In Myanmar – mit der südlichsten Breite von etwa 9°45’ Nord und der nördlichsten Breite von 28°20’ Nord – wären demnach zwei Klimazonen der nördlichen Hemisphäre vertreten, die tropische und die subtropische. Da die Tropengrenze, der Wendekreis des Krebses, rund 160 Kilometer nördlich von Mandalay verläuft, müßte diesem Schema gemäß alles, was noch weiter nördlich liegt – fast die Hälfte der Landmassen von Burma –, als subtropisch eingestuft werden.
Immer noch der alten Klassifikation folgend, müßte auch das Klima innerhalb der einzelnen Zonen mehr oder weniger einheitlich sein. Soweit es die tropische Zone Burmas betrifft, ist das jedoch keineswegs der Fall. Wie wir gesehen haben, gibt es Feuchtgebiete im Süden und eine trockene – nahezu aride – Zone im Norden, zwischen Pyay, Mandalay und Bagan. Und wie läßt sich der krasse Unterschied zwischen dem feuchten, fruchtbaren Delta um Yangon und dem öden südlichen Teil der Sahara- Wüste erklären, die doch auf derselben geographischen Breite liegen, definitionsgemäß also beide den Tropen der nördlichen Hemisphäre angehören?
Die moderne Klimaforschung berücksichtigt mehrere Variablen, unter anderem Temperatur- und Niederschlagswerte, Feuchtigkeit, Höhenlage und Bodengestalt. Ihrer Einteilung in Klima- und Landschaftszonen liegen zumeist die Reaktionen von klimaabhängigen Phänomen auf Wetter und Klima zugrunde. Die natürliche Pflanzenwelt etwa ist ein solches Phänomen, das stark vom Klima abhängt, eine Art klimatologisches Meßinstrument. Bei der heute üblichen Gruppierung von Klimaelementen spielt die Vegetation – Regenwald, Savanne, Taiga, Tundra oder Wüste – eine wesentliche Rolle. Die Art der Vegetation wird durch verschiedene Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, Niederschlag, Bodenbeschaffenheit und Höhenlage bestimmt, von denen die drei ersten unmittelbar mit den in einem Klimagebiet vorherrschenden Winden zusammenhängen. Meine Freunde auf Hawaii kennen solche Windsysteme gut – in ihrem Fall pazifische Passatwinde –, die Teil der atmosphärischen Luftströmungen sind. Myanmar indes liegt nicht im Einflußbereich der Passate. Gemeinsam mit Indien und Indochina wird es von einem anderen Windsystem beherrscht, dem Monsun. Oft wird angenommen, Monsun sei gleichbedeutend mit Regen oder Regenzeit, aber tatsächlich ist es eine Luftströmung, die von kälteren in wärmere Regionen drängt und darum mit der Jahreszeit die Richtung wechselt.
Monsun
In Burma weht der Monsun zwischen Mai und Oktober vom Meer zum Land und zwischen November und April vom Land zum Meer. Der sogenannte Sommer-Monsun hat eine südwestliche Richtung, und da in der aufsteigenden Luft Wasserdampf kondensiert, bringt er reichlich Niederschläge, deren Menge und Dauer jedoch von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen. Im Gegensatz dazu hat das, was wir als den Winter-Monsun bezeichnen, eine vorwiegend nordöstliche Richtung und führt kaum Regen mit.
Während es in den gemäßigten Zonen der Welt vier Jahreszeiten gibt, kennt Burma nur drei, in denen sich Temperatur und Vegetation sehr viel weniger verändern als in den gemäßigten Regionen. Der Regenzeit, die von Mai bis Oktober dauert, folgt eine kühle Trockenzeit von November bis Februar, an die sich die heißen und trockenen Monate März und April anschließen.
Windsysteme beeinflussen auch die Zirkulation an der Meeresoberfläche:
In der Monsunzone kommt es halbjährlich zu einem Richtungswechsel, der zwei entgegengesetzte Strömungen hervorbringt. Myanmar empfängt den größten Teil seiner Jahresniederschläge während der Regenzeit, wenn der Südwest-Monsun, vom Golf von Bengalen und der Andamanensee kommend, zuerst auf die Küstengebiete trifft, namentlich auf das Ayeyarwady-Delta um Yangon, den nordwestlichen Rakhine Staat nahe Bangladesch und den Küstenstreifen Tanintharyi entlang der südlichen Grenze zu Thailand. Staus an den hohe Gebirgsketten im Hinterland der beiden letzten sorgen dafür, dass diese von Regenfluten heimgesucht werden, die zu den schwersten der Welt gehören.
In Sittwe (ehemals Akyab), der Hauptstadt des Rakhine Staats, werden jährlich etwa 5.200 Millimeter Niederschlag gemessen, davon über 90 Prozent während der Regenzeit, zwischen Mai und Oktober. Wer nicht in den Tropen lebt, stellt sich unter Regenzeit oft einen Dauerregen vor, der Tage und Wochen anhält. Aber das trifft nicht immer zu. Die Monsunregen fallen zumeist spät nachmittags oder abends, doch wenn der Himmel dann für einige Stunden seine Schleusen öffnet, kommt es zu sintflutartigen Ergüssen.
Obgleich die Monsunregen für die Landwirtschaft unverzichtbar sind, können sie zu dieser Jahreszeit in verschiedenen Teilen des Landes schwere Überschwemmungen und verheerende Schäden verursachen. Bei der Niederschlagsmenge gibt es von Region zu Region drastische Unterschiede, die im Wesentlichen mit der Topographie zusammenhängen. Aber auch wenn Sittwe mit über 5.000 Millimetern pro Jahr den meisten Regen abbekommt, liegen die Durchschnittswerte in anderen Gegenden ziemlich hoch: Im südlichen Mawlamyine (ehemals Moulmein) sind es annähernd 4.400 Millimeter; im Ayeyarwady-Delta und Yangon 2.500 Millimeter; auf dem Shan-Plateau sind es 1.500 Millimeter; aber in der trockenen Ebene um Bagan weniger als 900 Millimeter.
Innerhalb von Myanmar variiert auch die Temperatur beträchtlich. Während der heißen Jahreszeit kann die Hitze im trockenen zentralen Tiefland schwindelerregende 45°C erreichen. Die britischen Kolonialherren pflegten ihre Familien in den heißen Monaten an kühlere Orte in den Shan Hills zu bringen, nach Pyin Oo Lwin (ehemals Maymyo) oder nach Kalaw. Auf dem Shan-Plateau selbst kann die Nachttemperatur bis gegen den Gefrierpunkt sinken. In Yangon liegt die Durchschnittstemperatur im Januar bei 25°C, während in Bhamo im Kachin Staat nur 16°C verzeichnet werden. Das letzte Ziel meiner zweiten Reise war Myikyina in den Kachin-Bergen, wo mir eine warme Jacke, die ich in Yangon gekauft hatte, an den kühlen Abenden wertvolle Dienste tat.
Wirbelstürme
Auf ein Phänomen kann sich aber weder der Einheimische noch der Besucher vorbereiten, und das sind die Zyklone, die das Land zumeist zwischen Mai und November unerwartet und mit großer Wucht treffen können. Ein solcher tropischer Wirbelsturm mit Namen Nargis (Narzisse) traf am 2. Mai 2008 das Ayeyarwady Delta Gebiet und die Stadt Yangon. Die Zyklone entstehen im Indischen Ozean und ziehen von dort zumeist nach Norden, wo sie auf Indien oder Bangladesh stoßen. Nargis entwickelte sich am 27. April im Golf von Bengalen und zog zunächst nach Nordwesten, wo er an Kraft zu verlieren schien. Als er aber nach Osten abdrehte, gewann er an Größe, Kraft und Geschwindigkeit und entwickelte sich zu einem der tödlichsten Zyklone der letzten Jahrzehnte. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 215 Kilometer in der Stunde traf auf die unvorbereiteten Menschen im Delta und in der Millionenstadt Yangon. Die auf der Nordhalbkugel sich gegen den Uhrzeigersinn drehenden Winde trieben das Wasser aus der Andamensee direkt in die Mündungsarme des Ayeyarwady Deltas hinein.
Im Zusammenspiel von Gezeiten, Sturmflut, auflaufendem Wasser und Regenmengen von teilweise weit über 50 l/qm pro Stunde standen niedrig gelegene Gebiete, die oft nur 1-2 Meter über dem Meeresspiegel liegen, stundenlang bis zu 3,5 m unter Wasser. Was die schweren Böen nicht zerstört hatten, wurde von der Überflutung getroffen. Zugunsten des Reisanbaus hatte man in den letzten Jahren einen erheblichen Anteil der Mangroven gerodet. Diese Mangroven hätten der Flutwelle viel Kraft nehmen können. Aber ohne diesen Schutz konnte die Sturmflut ungehindert bis zu 40 km/h ins Landesinnere vordringen.
Mehr als 100.000 Menschen, insbesondere Kinder und alte Menschen, ertranken in den Fluten. Die Zahl der Hilfsbedürftigen wurde auf 2,4 Millionen geschätzt. Von den Haustieren waren schätzungsweise 1,2 Millionen Hühner und 137.000 Wasserbüffel umgekommen. Der junge Reis konnte nicht angebaut werden, womit auch die nächste Ernte ausfiel. Um die Dörfer und Felder wieder herzurichten wären etwa 10 Milliarden US Dollar nötig gewesen.
Der ausländische Besucher wird jedoch kaum auf einen Zyklon treffen, da die Reisesaison etwa dann beginnt, wenn die Zyklonsaison meist schon zu Ende ist, nämlich im November.