Der Klimawandel betrifft uns alle und wirkt sich weltweit spürbar aus. Laut Forschern, wie Wolfgang Cramer, sollen die Auswirkungen aber im Mittelmeer und speziell auch auf der Baleareninsel Mallorca besonders drastisch sein. Experten der Balearen-Uni haben bereits Maßnahmen präsentiert, um dem entgegenzuwirken und vor allem damit umzugehen.
„Es gibt Grund zur Panik!“ – so drastisch lautet die Aussage von Wolfgang Cramer, dem Forschungsdirektor des französischen CNRS am Mediterranen Institut für Biodiversität und Ökologie in Aix-en-Provence. Der angesehene Geograf und Ökologe ist Koordinator von MedEDD (Experten des Mittelmeerraums zu Klima- und Umweltwandel). Cramer präsentierte im Oktober 2019 die bisherigen Ergebnisse einer noch nicht abgeschlossenen Studie zum Thema „Auswirkungen des Klimawandels auf den Mittelmeerraum“. So gelangte das unabhängig tätige Netzwerk, das mehr als 600 Wissenschaftler aus 35 Ländern vereint, zu „furchterregenden“ Erkenntnissen: Der Temperaturanstieg im Gebiet des Mittelmeers wird höher ausfallen als anderswo.
Warum ist das so? Beim Anstieg der Temperatur weltweit werden auch die großen Ozeanregionen einbezogen, wo sich die Oberfläche nicht derart rasch erhitzt – daraus folgt der im Pariser Abkommen bestimmte Mittelwert von 1,5 Grad Abweichung. An Land, wo die Bevölkerung lebt, fällt der Anstieg noch höher aus – und aufgrund der Trockenheit ist er im Raum des Mittelmeers noch höher als in anderen Gebieten. Zudem zeigen laut dem Experten alle anerkannten Klimamodelle, dass die Niederschläge in der Mittelmeerzone im Gesamten sinken werden – im südwestlichen Raum an den spanischen Küsten wird die Trockenheit, auch gemäß Cramer, dermaßen steigen, dass heutige Ökosysteme nicht mehr bestehen können.
Zum Thema Wetterextreme führt der Wissenschaftler an, dass heftige Niederschläge am Mittelmeer lediglich in manchen Gebieten ausgeprägt sind, so wie auf den Balearen: Aufgrund der höheren Meeresoberfläche-Temperatur ist mit mehr Stürmen zu rechnen, dazu kommen extreme Trockenheit sowie Hitzewellen. Bereits heute führen Letztere auch zu Massensterben mancher Arten im Meer, insbesondere jener Lebewesen am Meeresboden. Hinzu kommt der Anstieg des Meeresspiegels, wodurch unzählige Küsten- und Feuchtgebiete und somit auch Strände verschwinden. Ein weiterer Punkt ist die bereits messbare Versauerung des Meeres: Diese wird künftig alle kalkschalenbildenden Organismen beeinträchtigen – und langfristig betrachtet auch dem Wirtschaftsfaktor Meeresfrüchte-Industrie zusetzen, z. B. auf Mallorca.
Laut der Studie zählen die Balearen zudem zu jenen Gebieten, wo die Meerestemperatur sich am meisten erhöht – der Hintergrund: Wie im globalen Ozean strömt im Mittelmeer in der Tiefe das Wasser in die eine, an der Oberfläche in die andere Richtung. Das nennt man thermale Zirkulation. Übertragen auf die Balearen bedeutet das: Im östlichen Mittelmeer entstehen durch die Hitze warme Wassermassen, die sich an der Oberfläche zu den Balearen bewegen; das kühlere Meereswasser aus dem Atlantik fließt in der Tiefe durch die Straße von Gibraltar Richtung Osten – deshalb ist das Wasser an der Meeresoberfläche im Westen wärmer. Das betrifft natürlich auch die Fischerei, wenn künftig durch den Sueskanal Tropenfische ins Mittelmeer kommen und hier jene Fische, die an kühlere Wassertemperaturen angepasst sind, dominieren. Ebenso werden Korallenriffe und Seegraswiesen eine starke Veränderung erfahren.
Hier ist übrigens anzumerken, dass das Neptunseegras für die hohe Wasserqualität Mallorcas verantwortlich ist – es ist auch ohne Klimakrise bedroht, etwa durch zu viel Abfälle und falsch ankernde Bootsführer. Abgesehen davon ist dieses Seegras essenziell im Kampf gegen die Erderwärmung: Ein Hektar davon generiert nämlich pro Tag bis zu 21 t Sauerstoff. Man könnte auch sagen: Das Neptunseegras im Mittelmeer hat dieselbe Funktion wie der Regenwald im Amazonas. Bei zu warmen Wassertemperaturen stirbt es allerdings ab.
Cramer erklärt aber auch, wie sich die Ökosysteme an Land im Mittelmeerraum verändern werden: So wächst die Waldfläche, was auf den Rückgang von Weideflächen zurückführt, dazu erhöhen sich die Temperaturen bei einem höheren Holzvorkommen in der Landschaft – das erhöht die Waldbrandgefahr noch mehr. Durch die Hitze und die damit zusammenhängende stärkere Verdunstung wird das Wasser immer knapper – auf allen Mittelmeerinseln mit Gebirgen, wie Mallorca, wird das durch höhere Niederschlagsmengen in den Bergen ein wenig abgefedert. Allerdings ist Mallorca schon jetzt immer wieder von Wassermangel betroffen.
Jedenfalls steht fest: Der Klimawandel auf Mallorca lässt sich nicht mehr umkehren. Wichtig ist, dass nun schnellstmöglich gehandelt wird, um zu einem passenden Umgang mit der Situation zu kommen.
Maßnahmen gegen den Klimawandel: Angesichts der drastischen Lage haben Experten der Balearen-Uni – ebenfalls im Herbst 2019 – insgesamt 69 Maßnahmen präsentiert, um der Klimakrise auf den Balearen-Inseln zu begegnen. Unter anderem fordern sie eine Abkehr vom Massentourismus, mehr Vielfalt im mallorquinischen Wirtschaftssystem sowie ein konsequentes, rasches Handeln der Politik – basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Konkret haben Catalina Torres und Pau de Vílchez der Balearen-Uni zusammen mit dem interdisziplinären Team „Laboratorio Interdisciplinario sobre Cambio Climático“ (LINCC) die Folgen des Klimawandels für die Balearen-Region untersucht. So nahmen die Schadstoffemissionen auf den Balearen von 1990–2008 um 70 % zu (spanischer Durchschnitt: 50 %), das geht vor allem auf die aktuelle Form des Tourismus zurück: 80 % der Treibhausgasse entstehen durch die Gewinnung von Energie und Transport. Zeitgleich ist der Tourismus selbst durch die Auswirkung der Klimakrise in großer Gefahr.
Bis Ende des 21. Jahrhunderts steigt nämlich laut Prognose die durchschnittliche Temperatur auf den Balearen um 2–4 Grad, hinzu kommen längere Hitzewellen – gleichzeitig wird es 10–20 % weniger Niederschlag geben, während intensiver Platzregen zunimmt. In der Region soll der Meeresspiegel um 40–70 cm ansteigen, so das Ergebnis der Analysen. Folglich werden Meereshäfen überflutet, Strände und Dünen zurückgehen.
Interessierte können übrigens auf Flood Maps herausfinden, wie sich ein Ansteigen des Meeresspiegels, auch nur um wenige Meter, auf Mallorca sowie andere Regionen der Welt auswirkt. Auf Mallorca ist damit zu rechnen, das Strände wie Es Trenc verschwinden, auch der Airport in Palma de Mallorca würde überflutet – natürlich auch jene kleinen Buchten, die schon heute regelmäßig künstlich mit Sand aufgeschüttet werden.
Vermutlich wird als weitere Folge auch die Trinkwasserqualität beeinträchtigt, was eine Entsalzung des Meereswassers und darum höhere Energiekosten erfordert. Auch die Hitzeperioden werden im Sommer den Tourismus negativ beeinflussen: Vielen wird es auf Mallorca dann wohl zu heiß werden. Auch das Baugewerbe wird die Folgen spüren: Durch die Hitze und die in der Luft enthaltenen Schadstoffe wird Baumaterial, wie Holz oder Beton, anfälliger in Bezug auf Verfall. Generell wird laut den Experten die Produktivität bzw. Arbeitsleistung vieler Menschen infolge der Hitzewellen sinken.
Aufgrund der Trockenheit und höheren Temperaturen werden vermehrt Plagen auftreten, die Flora und Fauna auf Mallorca angreifen – insbesondere betrifft das wohl die typischen Steineichen, Bienen und Organismen in den Feuchtzonen; gleichzeitig wird die Fruchtbarkeit des Bodens sinken und – wie schon erwähnt – die Waldbrandgefahr sich erhöhen. Hinzu sollen mehr Hitzetodesfälle, Herz-Kreislauf-Probleme insbesondere bei Risikogruppen, und wahrscheinlich eine Häufung von Erkrankungen wie Chikungunya und Denguefieber sowie Allergien kommen. Nicht zuletzt kühlt es auch in der Nacht wohl kaum ab und an einen ruhigen Schlaf ist nicht zu denken.
Vor diesem Hintergrund hat das Team um Torres 38 Maßnahmen für Mallorca konzipiert, um den Klimawandel abzumildern, sowie 31 weitere, um so gut wie möglich mit dem Unveränderbaren umzugehen. Die 69 Maßnahmen im Einzelnen finden sich auf der Seite der UIB.
So muss unter anderem die Tourismusbranche auf den Baleareninseln weniger stark gewichtet werden. Das Wirtschaftsmodell soll generell ausgeweitet werden – fokussiert, auf Sektoren, die einen kleinen ökologischen Fußabdruck aufweisen. Hinsichtlich der Energiewende sei es essenziell, die landschaftlichen Bedingungen Mallorcas zu berücksichtigen – nicht überall ist es möglich, Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energie ohne negative Folgen für die Umwelt zu errichten.
Gute Alternativen zum Tourismus wären der Ausbau von emissionsarmen, aber bedeutenden Bereichen wie Landwirtschaft, Kunsthandwerk, Bildung und Altenpflege – Tourismus hingegen sollte auf Nachhaltigkeit, aber auch Naherholung setzen: Schließlich zeigen sich die meisten Menschen auch verständnisvoll und einsichtig in puncto Klimawandel – und womöglich würden künftig dann auch jene Menschen nach Mallorca kommen, die aufgrund von Vorurteilen wie Ballermann und Saufurlaub die Balearen bislang gemieden haben.
Quellen:
https://www.mallorcazeitung.es/aktuelles/2021/11/20/klimawandel-im-mittelmeer-gibt-grund-54111781.html
https://www.mallorcazeitung.es/umwelt/2021/11/20/wie-der-klimawandel-mallorca-betrifft-59650388.html
https://diari.uib.cat/Hemeroteca/69-mesures-per-reduir-limpacte-del-canvi-climatic.cid683403
https://www.mallorcafuerkinder.de/klimawandel-mallorca/