"Das Ich-Versteh-Nicht Hemd" von Thitsar Ni
Mein Hemd heißt „Ich-Versteh-Nicht-Hemd“. Das Muster dieses Hemdes ist von leicht bitterem Geschmack.
Die blöden Schafe haben keine Hemden.
Die neugierigen Affen haben keine Hemden.
Auch die streitlustigen Füchse haben keine Hemden.
Und die…
Und die… haben auch keine Hemden.
Ich habe ein Hemd.
Das Hemd, das ein Hemd trägt, heißt „Ich-Versteh-Nicht-Hemd“.
Das Muster dieses Hemdes ist von leicht bitterem Geschmack.
„Ich versteh dich nicht.“ (Hatte mein Schatz gesagt.) „Wir verstehen dich nicht.“ (Hatten meine Eltern gesagt.) „Wir verstehen Sie nicht.“ (Hatten meine Freunde und Feinde gesagt.)
„Ich bin doch kein Buch!“ (Hatte ich gesagt. Es war in den Zeiten, als ich nicht wusste, dass man sich für’s Widersprechen schämen muss.) Mag es auch niemand verstehen, ich kann dieses Hemd nicht ausziehen, weil es mir zur Gewohnheit geworden ist, als ob es maßgeschneidert wäre. Jener sucht in den am Straßenrand aufgehäuften Bündeln alter Kleidung. Der, der dieses zerschlissene, muffige, stinkende Hemd billig erworben hat und trägt, hat ein nicht mehr aktuelles Politik-Buch unter den Arm geklemmt, sehe ich. Jener hält ein Stück Stoff mit albern grinsendem Muster und unbeständiger Farbe in der Hand, während er in einer Schneiderei steht und („Etwas weit geschnitten nähen bitte!“) ruft. Ob diese Schneiderei wohl „Zeitgeschmack“ heißt?
Jener hingegen ist dabei, in einem Minimarkt ein Hemd von der Stange zu kaufen, nachdem er sich das Etikett angesehen hat. Wenn man wie jetzt fertig genähte Hemden kaufen und tragen kann, hat man keine Last damit, sagte er noch, denke ich.
Menschen tragen unterschiedliche Hemden mit verschiedenen Designs. Enge Knopflöcher, die Platons Augen ähneln. Große Taschen wie maßlose Gier. (Bei manchen Hemden sind Diebestaschen so angebracht, dass man sie nicht sehen kann.) Scharfe Kragen, wie Julius Cäsars Dolch. Aber diese Hemden sind alle gleich in der Art, wie sie mit Bedacht gemacht sind. (Zum Beispiel mit gleichmäßig ordentlichen Nähten). Die Hemden haben, so wie meins („Ich-Versteh-Nicht“), jedes mindestens einen Namen. Zum Beispiel „Engstirnigkeit“, „Bigotterie“, „Neid“, „Meine Wahrheit“ und so weiter. Der Name meines Hemdes aber ist „Ich-Versteh-Nicht“.
Ich bin keine Rechenaufgabe, bei der ein Ergebnis herauskommen muss. Ich bin ein Mensch. Ich bin kein Ding, das nach Weisungen funktioniert. Ich bin ein Mensch. Ich bin keine Jasminblüte, die sich öffnen muss, wenn es regnet. Ich bin ein Mensch. Ich bin nicht Einsteins Relativitätstheorie. Ich bin ein Mensch. Ich bin nicht die Nahrung, die gesetzte Logikergehirne zum Frühstück zu sich nehmen können. Ich bin ein Mensch. Ich bin keine Flasche eisgekühlten Bieres, deren Deckel jeder öffnen darf, der hundert Kyat bezahlt. Ich bin ein Mensch. Das, was ich mir auf dieser Welt am wenigsten erhoffe, ist das Verstehen der Menschen.
Das Hemd, das ich trage, heißt „Ich-Versteh-Nicht-Hemd“. Dieses Hemd ist genäht mit Nichtverstehen – einem für Menschen unverständlichen Himmel, einem für Menschen nicht verständlichen Paar Flügel, einem für Menschen nicht verstehbaren Licht, einem für die Menschen nicht fassbaren Garten, einem für die Menschen unverständlichen Musikinstrument, einem für Menschen unverständlichen.
Um dieses Hemd tragen zu können, habe ich nur einen kleinen Preis bezahlt. Dieser Preis war der Hass der Menschen. (Der Hass der Menschen ist für mich etwas, das nicht mal eine halbe Erbse wert ist.) Wer dieses Hemd trägt, muss drei Voraussetzungen vollständig erfüllen.
Dies sind:
die Gewohnheit, frei zu denken,
die Gewohnheit, frei zu denken und
die Gewohnheit, frei zu denken.
Wenn du, wie ich, diese Voraussetzungen vollständig erfüllst, kannst du jetzt so ein Hemd wie ich bekommen. Du kannst es unter der unten stehenden Adresse anfordern. Die Adresse ist in dem, was man das von dir am weitesten Entfernte nennen kann – in deinem eigenen Herzen.
Weitere Myanmar Kurzgeschichten:
"Moskitos" von Aung Nay Thway
"Der Notfall" von Gyo Zaw
"Der zu viel wollte" von Hpe Myint
"Traum auf einer Hängebrücke" von Ju
"Hässliche" von Khin Khin Htoo
"Ein Sitzplatz" von Lai Twin Thar Saw Chit
"Maung Maung Thans Geschäftsidee" von Ma Sandar
"Sein Horoskop" von Ma Wint (Myit Nge)
"Mein Vater und ich" von Maung Aye Mya
"Sehnsucht nach Meru" von Maung San Win (Bhamo)
"Die nutzlose Frau" von Min Lu
"Yurou tu thaun-sin" von Min Lu
"Hoffnungswolken" von Myu Myu
"Der Fluch" von Nay Win Myint
"Das ist doch nicht Vater" von Nu Nu Yi (Innwa)
"Kohle ist eben schwarz!" von Nyi Pu Lay
"Zu welcher Zeit auch immer" von Nyo Thi San
"Der Ruf des Tokkeh" von Pain Soe Way
"Die Zeitmaschine" von Thet Htun (Hsay Theippan)
"Das Ich-Versteh-Nicht Hemd" von Thitsar Ni
"Die Früchte der Bosheit" von Thu Maung
"Ein lebender Leuchtturm" von Thwin Hsan Maung
"Mitgefühl von 59 nach 13" von U Tin Oo (Tuition)
"Die Nacht aus dem Meer ist eine Padaukblüte" von Zaw Zaw Aung
"Die Nacht im Kanal" von Zeyya Linn