Pflanzwirtschaft und -ästhetik in Myanmar, Seite 2

<<< Vorherige Seite

Außerdem gibt es noch die vielen, dickichtartigen Bambuswälder, die assoziativ eng mit Burma in Verbindung gebracht werden, das über siebzig verschiedene Arten dieser Pflanzenfamilie verfügt.

Eine zweite Pflanze, die sich untrennbar mit Burma und den Tropen überhaupt verbindet, ist natürlich die Palme, welche die westlichen Besucher so dekorativ und die Einheimischen so nützlich finden. Einer indischen Legende zufolge gibt es 801 Wege, um von der Palmyrapalme Gebrauch zu machen, und der „beste” Weg ist, ihren Saft in Palmwein zu verwandeln.
Aber der Baum wird auch benutzt, um Matten, Bürsten, Besen und viele andere Dinge herzustellen. Aus seinen Früchten wird Marmelade gemacht, und sein gegen Salzwasser resistentes Holz ist für den Floßbau gut geeignet.
Die Zucker- oder Toddypalme ist für ihr Endprodukt, den Palmenwein, berühmt. Der orangefarbene Samen der Arekapalme, auch als Betelnuß bekannt, wird mit einem Gemisch aus gelöschtem Kalk, Zimt und anderen Gewürzen in Blätter des Betelpfeffers eingewickelt und gekaut, vor allem von der älteren Generation. Betelnuß ist eine milde, die Speichelproduktion anregende Droge, die den Speichel tiefrot und die Zähne bräunlich färbt. In Burma hinterlassen die regelmäßig ausspuckenden Liebhaber des Betelpriems große dunkelrote Flecken auf Fußböden und Gehsteigen.

Die Fruchtstände der Ölpalme liefern ein Palmfett, das für Margarine und Kerzen benutzt wird, während das aus den Samen gewonnene Öl der Seifenherstellung dient. Und schließlich gibt es da noch die wohl bekannteste Art, die Kokospalme, deren Nüsse manchmal Tausende von Meilen über den Ozean treiben. Ihr Fruchtfleisch, die Kopra, besteht zu 65 bis 70 Prozent aus Öl. Der Saft wird – man ahnt es schon – zu Palmwein vergoren. Da im Buddhismus alkoholische Getränke verboten sind, wollen wir annehmen, daß der Palmwein ausschließlich für den Export bestimmt ist.

Dank der verschwenderischen Vielfalt blühender Bäume, Sträucher und Kletterpflanzen wirken Täler und Berghänge wie leuchtende Pinselstriche in der Landschaft. Aus der Abgeschiedenheit meines Eisenbahnwagens bot sich mir eine Augenweide dar. Eine ganze Palette aus Rottönen, Scharlach, Purpur und Goldgelb: Flammenbäume, Flamboyants, afrikanische Tulpenbäume, Jacaranda, Frangipani, Röhrenkassien und Korallenbäume flogen im Sonnenlicht vorbei. Und dazwischen, wie eingestreute Farbtupfer, eine Fülle von Strauch- und Klettergewächsen, die das betörende Bild dieser Farbsymphonie vollendeten: Goldene Akazien, hellrosa Oleander, dunkelrote Weihnachtssterne, korallenroter Hibiskus, wilde Pflaumen in knalligem Pink, orangenes Geißblatt, gelbe Tagetes, mehrfarbige Bougainvilleen, eine fliederblaue Kletterpflanze sowie Kakteen und Farne aller Art.

Auf den Märkten, an Eisenbahnstationen und besonders vor Pagoden bieten Frauen Blumen zum Verkauf, einzeln oder in Sträußen: Schlanke Lilien, goldene Sonnenblumen, duftende Rosen, wohlriechenden Jasmin, zarte Nelken, ganze Strünke von Astern (mit Wurzeln), Samtblumen und natürlich farbenprächtige Orchideen jeder Größe und Gestalt. In Burma sind über 850 Arten der Orchideenfamilie bekannt.

Einen reizvollen Anblick bieten dem Besucher auch die wunderschönen Blumen auf Seen oder Teichen. Am Inle See (siehe Bild oben) werden zierliche indische Lotusblumen kultiviert, rote Wasserlilien schwimmen an der Oberfläche und im Uferbereich oder auf treibenden Pflanzeninseln wachsen hellblaue Wasserhyazinthen. Insgesamt kommt Myanmar, wenn man alles zusammenzählt, was an blühenden Gewächsen erfaßt ist, auf erstaunliche zweiundzwanzigtausend Arten.

<<< Zum Anfang des Artikels