Port de Pollenca und Formentor

Hoch im Norden, oberhalb von Port de Pollença, liegt die Halbinsel Formentor mit dem gleichnamigen legendären Luxushotel, das der Gelegenheitsdichter (seine Verse fanden immerhin Aufnahme in der Antologia de Poetas Argentinos) und millionenschwere Literaturkritiker Adan Diehl 1928/29 erbauen ließ.

Dort traf sich im Pinienhain des Hotels, das damals nur vom Wasser aus zugänglich war, Anfang der 1930er-Jahre die »geistige Elite Europas« zur sogenannten »Woche der Weisheit«, organisiert vom deutschen Philosophen Hermann Graf Keyserling (1880-1946). Dieser versuchte durch seine »Schule der Weisheit« und mit Hilfe etlicher Flaschen Rotwein die Gegensätze zwischen Rationalität und Irrationalität zu überwinden. Dabei ließ er sich in absurde Kontroversen u.a. mit dem spanischen Schriftsteller und Happening- Spezialisten Ramón Gomez de la Serna (1888-1963) verwickeln, der sich laut Thelen unerkannt unter die Gastteilnehmer aus aller Welt gemischt hatte.

Der exzentrische Don Ramón, ein eifriger Sammler von Grabinschriften, liebte es, z.B. als Conférencier auf einem über die Bühne gespannten Seil zu balancieren und seine Zeitgenossen auf alle möglichen Arten zu überraschen. So forderte er Keyserling auf, der um Themenvorschläge gebeten hatte, über die Kaffeekanne zu philosophieren, was Thelen in seinem o.g. Roman wie folgt beschreibt: »Keyserling ... hatte schon viel Wein getrunken und wurde noch röter, als er stehenden Fußes zu sein pflegte. Nun gut, was hat ein deutscher Grundphilosoph nun zur Kaffeekanne zu sagen? Keyserling wandte die Kanne hin und her, meditierend, und dann nahm er sie mit einem flugsen Schubs, wie eine Robbe den Ball, auf die Schnauze und sagte, was er als deutscher Philosoph ... zur Kanne beizutragen hatte: mit sprühendem Geist, mit Witz, mit Paradoxen, mit Hohn, mit Tiefe, mit Bodensatz – der hingehockte Kreis kam aus dem Staunen nicht heraus. ... Wer Ramón kannte – und wer von den anwesenden Spaniern kannte ihn nicht? – blickte auf Ramón.

Dieser erbat sich die Kanne, blies die Ameisen ab und begann: Der illustre Gast habe die glänzende Oberfläche des Gegenstandes ebenso glänzend wie oberflächlich behandelt – bei diesen Worten rührte den Weisen aus Darmstadt der erste Schlag – , ihm, Ramón, sei es gestattet, sich ein wenig mit dem dunklen Inhalt des Themas zu beschäftigen. Und Ramón Gomez de la Serna spritzte seine Greguerías (»tollen Einfälle«) in die Runde und bewies zweierlei: daß die deutsche Philosophie keine Tiefe habe, eine Kaffeekanne aber unerschöpflich sei. Als geschlagener Denker ging Keyserling in sein Luxusgemach zurück; und als solcher verließ er schleunigst das Hotel und die Insel.«

In den 1950er-Jahren verfielen der damals neue Besitzer des Hotels, Bartolomé Buadas, und Camilo José Cela, spanischer Literatur-Nobelpreisträger, auf die Idee, eine ähnliche Veranstaltungsreihe aus der Taufe zu heben. Im Jahre 1959 luden sie zum erstenmal zu den sog. »Poetischen Gesprächen« ein, die sich rasch zu einem wichtigen europäischen Literaturereignis entwickelten. Die Krönung dieses Treffens stellte die Vergabe eines »Formentor Preises« und des Internationalen Verlegerpreises dar, eine Zeremonie, die bis 1963 auf Mallorca stattfand. Danach wurde sie aus politischen Gründen nach Griechenland verlegt. Preisträger waren u.a. Prominente wie der Ire Samuel Beckett (»Warten auf Godot «), der Argentinier Jorge Luis Borges, der als junger Mann eine Zeit lang in Palma einem avangardistischen literarischen Zirkel angehört hatte, und der Deutsche Uwe Johnson.

Port de Pollença kann sich ebenfalls rühmen, einige bedeutende Literaten beherbergt zu haben: Agatha Christie verbrachte Mitte der 1930er-Jahre einige Wochen im 1929 eröffneten Hotel Illa d’Or, das am Nordende der Fußgängerpromenade um die Bucht liegt. Von der Atmosphäre dieses Hotels ließ sie sich zur Kurzgeschichte »Problem at Pollensa Bay« (deutsch recht unpassend: »Paradies Pollensa«) inspirieren, in deren Zentrum ausnahmsweise kein Kriminalfall, sondern eine »Angelegenheit des Herzens « steht, die ihr Held, Mr. Parker Pyne, charmant und mit Raffinesse zum Happy Ending führt: »Mr. Parker Pyne lebte sich rasch gut ein im Hotel Pino d’Oro (=Illa d’Or). (...). Es existierte auch eine Künstlerkolonie am Ort. Man konnte am Meer entlang spazieren bis zum Fischerdorf, wo es eine Cocktailbar gab, in der man sich traf, und auch einige Läden. Alles war sehr friedlich und angenehm. Mädchen zogen umher in Hosen und mit Tüchern, die sie um die obere Hälfte ihres Körpers gebunden hatten. Junge Männer mit Baretts und ziemlich langen Haaren ließen sich in Mac‘s Bar über den Preis von Plastiken und abstrakter Kunst aus.« Diese Erzählung aus dem Jahr 1936 reflektiert vor allem die künstlerische Atmosphäre Pollença's, mit der die Stadt sich bis heute nur zu gern schmückt.

Auch José Camilo Cela mag davon angelockt worden sein, als er sich 1955 aus Palma nach Port de Pollença zurückzog, um seinen Roman La Catira zu schreiben. Mallorca, meinte er, sei ein »gutes Fleckchen Erde, um in Ruhe zu leben und zu arbeiten«.