Perlen aus Mallorca – Majorica und Orquidea

Majorica und Orquidea sind die Kunstperlen Mallorcas. Sie schimmern fast genauso wie Perlen aus dem Meer, kosten aber weniger. Noch immer gelten die beiden Marken, die in die ganze Welt exportieren, als ein Aushängeschild Mallorcas- doch die Glanzzeit der Unternehmen ist vorbei:
Orquidea musste im Herbst 2010 seine Produktion von fünf Tagen in der Woche auf drei verkürzen, man wäre sonst auf den Perlen sitzen geblieben. Und bei Majorica hat die spanische Königsfamilie schon lange nicht mehr vorbeigeschaut- anders als früher: Der riesige Glaskasten, der am Ortsausgang von Manacor an der Straße nach Palma liegt, ist das Vorzeige-Geschäft der Firma. An den Wänden zeugen Fotos ehemaliger Kunden davon, dass Majorica einst eine Luxusmarke war: Man sieht Mitglieder der königlichen Familie und Schauspieler wie Gina Lollobrigida beim Perlenkauf in Manacor. Heute steht der Name Majorica weitgehend für Modeschmuck. Dass die Firma Design und Zielgruppe änderte, hat sie gerettet.

Um die Jahrtausendwende stand es schlecht um Majorica. Der Betrieb geriet in die roten Zahlen und Mitarbeiter mussten lange auf Löhne und Gehälter warten, bis zwei Franzosen die hoch verschuldete Firma erwarben. Die neuen Inhaber besitzen Fabriken in China und Thailand und sind Geschäftsführer der Gruppe Saga, die für internationale Marken Modeschmuck produziert. Nun also auch für die Firma Mayorica, die seit 2006 wieder Gewinne verbucht.

Die Geschichte der Perlen aus Mallorca beginnt mit einem Deutschen in Paris: Eduard Hugo Heusch experimentiert um 1890 mit der Herstellung künstlicher Perlen. Um die Jahrhundertwende zieht er von Frankreich nach Spanien und entwickelt in Manacor sein Verfahren weiter: Hier lässt er die Perlen aus Glas blasen, schickt sie nach Paris, wo sie mit Wachs gefüllt und mit einem perlmuttfarbenen Lack überzogen werden.

In Manacor eröffnet Heusch die erste bedeutende Fabrik der Stadt, die noch kein Industriestandort, sondern bäuerlich geprägt ist. Die Angestellten arbeiten in der Fabrik und zu Hause- insgesamt produzieren sie zehn Millionen Perlen pro Monat und können die Nachfrage trotzdem nicht decken. In Felanitx wird eine Niederlassung eröffnet, die es heute längst nicht mehr gibt. Das Unternehmen ist stolz auf seine Geschichte, auch darauf, dass die Arbeiterinnen in den Anfangsjahren streikten, um den gleichen Lohn wie die Männer zu erhalten. Man freut sich darüber so sehr, als wäre Majorica die Wiege der spanischen Frauenbewegung. Den Namen „Majorica“ erhielt die Firma übrigens erst 1937 von dem Nachfolger des Gründers, seinem Sohn.

Die Perlen aus Mallorca sind ursprünglich reine Handarbeit- wenn sie schon nicht in der Meeresmuschel entstanden sind! Heute stimmt das nicht mehr ganz, auch wenn man bei Mayorica gerne vorgibt, Kunsthandwerk herzustellen: Wohl deshalb hat die Geschäftsleitung in das große Geschäft am Ortsausgang von Manacor zwei Angestellte gesetzt, die durch Glasscheiben vom Besucher getrennt sind. Sie tauchen den Kern der Perle, der inzwischen nicht mehr mit Wachs gefüllt wird, sondern komplett aus Glas besteht, in Perlenflüssigkeit. Dann prüfen sie sorgfältig jede einzelne Perle. In der Fabrik, die ein paar hundert Meter weiter weg liegt, läuft dieser Prozess vermutlich zum Teil automatisiert ab- Besucher sind hier nicht mehr zugelassen. Anders bei Orquidea: Die Fabrik liegt an der Autobahn Palma-Manacor, nahe der Abfahrt Montuïri. Bei einem Besuch ist zu sehen, wie z.B. der Kern der Perle maschinell gefertigt wird.
Doch Handarbeit hin oder her- an dem Prinzip der Herstellung hat sich seit den 50er Jahren nicht mehr viel geändert:

1952 taucht Geza Zsolt, Ingenieur und Laborchef bei Majorica, den Kern der Perle zum ersten Mal in ein Bad aus Schuppen von Sardinen und Sardellen, lässt die Schicht trocknen und badet die Perle noch einmal: Die Kunstperle mit dem Belag aus dem Meer sieht der echten immer ähnlicher. Das Prestige der Mallorca-Perle steigt, die Nachfrage auch und das Unternehmen kann über 1000 Menschen beschäftigen.
In die Zeit des Aufstiegs Majoricas fällt die Gründung der Konkurrenz: Der Vater des heutigen Inhabers von Orquidea erwirbt eine kleine Werkstatt im Zentrum Manacors, in der nach einem ähnlichen Verfahren wie bei Majorica, Kunstperlen hergestellt werden. Jahrelang bestehen die Konkurrenten Majorica und Orquidea nebeneinander in Manacor, bis 1995 Orquidea an seinen heutigen Standort, nach Montuïri umzieht, wegen Streitereien mit der Gemeindeverwaltung.

Zu wem soll der Interessierte gehen? Bei Orquidea erhält man sicherlich einen ehrlicheren Einblick in die Produktion, aber Majorica bietet mehr Auswahl. Außerdem zeigt dort eine kleine Ausstellung Kronen aus Kunstperlen, die für Schönheitswahlen angefertigt wurden, Exponate aus den Anfangsjahren sowie zwei Perlenketten, die nicht voneinander zu unterscheiden sind. Eine soll aus Zuchtperlen bestehen, die andere aus Perlen von Majorica.

Die Unternehmensleitung von Orquidea betont gern, dass ihr Schmuck zu hundert Prozent auf Mallorca hergestellt wird, während Majorica einen kleinen Anteil der Goldverschlüsse und Silberhäkchen in Asien produzieren lässt. Auch wenn die Fabrikanten gerne Unterschiede herausstellen, ähneln sich ihre Perlen zum Verwechseln. Darüber hinaus eint beide seit Jahren ein Feind: Unter Namen wie Majorca, Majorque und Mallorca vertreiben Händler Perlenschmuck von geringer Qualität, aber nicht immer zu geringen Preisen. Um sich gegen diese Nachahmer zu wehren, bemühen sich die Konkurrenten gerade gemeinsam um eine geschützte Herkunftsbezeichnung.

© st. eichler