Mallorca Krimis

Mallorca-Krimis haben sich in den letzten Jahren fast als eigenständige Untergattung der Mallorca-Literatur etablieren können. Die Baleareninsel scheint sich als Ambiente für Kriminalfälle vorzüglich zu eignen. Die Qualität der den Markt überschwemmenden Werke variiert dabei allerdings beträchtlich.

Mallorca Krimis als eigene Gattung?

Eine Besonderheit stellen die Kriminalromane von Roderic Jeffries (alias Peter Alding oder Jeffrey Ashford) dar, von denen mittlerweile 29 in englischer Originalfassung erschienen sind. Jeffries wurde 1926 in London geboren, war lange Jahre als Anwalt tätig und lebt seit 1972 aus gesundheitlichen Gründen auf Mallorca.

In deutscher Übersetzung sind bislang nur einzelne Bände erhältlich: »Liebestod auf Mallorca« (1980), »Einmal Mallorca – lebenslänglich « (1987), »Ein zweites Leben auf Mallorca« (1995), »Tödliche Umarmung auf Mallorca« (1998) und »Labyrinth der Leichen« (1998), wobei auffällt, daß in den englischen Titeln das Wort »Mallorca« gar nicht enthalten ist.

Vielmehr gibt der jeweilige Untertitel den zusätzlichen Hinweis, daß es sich jeweils um einen Inspektor- Alvarez-Roman handle. Alles über Jeffries und seine Romane kann man im Internet unter www.stop yourekillingme.com/Roderic-Jeffries.html und unter www.toms-krimitreff.de/roderic.html nachlesen.

Jeffries unternimmt seit nunmehr drei Jahrzehnten den ehrenvollen Versuch, seinen Protagonisten, Inspektor Enrique Alvarez, neben den berühmten Kriminalisten der Weltliteratur, etwa denen einer Agatha Christie oder eines George Simenon, zu etablieren – freilich mit deutlich geringerem Erfolg, zumindest was den deutschen Markt anbelangt. Dabei scheinen die Voraussetzungen dafür auf den ersten Blick zunächst gar nicht schlecht zu sein. Angesiedelt sind die Handlungen alle auf Mallorca (mit kleinen Abstechern zu den britischen Inseln) überwiegend im Milieu der Reichen und Schönen, das mit der ländlich-kleinbürgerlichen Welt des Inspektors, der bei seiner resoluten Cousine Dolores und ihrem trinkfesten Ehemann Jaime im fiktiven Städtchen Llueso wohnt, kontrastiert wird. Etwas hinderlich für die Beliebtheit bei der deutschen Leserschaft ist vielleicht die Tatsache, daß alle Kriminalfälle sich in der geschlossenen Sphäre der britischen Mallorca-Residenten ereignen, in welcher sich der Autor offenbar blendend auskennt.

Enrique Alvarez, wie könnte es anders sein, ist ein liebenswert verschrobener Charakter, ein äußerlich eher unscheinbarer Junggeselle mittleren Alters, der aus Trägheit mehr der rustikalen Küche seiner Cousine und dem allgegenwärtigen Brandy als dem weiblichen Geschlecht zuneigt. Und natürlich verbirgt sich hinter dieser eher spießbürgerlichen Fassade ein kluger Kopf, der mit unkonventionellen Methoden und ganz nebenbei seine Opfer zur Strecke bringt – immer (und auch das ist wohl ein Muß) gegen den Widerstand seines bornierten Vorgesetzten im fernen Palma.

Die Kleinstadt Llueso mit ihrem sechs Kilometer entfernten Hafen trägt deutliche Züge Pollença und Port de Pollença, auch wenn Jeffries im Detail eine Identifikation durch partielle Verfremdungen verhindert. Seine Stories geizen nicht mit trivialen Klischees, und das Mitraten ist aufgrund der vom Autor zurückgehaltenen Informationen und jeglicher Wahrscheinlichkeit Hohn lachender Zufälligkeiten ein müßiges Unterfangen. Nichtsdestotrotz weisen die Geschichten einen soliden Unterhaltungswert auf und gleiten dank ihres konservativen englischen Charmes nie in billige oder geschmacklose Gefilde ab. Das verhindert auch schon ein nicht zu überhörender ironischer Grundton. Nebenbei erfährt der Leser einiges über die echte mallorquinische Küche.

Hansjörg Martin, von dem schon an anderer Stelle die Rede war, veröffentlichte 1973 einen Mallorca-Krimi mit dem etwas reißerischen Titel »Mallorca sehen und dann sterben«.

Die Geschichte um die (selbstredend) attraktive Jung-Reiseleiterin Sonja Menzel ist so hausbacken wie unglaubwürdig, legt aber indirekt Zeugnis ab von einer Zeit, als sich Reiseleiter noch um jeden Gast individuell kümmerten, den sie natürlich auch persönlich mit Namen anzureden wußten und mit denen sie nette »bunte Abende« im Hotel feierten. »Aber Herr Sotemeier«, antwortete Sonja und rückte ihn nun doch auf Abstand, »seien Sie nett und bleiben Sie ein wenig vernünftig!« Schließlich war der Tango zu Ende – er war Sonja endlos vorgekommen – und sie war erlöst.« Im Ferienhotel schlägt dieweil ein Mörder scheinbar wahllos zu, und die örtliche Polizei tappt völlig im Dunkeln.

Mittendrin, mehr oder minder geschickt in die Story eingewoben, erhalten wir dann einige kleine landeskundliche Lektionen zum Schauplatz der Verbrechen aus einer Zeit, in der so einiges ganz anders war als heutzutage – wie man rasch bemerkt.

Die mallorquinische Autorin Maria Antònia Oliver (*1946) läßt ihre Heimatinsel Tatort ihres dritten Kriminalromans um die exzentrische Privatdetektivin Lònia Guiu sein: »Mallorca, Mord inbegriffen « (1994; deutsch 1996). Die spannend erzählte Geschichte der Suche nach einem verschwundenen Mädchen bringt dem Leser vor allem die Gegend von Pollença näher, wobei die Schönheit der Landschaft geschickt mit den hinter Mauern abgeschirmten Prachtvillen als Orte der Dekadenz und Verkommenheit kontrastiert wird. Lònia, die Protagonistin, ist sicherlich nicht jedermanns Fall, aber ein Tribut an den Zeitgeist der 1990er-Jahre, der dem Schrillen um jeden Preis huldigt. Die ledige, aber »natürlich « von vielen begehrte Vegetarierin und »Bullenhasserin«, operiert – das versteht sich – mit unkonventionellen Methoden. Aufdringliche Männer bekommen da schon mal einen »Tritt in die Hoden«. Zur Seite steht ihr im Bedarfsfall ein homosexueller Assistent namens Quim. Wem das noch nicht genügt, der wird vielleicht Geschmack finden an den esoterischen oder psychoanalytischen Zutaten dieses postmodernen Eintopfs: eine Wahrsagerin, der angeblich das verschwundene Mädchen im Traum erschien oder die Erinnerungen Lònias an ihre »schwere Kindheit«, in der sie von ihrer Mutter gedemütigt wurde und die unsere Heldin dafür (wie könnte es anders sein) Jahrzehnte später nicht lieben kann.

Störend in dieser rasanten Geschichte wirkt vor allem der schnoddrige, betont saloppe Ton, in dem Lònia sich ihrer Umwelt mitteilt. »Du blöde Kuh! Paß doch auf mit dem Baby! Siehst du denn nicht, daß ich Kind und Kinderwagen fast plattgemacht hätte? Sei vorsichtig Mensch, ein Baby ist doch kein Schutzschild! Na sowas, die Ziege schrie mich auch noch an! Die war wohl bekloppt! (…)«

So ganz nebenbei erfährt der Leser auch einiges über Mallorca: »Ich beeilte mich trotz des starken Verkehrs, schnell nach Pollença zu kommen. Pollença ist ein wunderhübsches Städtchen, ein Spaziergang durch die Gäßchen um den Marktplatz herum ist ein himmlisches Vergnügen (..).«

Wer sich für Mallorcas Alltag aus der Sichtweise einer Eingeweihten interessiert und sich von dem oben Erwähnten nicht abschrecken läßt, wird immerhin feststellen, daß dies eines der besseren Mallorcabücher der letzten Jahre ist.

Bereits 1981 auf Katalanisch geschrieben, aber leider erst 2001 auf Deutsch veröffentlicht, wurde der Krimi »Das Mallorca-Komplott « des mallorquinischen Autors und Journalisten Guillem Frontera zu einem späten Bestseller.

Dieses amüsante Buch im Stil Raymond Chandlers (dessen Romane durch die Figur des Privatdetektivs Phillip Marlowe, einst genial dargestellt von Humphrey Bogart, weltberühmt wurden) überzeugt weniger durch die verworrene und, in bester Chandlerscher Tradition, unlogische Handlung als vielmehr durch brillante Formulierungen (»Ich wurde fast so gut behandelt und war so unnütz wie ein Markgraf«) und durch seinen anonymen, schnoddrigen Protagonisten (»Die Wirkung war die eines Deodorants unter der Achsel eines Ziegenbocks «), der so viele Whiskeys (und zwar auf Kosten anderer) in sich hineinschüttet und so viele Joints raucht, daß einem schon vom bloßen Lesen der Schädel brummt.