Via Verde – Mallorcas grüner Weg zwischen Manacor und Artá

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In ganz Spanien gibt es mittlerweile mehr als 100 „grüne Wege“ mit einer Gesamtstreckenlänge von ca. 2200 km, die auf stillgelegten, umfunktionierten Eisenbahntrassen verlaufen und nun Einheimischen sowie Touristen als kombinierte Rad- und Wanderwege dienen. Allen ist gemeinsam, dass sie für den motorisierten Verkehr gesperrt sind und dass sie auf befestigtem Grund mit sanfter Steigung bzw. moderatem Gefälle quer durch die Landschaft führen und von jedermann kostenfrei nutzbar sind. Auf Mallorca wird der "Via Verde" im Osten der Insel mittlerweile sehr gut angenommen, auch wenn die touristische Infrastruktur (Einkehrmöglichkeiten, öffentliche WCs) immer noch zu wünschen übrig lässt.

Der grüne Weg kurz vor dem Tunnel von Sant Llorenc; © if/reisebuch.de

Auf Mallorca ist die im Herbst 2014 eröffnete, knapp 29 km lange Strecke zwischen Manacor und Artá im Osten der Insel, der bislang einzige Via Verde (mallorquinisch: Via Verda), der seit der Saison 2015 von Wanderern, Joggern und vor allem Radfahrern besonders an den Wochenenden gut angenommen wird.

 Von 1921 bis 1977 verkehrte zwischen den beiden mallorquinischen Landstädten eine private Eisenbahn, die 30 Jahre später entlang der alten Streckenführung auf einem neu anzulegenden breiten Betonbett mit top modernen Elektrozügen wiederbelebt werden sollte. Die Kosten dieses avisierten Großprojekts liefen aber aus dem Ruder, Widerstände gegen Teilenteignungen von bis zu 800 Grundstücken entlang der Strecke sowie die damals einsetzende Finanz- und Wirtschaftskrise und ein Regierungswechsel führten schließlich zur Aufgabe des ehrgeizigen Plans, dem etliche Lokalpolitiker und die Bürgerinitiative Tren de Llevant bis heute nachtrauern.

 Im Frühjahr 2013 fasste das Umweltministerium dann den Entschluss, Mallorcas ersten Via Verde anzulegen und bis Oktober 2014 wurden 5,5 Millionen Euro in den umweltfreundlichen Rad- und Wanderweg investiert. Bereits Anfang 2015 aber musste die Balearenregierung noch einmal 600.000 € für dringend notwendige Nachbesserungen zuschießen.

 Herausgekommen bei dieser insgesamt überschaubaren Investition von öffentlichen Geldern ist eine der schönsten und sinnvollsten Einrichtungen der letzten Jahre für aktive Einheimische und Urlauber, die sich Mallorcas Natur und Landstädte der Serra de llevant im oft eher vernachlässigten Osten der Insel auf eigene Faust gefahrlos und komfortabel erschließen wollen.

 Der gut vier Meter breite befestigte Weg führt zwischen schützenden Holzgattern vom Ortsausgang in Manacor (Einstieg vom Bahnhof Richtung Osten entlang dem von Palmen gesäumten Passeig del Ferrocarril bis zum Eroski Supermarkt unweit der Plaça Madrid) über die Ortschaften Sant Llorenç (7,6 km), Son Carrió (3,6 km), Son Servera (7,6 km) bis nach Artá (9,8 km). Für die naturnahe Gestaltung des Via Verde hat man an der 28,6 km langen Strecke ca. 500 Bäume und mehr als 15.000 Sträucher und Stauden gepflanzt, die sich in den nächsten Jahren erst noch dekorativ entfalten dürften.

 In Manacor und Artá kann man sich zu „moderaten Preisen“ direkt an den Einstiegspunkten Fahrräder leihen (am besten vorbestellen [Website siehe unten], da nicht immer personell besetzt!); entlang des landschaftlich abwechslungsreichen Weges (hinter Manacor teilweise auch parallel zur Hauptstraße) mit vielen ansprechenden Ausblicken (und einigen düsteren Tunnels) finden sich in unregelmäßigen Abständen sechs Picknickplätze mit Bänken und Tischen, Mülleimern und Fahrradständern. An allen größeren Einstiegspunkten sind Parkplätze für PKW in ausreichender Zahl vorhanden.

 Leider gibt es bei diesem Projekt auch einige unverständliche Mängel, die den überwiegend positiven Gesamteindruck des Via Verde etwas relativieren. So fehlen an der gesamten Strecke sanitäre Einrichtungen und die drei wunderbar authentisch restaurierten Bahnhöfe der alten Eisenbahnlinie in Sant Llorenç , Son Carrió und Son Servera sind verriegelt und verrammelt und gammeln traurig vor sich hin. Angeblich sind Lizenzen für die Bewirtschaftung vergeben worden, was zu einer spürbaren Aufwertung dieser Stationen führen könnte. Zu sehen ist davon leider noch nichts. Die Ausschilderung der „grünen Route“ innerhalb der Ortschaften lässt bedauerlicherweise auch noch deutlich zu wünschen übrig.

Wanderer können ggf. ausgesuchte Teilstrecken z.B. nach Sant Llorenc gehen und mit einem öffentlichen Bus zurück nach Manacor fahren.

 Wer unterwegs einkehren will, muss sich bislang jenseits des Weges in einem der Landstädte eine Bar oder ein Restaurant suchen, z.B. das Lokal C`as Patró bei der Kirche von Son Carrió, Carrer Major, 13, oder oberhalb von Cala Millor das Panoramarestaurant Bella Vista mit tollem Ausblick auf das Meer. Hier kreuzt die ehemalige Bahntrasse den Aufstieg zum Penyal, dem 220 m hohen Hausberg des Ferienortes. Überhaupt kann man Teilstrecken des neuen Weges wie hier mit anderen Wanderungen oder Ortsbesichtigungen beliebig kombinieren. In Son Servera empfiehlt sich beispielsweise ein Abstecher zur unvollendet gebliebenen neugotischen Eglesia Nova des katalanischen Architekten Joan Rubió i Bellver, eines Schülers von Antoni Gaudí.

 Am Bahnhof von Son Carrió kann man neben dem hässlichen riesigen Bahn-Depot einige mit reichlich Graffiti besprühte Waggons eines vor Jahren auf der Strecke Manacor – Palma verunglückten Zuges in Augenschein nehmen. Ein bizarres Kunstwerk, das neben Neugierigen auch die Anhänger des Geo Caching auf Mallorca anzieht, die dort verstohlen nach raffiniert versteckten „Schätzen“ Ausschau halten.

 Der schöne alte Bahnhof von Artá wird zurzeit als einzige der genannten renovierten Stationen genutzt und enthält Ausstellungsräume sowie eine Touristeninformation. Die besuchenswerte Altstadt samt Flaniermeile mit Geschäften, Plätzen, Museen, Bars und Restaurants liegt nur einen Steinwurf entfernt. (In Artá kann man übrigens mittlerweile am Stadtrand sein Auto gut und sicher auf öffentlichen Parkplätzen abstellen.)

 Insgesamt ist der Via Verde eine tolle Bereicherung im Angebot für Aktivurlauber, denn gerade im Osten Mallorcas war die Auswahl an Wander- und echten Radwegen bislang eher dürftig. Es wird sich zeigen, ob es den Behörden gelingt, die Attraktivität der „grünen Route“ mit der Bewirtschaftung der stilvoll restaurierten Bahnhöfe auf der Strecke noch zu steigern. Die zweite große Herausforderung wird die Erhaltung und Pflege des Weges sein, damit dieser nicht bereits nach wenigen Jahren einen Niedergang erfährt, wie man es leider schon öfter mit innovativen Projekten auf Mallorca erleben durfte.

 Das Umweltministerium der Balearenregierung schließt überraschenderweise nicht aus, dass die Bahnstrecke eines Tages doch noch fertig gebaut wird. Wie das mit dem existierenden Via Verde zu vereinbaren sein soll, blieb allerdings zunächst offen.

Seit Herbst 2022 wird nun auch wieder ernsthaft über die Reaktivierung der Zugverbindung von Manacor nach Artá mit dem Tren de Llevant nachgedacht, aus dessen alter Trasse der Via Verde verläuft. Es herrscht aber Einigkeit darüber, dass die neue Eisenbahnverbindung keine Gefährdung für den Grünen Weg bedeuten, sondern vermutlich parallel zu ihm verlaufen soll.

Gut acht Jahre nach Inbetriebnahme ist der Via Verde eine bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebte Einrichtung, an der es außer ein paar Picknicktischen leider aber bislang keine weitere touristische Infrastruktur gibt. Die vielen positiven Bewertungen bei Tripadvisor belegen aber den nachhaltigen Erfolg dieses Projektes.

 

 

Weiterführende Links zum Thema

https://www.viasverdes.com/ - Übersicht aller „grünen Routen“ in Spanien

https://www.caib.es/sites/viaverda/es/inicio-74838/ - offizielle Website der balearischen Landesregierung auf Spanisch 

 

© Hartmut Ihnenfeldt, Reisebuch.de