Militärputsch in Myanmar – Überblick

Myanmar Min Aung Hlaing ©https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aung_San_Suu_Kyi_%26_Min_Aung_Hlaing_collage.jpg
Min Aung Hlaing war die treibende Kraft hinter der Machtübernahme des Militärs ©Wikimedia commons

Am 1. Februar 2021 übernahm das Militär unter Führung von General Min Aung Hlaing in Myanmar erneut die Macht. An jenem Tag, als die neue Legislaturperiode des Parlaments anfangen sollte, verkündeten die myanmarischen Streitkräfte den Ausnahmezustand – sie lösten das zwei Kammern umfassende Parlament auf und setzten den vormaligen Vizepräsidenten Myint Swe als kommissarisches Staatsoberhaupt ein. Staatsrätin Aung San Suu Kyi wurde abgesetzt.

Was genau passierte am Montag, 1. Februar 2021 in Myanmar?

Frühmorgens ergriff das Militär wieder die Macht und ließ einen einjährigen Ausnahmezustand ausrufen. Man setzte die Führung der demokratisch gewählten Regierungspartei NLD (National League of Democracy) der De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi fest. Zudem wurden einige Abgeordnete in einem Hotel in Naypyidaw, der Hauptstadt Myanmars, in Gewahrsam genommen. Überdies nahm man eine große Anzahl an Aktivisten der „1988-Generation“ fest – damals kam es im Land zu einem großen Aufstand, in Zuge dessen sich die junge Suu Kyi als demokratisch Ikone profilieren konnte.

Zeitgleich wurden Internet- und Telefonverbindungen teilweise blockiert, das Militär zeigte auf den Straßen von Naypyidaw und Rangun verstärkt Präsenz. Die Banken schlossen bis zum darauffolgenden Tag.

Einige, die den Militärputsch befürworteten, zogen am 1. Februar 2021 fahnenschwenkend durch Rangun. Währenddessen postete die NLD auf ihrer Facebookseite ein Schriftstück, in dem Suu Kyi zum Widerstand ermunterte: „Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren.“

Warum kam es am 1. Februar 2021 zu diesem militärischen Putsch?

Laut dem Militär sei der Wahlbetrug bei der Parlamentswahl im November 2020 der Grund dafür. So wäre am 1. Februar 2021 das neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Bereits in den Tagen zuvor gab es Gerüchte über einen drohenden Militärputsch.

Fakt ist, dass schon vor den Wahlen auch internationale Beobachter bemängelten, dass man viele Bürger nicht zur Wahl zulassen würde – insbesondere in jenen Regionen mit vorwiegend ethnischen Minderheiten wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken die Parlamentswahlen abgesagt. Dies ist allerdings nicht das, was das Militär kritisiert.

Worauf beziehen sich die Vorwürfe von militärischer Seite? Das Militär ist der Meinung, dass man Wählerlisten in großem Stil gefälscht hat – Beweise dafür wurden jedoch nicht vorgelegt. Der Hintergrund: Bei den November-Wahlen musste die vom Militär unterstützte Partei USDP eine bittere Niederlage hinnehmen. Dabei handelte es sich schon um die zweite seit der demokratischen Öffnung Myanmars.

Um welchen Wahlbetrug handelt es sich?

Bei der Parlamentswahl am 8. November 2020 gelang Suu Kyis NLD ein Erdrutschsieg: Sie erreichten 83 Prozent der Parlamentssitze. Die Militärjunta spricht jedoch von Wahlbetrug und akzeptiert das Wahlergebnis nicht. Den Putsch argumentiert es damit, dass man dem Wahlbetrug nicht nachgegangen sei.

Laut Verfassung hält das Militär allerdings automatisch 25 Prozent der Parlamentssitze – da die USDP aber derart schlecht abgeschnitten hat, ist das Militär bei Weitem nicht in der Lage, eine Regierung zu bilden. Doch dank der von den Generälen 2008 maßgeschneiderten Verfassung agiert das Militär ohnehin als ein Staat im Staate.

Viele Länder weltweit verurteilten den Militärputsch vom 1. Februar 2021 scharf, neben den USA und der EU auch Großbritannien. Die Reaktionen aus dem Nachbarland China erwiesen sich als etwas zurückhaltender, man rief dazu auf, die Stabilität aufrechtzuerhalten.

Beobachter vermuten einen Grund, warum das Militär putschte, in der Rivalität zwischen Suu Kyi und Armeechef Min Aung Hlaing. Letzterer wolle sich und der Armee über seine Pensionierung im Juni hinaus langfristig die Macht im Land sichern, während Suu Kyi Staatsrätin und somit Regierungschefin bleiben wolle.

Myanmar Aung San Suu Kyi ©https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aung_San_Suu_Kyi_%26_Min_Aung_Hlaing_collage.jpg
Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi befand sich nach dem Militärputsch einen Monat lang im Hausarrest. ©commons.wikimedia.org

Klarer Wahlsieg für Suu Kyi

Die Wahlergebnisse zeigen, dass die Bevölkerung der Bamar mehrheitlich hinter Suu Kyi steht. Jedoch wurde in den letzten Jahren verstärkt kritisiert, dass sie zunehmend einen autoritären militärischen Stil übernehmen. Beispielsweise nahm man unter ihrer Führung Aktivisten fest, während sich ethnische Minderheiten oftmals ausgegrenzt fühlten. Insbesondere die Situation der Rohingya sorgt international wiederholt für Aufschreie: Suu Kyi setzte sich nämlich nicht für die Interessen der verfolgten muslimischen Minderheit ein, stattdessen verteidigte sie deren grausame Unterdrückung und Verfolgung.

Hingegen betrachten die meisten Bamars genau die Kritik vonseiten den USA und Europas an Suu Kyi als Verrat gegenüber dem Land: Sie erachten Suu Kyi weiterhin als Verfechterin der Demokratie gegenüber den myanmarischen Streitkräften.

Myanmars Armee möchte nach Putsch wählen lassen

Bereits am 1. Februar 2021 versprach das Militär, im Laufe des kommenden Jahres „freie und faire Wahlen“ abzuhalten. Doch erst am 16. Februar 2021 äußerte sich das Militär – erstmals seit seiner Machtübernahme – öffentlich über ihre Motive. Das geschah übrigens per Facebook, das seit dem Putsch vonseiten der Armee eigentlich mit einem Verbot belegt wurde.

So erklärte Brigadegeneral Zaw Min Tun, der Militärsprecher, auf Facebook, die Armee habe nicht geputscht, sondern nur die Ordnung nach den seiner Meinung nach gefälschten Parlamentswahlen im November wiederhergestellt. Aung San Suu Kyi solle es gutgehen, die abgesetzte De-facto-Regierungschefin würde sich „zu ihrer eigenen Sicherheit“ in Hausarrest befinden.

Weiter meinte der Armeesprecher: „Unser Ziel ist es, eine Wahl abzuhalten und die Macht an die siegreiche Partei übergeben“. Ein konkreter Wahltermin wurde jedoch nicht genannt. Allerdings werde man an der Verfassung von 2008 und somit an dem garantierten Viertel der Mandate, einem Vizepräsidenten und mehreren zentralen Ministerposten (in den Ministerien für Inneres, Verteidigung und Grenzschutz) festhalten.

Was passierte nach dem Putsch am 1. Februar 2021?

In den Tagen darauf begannen Massenproteste, die bisher anhalten (Stand: 17. Februar 2021). Die Demonstranten fordern, Suu Kyi freizulassen. Laut Beobachtern nahm man insgesamt jedoch mindestens 350 Menschen fest, darunter Demonstranten, Politiker, Mitarbeiter der Wahlkommission, politische Aktivisten und Mönche. Videoaufnahmen aus der Stadt Mawlamyine vom 12. Februar 2021 zeigen außerdem, dass bei dem Versuch der Polizei, die Proteste aufzulösen, erstmals Schüsse abgefeuert wurden.

Zuvor hatte die Militärjunta 23.000 Häftlinge freigelassen oder deren Strafen verkürzt – die entsprechende Anordnung hatte General Min Aung Hlaing unterfertigt. Zudem sollten 55 inhaftierte Ausländer freigelassen werden, laut Berichten soll sich vermutlich der populäre buddhistische Hassprediger Wirathu darunter befinden. Beobachter sind der Ansicht, dass sich das Militär mit den Begnadigungen Platz schaffen möchte, um mehr politische Gegner und Demonstranten festnehmen zu können.

Nach dem Putsch hatte die Militärjunta Facebook blockiert und damit der Opposition ein wesentliches Kommunikationsmittel genommen. Demonstranten gelang es jedoch, Bilder der Massenproteste per Facebook-Livestream zu senden. Hingegen möchte Facebook die Verbreitung von Profilen und Inhalten des myanmarischen Militärs reduzieren – als Grund wurde angeführt, dass es weiterhin Falschinformationen veröffentliche. So können Regierungsbehörden nun keine Entfernung von Inhalten mehr beantragen.

Unterdessen verschärfte die Junta die Sicherheitsgesetze des Landes. So müssen Einwohner in Zukunft nächtliche Besucher bei Behörden melden – ansonsten drohen Geld- oder Gefängnisstrafen. Zudem ist es künftig erlaubt, verdächtige Personen und privates Eigentum ohne eine vorherige Genehmigung vonseiten des Gerichts zu durchsuchen.

Mittlerweile richten sich die Proteste auch gegen die Verhaftungen. Die stellvertretende UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Nada al-Nashif, sprach sich lobend für den Mut der Demonstranten aus. Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechter in Myanmar, Tom Andrews, forderte Sanktionen gegen die Militärjunta. Auch das EU-Parlament verlangte mehr Druck auf das Militär und Sanktionen.

Überblick über die Geschehnisse in Myanmar ab dem 16. Februar 2021

In der Nacht auf den 16. Februar schalteten die Junta erneut landesweit das Internet ab. Daher waren aktuelle Berichte über die Situation in Myanmar zunächst nicht erhältlich. Währenddessen drohte die UN den Militärs mit „ernsten Konsequenzen“, sollten diese härter gegen Demonstranten vorgehen: „Jede Form von grober Reaktion wird wahrscheinlich schwerwiegende Folgen haben“, wie ein Sprecher der Vereinten Nationen über den Inhalt eines Gesprächs zwischen der UN und der Junta mitteilte. Die Uno insistiere, das Recht friedlicher Versammlungen vollumfänglich zu respektieren und dass man auf Demonstrationen nicht mit Strafmaßnahmen reagieren. Die Armee in Myanmar berichtete daraufhin, dass die Nummer zwei der Militärjunta, Soe Win, die UN über die Regierungspläne sowie die „wirkliche Situation, was in Myanmar vor sich geht“, aufgeklärt habe – die Proteste würden der Stabilität entgegenwirken und die Bevölkerung in Angst versetzen.

In den folgenden Tagen gingen die Massenproteste weiter: So versammelten sich am 17. Februar erneut Zehntausende in Rangun, um gegen die Junta zu demonstrieren. Auch in der Nähe von Shwebo im Nordwesten von Mandalay gingen Tausende Menschen auf die Straße, dasselbe gilt für Mandalay, wo bereits nachts zahlreiche Militärfahrzeuge auffuhren.

Erstes Todesopfer aufseiten der Demonstranten

Am 19. Februar wurde bekannt, dass eine 20-jährige Demonstration, die man am 9. Februar aufgrund einer Schusswunde am Kopf ins Krankenhaus in Naypyitaw gebracht hatte, verstorben ist. Laut Ärzten wurde die Frau von scharfer Munition der Polizei getroffen. Am selben Tag protestierten wiederholt Tausende in mehreren Städten Myanmars gegen den Militärputsch. Sie unterstützten die von Kanada und Großbritannien verhängten Sanktionen gegen Mitglieder der Junta – per Twitter forderte die Jugendaktivistin Thinzar Shunlei Yi auch andere Länder auf, in einer gemeinsamen Aktion den Druck zu verstärken.

Am 20. Februar wurden bei einer Kundgebung von streikenden Werftarbeitern und anderen Demonstranten 30 weitere Personen durch Schüsse der Polizei verletzt, zwei Menschen wurden getötet. Daraufhin rief UN-Generalsekretär António Guterres dazu auf, zur zivilen Rückkehr zurückzukehren und forderte alle Seiten auf, die letzten Wahlergebnisse zu respektieren. Erneut wurde das Recht, sich friedlich zu versammeln, betont. Facebook löschte die Hauptseite der Junta „Tatmadaw True News“ und verwies auf seine Richtlinien, laut denen es verboten ist, zu Gewalt anzustiften. Facebook hatte übrigens bereits vor den Wahlen im November 2020 70 Fakeseiten und -konten deaktiviert, auf denen man Pro-Militär-Propaganda verbreitet hatte.

Laut Reuters wurde am 20. Februar außerdem der berühmte Schauspieler Lu Min festgenommen, der sich auf der Fahndungsliste der Junta befunden hatte. Gemäß der Aktivistengruppe Assistance for Political Prisoners (AAPP) wurden an diesem Tag insgesamt 569 Personen im Zusammenhang mit dem Putsch, verhaftet, angeklagt oder verurteilt.

Größte Kundgebungen seit Anfang Februar

Am 22. Februar kam es zu den bislang größten Protesten seit dem Militärputsch: Im Rahmen eines Generalstreiks demonstrierten in allen Teilen des Landes Zehntausende Menschen, vor allem in Rangun im Süden, in Mandalay im Norden und in der Hauptstadt Napyidaw versammelten sich riesige Menschenmassen. Die meisten Geschäfte blieben geschlossen. Das Datum ist symbolträchtig: Den 22.02.2021 kündigte man in den sozialen Medien zuvor als „Fünf-Zweier-Revolution“ an – das erinnerte an die historischen Kundgebungen vom 8.8.1988, die die Militärs brutal niedergeschlagen hatten. Schon am Abend zuvor warnte die Junta das Volk über das Staatsfernsehen MRTV: „Die Demonstranten stacheln jetzt die Menschen – besonders die emotionalen Teenager und Jugendlichen – zu einem Konfrontationskurs an, bei dem sie ihr Leben lassen werden.“ Daraufhin sperrte Facebook, die Seite des TV-Senders – mit der Begründung, die Richtlinien hinsichtlich „Gewalt und Aufwiegelung“ verletzt zu haben. Bei den Protesten am 22. Februar wurden gemäß Angaben verschiedener Medienvertreter auf Twitter mindesten 159 Aktivisten festgenommen, vor allem Schüler und Studenten.

Unterdessen forderte UN-Generalsekretär Guterres wiederholt, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten zu beenden, während die US-Regierung zwei weitere führende Armeeangehörige – Generalleutnant Moe Myint Tun sowie General Maung Maung Kyaw – mit Sanktionen belegte, das hatte sie bereits Anfang Februar in Bezug auf zehn Anführer der Putschisten getan. Infolge dieser Sanktionen wird sämtlicher Besitz der betroffenen Einzelpersonen und Firmen in den USA eingefroren, außerdem dürfen US-Unternehmen und Einzelpersonen keine Geschäfte mit ihnen tätigen. Scharfe Kritik am Vorgehen der Militär folgte indes auch von den G7.

Forderung eines Waffenembargos

Am 24. Februar forderten knapp 140 NGOs aus 31 Ländern den UN-Sicherheitsrat auf, ein Waffenembargo gegen Myanmar zu verhängen. Am 25. Februar sperrte Facebook alle Konten der Junta in Myanmar. Am selben Tag griffen im Zentrum von Rangun unzählige mit Messern und Knüppeln bewaffnete Befürworter der Junta Gegendemonstranten an, auch Steingeschoße und Zwillen kamen zum Einsatz, vielerorts in der Metropole eskalierten die Schlägereien. Sicherheitskräfte verhinderten es, dass Hunderte Studenten ihren Campus verließen, um sich den Kundgebungen anzuschließen. Am selben Tag kündigte auch Großbritannien Sanktionen gegen sechs weitere Militärangehörige an.

Am 25. Februar ging die Polizei erneut gegen die Demonstrationen vor, zum Einsatz kamen Blendgranaten und Gummigeschoße – dabei wurde mindestens eine Person verletzt. Dieses Mal konzentrierten sich die Demonstration auf Rangun und Mandaly, wiederholt gab es Festnahmen. Unterdessen wurde bekannt, dass die Weltbank gemäß einem Papier, das Reuters einsehen durfte, Gelder für Projekte in Myanmar, die man nach dem 1. Februar anfragte, zurückhält.

Nachdem Myanmars UN-Botschafter, Kyaw Moe Tun, am 26. Februar die internationale Gemeinschaft aufgerufen hatte, sich den Militärs in seinem Land entgegenzustellen, wurde dieser von ihnen am 27. Februar abgesetzt: Er sei „nicht dem Befehl und der Richtung des Staates gefolgt“ und „habe das Land betrogen“.

18 Tote bei Demonstrationen

Am Sonntag, dem 28. Februar kam es zum bisher blutigsten Tag seit dem Militärputsch: Bei landesweiten Demonstrationen wurden insgesamt mindestens 18 Personen getötet, zudem gab es mehr als 30 Verletzte. Laut Berichten der UN schossen Sicherheitskräfte in Rangun, Mandalay und auch in Bago, Dawei, Myeik und Pokokkuo mit scharfer Munition in die Menge.

Unterdessen meldete die Hilfsvereinigung für politische Gefangene, dass bis zu diesem Wochenende mehr als 850 Festnahmen oder Verurteilungen registriert wurden. Staatliche Zeitung berichteten von alleine 479 Festnahmen am Samstag.

Am 28. Februar verlautbarte der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan: „Wir bereiten zusätzliche Aktionen vor, um denjenigen, die für diesen jüngsten Ausbruch von Gewalt und den jüngsten Putsch verantwortlich sind, weitere Strafen aufzuerlegen“. Auch vonseiten der UN und der EU folgte heftige Kritik.

1. März: Aung San Suu Kyi erstmals in der Öffentlichkeit erschienen

Am 1. März startete Suu Kyis Prozess, im Rahmen dessen die 75-Jährige zum ersten Mal seit dem Militärputsch der Öffentlichkeit gegenübertrat. Sie wurde per Video ihrer ersten Gerichtsanhörung zugeschaltet – im Rahmen dessen wurde Anklage gegen die Friedensnobelpreisträger erweitert. Bislang hatte man ihr nämlich die nicht erlaubte Einfuhr sowie Verwendung von Funkgeräten und Verstöße gegen Corona-Auflagen vorgeworfen. Nun werde sie laut ihrem Anwalt beschuldigt, Informationen verbreitet zu haben, die „Angst oder Panik“ auslösen könnten. Die nächste Anhörung hätte man laut Anwalt für den 15. März festgelegt. Das Gerichtsverfahren erfolgt unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

38 Tote bei Demonstrationen

Am 3. März, am 30. Tag des Widerstands, verwendete die Polizei bei landesweiten Protesten erneut scharfe Munition, dabei kamen gemäß Angaben der UN an einem Tag 38 Menschen ums Leben – drei davon starben in Rangun, als Sicherheitskräfte in die Menge schossen, Berichte über Tote kamen außerdem aus Mandalay, dem Bergarbeiterdorf Hpakant im Norden und aus Myingyan. Zudem meldete eine Hilfsorganisation, dass sich vier Kinder unter den Todesopfern befanden. Somit wurden seit Beginn der Demonstrationen insgesamt über 50 Menschen getötet. Laut Schätzungen von Aktivisten nahm man seit Anfang Februar insgesamt mehr als 1.300 Menschen zumindest vorübergehend in Gewahrsam.

Auf die Geschehnisse am 3. März reagierte die EU mit der Meldung, die Entwicklungshilfe für Myanmar auf Eis zu legen. Die Sonderbeauftrage der UN für Myanmar, Christine Schraner, meinte, dass sie den stellvertretenden Chef der Junta, Soe Win, mitgeteilt habe, dass auf die Militärjunta nun wahrscheinlich harte Maßnahmen einiger Länder und Isolation zukommen würde, worauf dieser antwortete: „Wir sind an Sanktionen gewöhnt, und wir haben überlebt. Wir müssen lernen, nur wenige Freunde an unserer Seite zu haben.“

Am Freitag, dem 5. März, schlug die Polizei in Myanmar erneut zahlreiche Demonstrationen landesweit mit Gewalt nieder. In Mandalay wurde dabei ein Mann durch ein Geschoß in den Nacken getötet. Unterdessen setzten die USA zwei Ministerien Myanmars sowie die wichtigsten Militärkonglomerate – die Unternehmen Myanmar Economic Holdings Limited und Myanmar Economic Corporation – auf eine schwarze Liste für den Handel. YouTube entschied, fünf TV-Sender des militärisch geführten Rundfunks von seiner Plattform zu nehmen.

Während eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates zur Situation in Myanmar endete, ohne sich auf eine gemeinsame Erklärung zu einigen, ging die Junta am Samstag, dem 6. März wiederholt hart gegen Aktivisten vor: In Rangun setzten Sicherheitskräfte Blendgranaten und Tränengas ein, in der Nacht auf Sonntag fanden Razzien der Sicherheitskräfte bei Gegnern der Regierung in Rangun statt – dabei kam es auch zu Schüssen. Ein NLD-Vertreter, der 58-jährige Khin Maung Latt, wurde dabei getötet. Außerdem forderte Myanmar Indien auf, acht Polizisten auszuliefern, die in den Nachbarstaat geflüchtet seien – laut indischen Angaben hätten sie sich abgesetzt, weil sie Anweisungen der Junta nicht ausführen wollten.

Bei weiteren Protesten gegen die Militärinhaber am Sonntag wurden zwei Menschen in Myitkyina im Norden Myanmars durch Schüsse getötet. Für Montag, den 9. März, riefen mehreren Gewerkschaften zu einem landesweiten Streik aus. In Yangon schloss man etliche Geschäfte, Banken und Fabriken.