründet von einer Dragkünstlerin, ist sie eine Mischung aus Kneipe, Wohnzimmer und Bühne. Es gibt Tapas, Musik von Chavela Vargas bis Madonna und Gäste zwischen 25 und 70. Wer Palmas queeres Herz verstehen will, muss einmal dort gewesen sein.
www.barflexas.com
Nachtszene: Zwischen Party, Performance und Community
Auch wenn Mallorca nie die Partyexzesse von Sitges oder Mykonos nachahmen wollte, gibt es Clubs mit Profil. Der The2 Club in Palma ist der bekannteste: Freitag- und Samstagabend versammeln sich dort Touristen, Residenten, Drag Queens und Tänzer zu einem ausgelassenen Clubabend zwischen Pop und House. Der Club ist durchorganisiert, sicher, queerfreundlich – und gerade deshalb beliebt.
Instagram: @the2palma
Wer es zurückgezogener mag, findet in der Spartacus Sauna einen klassischen Cruising-Ort, mit Dampfbad, Kabinen und Bar, im Herzen der Altstadt. Auch das eher unterirdisch angesiedelte Dark oder die XY Bar setzen auf ein eher männlich-geprägtes Publikum mit expliziten Interessen.
www.spartacus-sauna.com
Diese Orte zeigen: Mallorca bietet auch für die queere Subkultur Räume. Doch der Fokus liegt zunehmend auf Offenheit und Integration – keine Separierung, sondern Sichtbarkeit im Alltag.
Queerfreundliche Unterkünfte: Vielfalt statt Etikett
Die meisten Hotels auf Mallorca sind heute ohne weiteres LGBTQ+-freundlich – ohne dies plakativ hervorzuheben. Einige jedoch setzen gezielt auf ein queeres Publikum:
- Rainbow Home Mallorca, eine Villa nördlich von Palma, nur für schwule Männer – mit Pool, Fitness und Dinner-Abenden.
www.rainbowhomemallorca.com - Hotel Feliz, ein stylisches, zentral gelegenes Adults-only-Hotel nahe des Hafens mit Rooftop-Bar und skandinavischem Flair.
www.hotelfeliz.com - Victoria Gran Meliá, ein Fünf-Sterne-Haus direkt am Paseo Marítimo, bei LGBTQ+-Paaren beliebt für den Mix aus Lage, Komfort und Urbanität.
www.melia.com
Auch auf dem Land gibt es zunehmend Fincas, Agroturismo-Häuser und Boutiquehotels, die queeres Publikum als Zielgruppe erkannt haben – nicht als „Spezialmarkt“, sondern als Bestandteil eines offenen Gästeverständnisses.
Strände der Freiheit: FKK, Natur und Community
Queere Sichtbarkeit endet nicht an der Uferlinie. Auf Mallorca haben sich einige Strände zu inoffiziellen LGBTQ+-Hotspots entwickelt, allen voran:
- Es Trenc – ein kilometerlanger Naturstrand mit weitläufigem FKK-Bereich; der Abschnitt mit dem „rosa Bunker“ gilt als inoffizielle Gay-Zone.
- Cala del Mago – kleine, versteckte Bucht bei Portals Vells mit hohem Queer-Anteil, besonders bei FKK-Freunden.
- Es Caragol – schwer erreichbar, aber umso ruhiger: ein Geheimtipp für Individualisten.
- Playa de Muro (Abschnitt bei Sa Roca) – Dünenlandschaft im Norden, beliebt bei queeren Paaren und Soloreisenden.
- Caló des Grells – kleine FKK-Bucht unweit von Palma, ideal für eine entspannte Stunde nach dem Sightseeing.
Diese Orte leben von gegenseitigem Respekt, Toleranz und der unausgesprochenen Freiheit, man selbst zu sein – fernab von Partyzwang oder Dresscode.
Organisationen, Pride und Community
Die tragende Struktur der LGBTQ+-Bewegung auf Mallorca heißt Ben Amics. Der Verein betreibt nicht nur Aufklärungsarbeit und rechtliche Beratung, sondern organisiert auch die Palma Pride, betreibt Netzwerkarbeit und gibt Informationsmaterialien heraus, etwa die jährlich erscheinende Mallorca Gay Map.
www.benamics.com
Eine zweite wichtige Einrichtung ist ALAS Baleares, die sich der HIV-Prävention und Gesundheitsberatung verschrieben hat – offen, mehrsprachig, niederschwellig.
www.alas-baleares.org
Die Pride-Woche findet jedes Jahr Ende Juni statt und vereint Parade, Konzerte, Diskussionen und Partys in einem Gesamterlebnis, das zunehmend auch internationale Aufmerksamkeit erhält. Die Veranstalter legen Wert auf politische Botschaft – aber auch auf Feierlichkeit, Sichtbarkeit und Gastfreundschaft.
Keine Insel der Eindeutigkeiten
Mallorca ist keine Klischee-Gay-Destination. Und genau darin liegt ihre Stärke. Die Insel bietet keine Inszenierung, sondern Räume zur Entfaltung. Wer schrille Shows und ausgelassene Massen sucht, findet sie in Barcelona oder Ibiza. Wer jedoch eine lebendige, gewachsene, stilvolle Szene erleben möchte, in der Vielfalt nicht ausgerufen, sondern gelebt wird – der ist auf Mallorca richtig.
Textausschnitt aus dem Buch:
Mallorca
Reise Know-How Reiseführer
von Hans-R. Grundmann
Herausgeber: Reise Know-How Verlag
Taschenbuch: 524 Seiten
ISBN-10: 3896627783
ISBN-13: 978-3896627780
Preis Taschenbuch: 23,90 Euro
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