„Der Stierkampf wird sich auf Mallorca eines Tages von selbst abschaffen,“ sagt Gabriel Fullana, einer der letzten mallorquinischen Liebhaber des blutigen Rituals. Gabriel trauert einer Zeit nach, „in der es noch nicht so viel Abwechslung gab. Wer etwas Festliches erleben wollte, fuhr ein- oder zweimal im Jahr zum Stierkampf nach Palma.“ Seine Begeisterung für das blutige Spektakel erklärt er so: „Wenn ein Stierkampf nach dem festgeschriebenen Protokoll abläuft, ist das Kunst.“ Gabriel schwärmt von der prächtigen Kleidung der Toreros, der Musik, dem Paso Doble, und von der Stille, die herrscht, wenn der Stier getötet wird.
Früher begeisterten sich viele Palmenser für den Stierkampf: Ganze Zeitschriften widmeten sich dem Thema, die Ergebnisse der einzelnen Kämpfe wurden in Büchern festgehalten und Glossare mit den Fachausdrücken erstellt.
Heute hat der Stierkampf auf Mallorca wohl mehr Gegner als Anhänger: Eine Demonstration zum Schutz der Tiere ist fast schon fester Bestandteil jedes Stierkampfs auf der Insel.
Im nahen Katalonien hatte die Regierung bereits 2012 beschlossen, dass es keine Stierkämpfe mehr geben sollte. Die mallorquinische Partei „Esquerra Republicana“ zog nach: Der Parteivorsitzende Joan Lladó argumentierte, dass Mallorca bei den Urlaubern in Misskredit geraten wird, wenn noch weiter Stierkämpfe stattfinden.
Der Kampf wird eingestellt, doch die Arena wird bleiben; es wäre auch schade drum, denn das Coliseo Balear ist eine beeindruckende Kulisse für Popkonzerte und Fernsehsendungen wie „Wetten dass…?“, das bis 2014 einige Male dort stattgefunden hat. Der Bau fasst rund 10 000 Menschen – auf Besucher, die tagsüber kommen, wirkt die Arena trotzdem fast gemütlich, vielleicht weil der Putz bröckelt und die Farbe abblättert.
Schon 1865 gab es eine Arena in Palma, in der Nähe der Plaza España, es war die erste der Insel. Nur noch die Calle de los Toros, die Straße der Stiere, erinnert an den alten Bau, der abgerissen wurde, als man 1929 das Coliseo Balear eingeweihte.
Wer die Plaza de los Toros, die Arena in Palma außerhalb einer Veranstaltung besuchen möchte, sollte sich vorher beim gegenüberliegenden Juwelier nach den Öffnungszeiten erkundigen. Denn geöffnet wird nach Bedarf. (Telefonnummer des Juweliers: (0034) 971 29 58 00.)
In den anderen Arenen der Insel zeigt der Torero nur einmal im Jahr, was er kann- wenn überhaupt: Die Arena in Felanitx aus dem Jahr 1914 ist beispielsweise ist wegen Baufälligkeit geschlossen. Derzeit dürfen dort wegen der Baumängel keine Stierkämpfe zum Fest von Sant Agustí Ende August stattfinden.
In der Stierkampfarena in Inca ist an den Wochenende das „Museu Cultural Taurí“ geöffnet, hier finden sich Kleidungsstücke der Stierkämpfer und Plakate, die davon erzählen, dass „Inca mal eine Stadt war, in der Stiere eine wichtige Rolle spielten,“ sagt Bartomeu Llobera, der nicht nur Inhaber des Museums ist, sondern mit ein paar Gleichgesinnten die Arena in Schuss hält, aus Liebhaberei und völlig unentgeltlich.
Vor hundert Jahren, im September 1910, weihten die Fans ihre Kampfbahn in Inca ein. Sie hatten Geld zusammengelegt, um den Bau zu finanzieren.
Doch auf der Arena lastet ein Fluch, heißt es: Schon bei den Bauarbeiten kam ein Maurer ums Leben, in den folgenden Jahren starben drei Männer während der Stierkämpfe oder an deren Folgen. Und weitere zwei Matadores, die in Inca herausragende Erfolge feierten, fanden wenig später in anderen Arenen den Tod.
„La Monumental“ – so der Name der Stierkampfarena in Muro. Für 450 000 Euro kaufte die Stadtverwaltung den denkmalgeschützten Bau von 1918 und renovierte ihn aufwendig. Seitdem ist er Zielscheibe von Tierschützer-Attacken. Natürlich hätte man das Geld gerade in Krisenzeiten auch anders verwenden können. Vermutlich zahlt sich die Investition aber aus: Popkonzerte und andere friedfertige Veranstaltungen sollen hier abgehalten werden und Geld in die Gemeindekasse spülen.
In Muro finden nur noch einmal pro Jahr zum Stadtfest im Juni Stierkämpfe statt. Dann allerdings sind die 6000 Plätze alle besetzt.
Konzerte, Jahresfeiern der Polizei, Feste der örtlichen Vereine und Verbände – mit rund dreißig Veranstaltungen pro Jahr trumpft die Plaza de Toros von Alcúdia auf. Es ist mit 3600 Sitzplätzen die kleinste, aber auch die älteste Arena der Insel (von 1892), die wohl wegen ihrer Überschaubarkeit gerne für eher „familiäre“ Veranstaltungen gebucht wird, weshalb dieses Rund fast so gut ausgelastet ist wie das Coliseo Balear in seinen besten Zeiten. In Alcúdia gibt es jährlich zu den lokalen Feiertagen von Sant Jaume (25. Juli) und Mare de Déu d’Agost (15. August) noch regelmäßig zwei Stierkämpfe.
Von den Hoch-Zeiten des Stierkampfs auf Mallorca zeugt der Betrieb Son Rossinyol in Sineu: Hier werden immer noch Stiere gezüchtet, für die Arenen auf dem Festland.
Selbst eine namhafte Stierkämpferfamilie hat Mallorca hervorgebracht: Der Mallorquiner Jaime Pericás war gerade dreizehn Jahre alt, als er 1929 zum ersten Mal im Coliseo Balear auftrat. Er sollte sich zu einem der besten Stierkämpfer Spaniens entwickeln. Sein Bruder war ebenfalls Stierkämpfer und dessen Söhne und Enkel auch. Heute macht der jüngste Spross der Familie, Gabriel Bartolomé Pericás, von sich reden: Er kämpfte 2010 zum ersten Mal gegen einen Stier. Vermutlich wird er schon bald zum letzten Mal kämpfen, zumindest auf Mallorca, wo die Tage der Corrida gezählt sind, wie immer man dazu stehen mag.
Am 9. Februar 2016 stimmte das Balearen-Parlament in Palma für ein Verbot des Stierkampfes und für eine Aufwertung der Rechte der Tiere. Ob damit die lange, blutige Tradition der corrida de toros auf Mallorca und seinen Schwesterinseln tatsächlich beendet ist, bleibt abzuwarten. Tierschützer jedenfalls feiern diesen Parlamentsbeschluss als einen wichtigen Etappensieg.