"Das ist doch nicht Vater" von Nu Nu Yi (Innwa)
„Und wo schläfst du nachts?“
„Manchmal schlaf ich zwischen den Läden. Manchmal auch auf der Fähre.“
„Bist du zur Schule gegangen?“
„Nein, aber ich kann meinen Namen schreiben. Ich kann das Alphabet, A-B-C und Ka-Kyi, Kha-Khwei. Hat mir der Mann, der die Fähre bewacht, nachts beigebracht.“
„Na, immerhin was. Hier, nimm, etwas Trinkgeld für dich. Na, nimm’s schon.“
Super. Klappt doch. Sie gibt mir gleich mehrere Zehner. Ich werd sofort zum Essen laufen. Ich hab schon ganz schönen Hunger. Nach dem Essen laufe ich zum Personenbootanleger hinüber. Die Fähre ist immer noch nicht da.
„Tante, geben Sie das mir. Ich trag’s ihnen, Tantchen“
„Bootsmann! Hier, die wollen zur anderen Seite übersetzen.“
Am Bootsanleger tönen die Stimmen von Jungs wie mir durcheinander. Verdammt, diese Kerle, Saw San Htu und seine Truppe, sind auch schon wieder da. Jeder versucht, als erster an den Booten zu sein. Oh, und da drüben ist das Mädchen mit der Brille und ihre Familie, die gerade ein Boot besteigen. Wollten wohl doch nicht länger auf die Fähre warten.
„Sie, Sie, geben Sie her, geben Sie mir die Tasche. Ich trag sie Ihnen.“
„Okay. Danke, Pazun.“
Ich halte den Bug des Bootes fest, bis alle aufgestiegen sind. Als das Boot voll ist und der Motor angelassen wird, springe ich vorne auf den Bug. „Pazun, fährst du bis zur anderen Seite mit?“, fragt das Mädchen. Ich schüttle den Kopf, während ich die Hand zum Bootsbesitzer ausstrecke und ein Ein-Kyat-Schein darin landet. Ich halte den Schein fest mit der Hand umschlossen und springe ins Wasser. Die Leute auf dem Boot bekommen eine Dusche, und es gibt ein lautes Gezeter.
Das ist nichts Neues für mich. Ich schwimme zum Ufer zurück. Das Ufer ist voll von Menschen, die sich waschen oder im Wasser spielen.
Am lehmigen Steilufer gibt es eine Schanze, von der man, wenn man sie mit Wasser bespritzt hat, ins Wasser rutschen kann. Da klettere ich hoch. Auf dem Schlamm ins Wasser zu rutschen, macht einen Heidenspaß. Wenn ich da einmal gerutscht bin, will ich nicht wieder aus dem Wasser kommen. Einmal hat es mir solchen Spaß gemacht, dass mir nachher der Hintern gebrannt hat.
„Pazun, Pazun!“
Die schon wieder! Meine Schwester. Wo das Rutschen gerade so einen Spaß macht.
„Schnell, schnell, komm her!“
Keine Ahnung, was los ist. Sie sieht erschrocken aus. Benimmt sich ganz seltsam. Da werde ich wohl gehen müssen, jetzt wo es gerade so einen Spaß macht.
„Was ist denn? Sag schon!“
„Pazun, da bei den Restaurants, weil da so eine Menschenmenge stand, bin ich auch gucken gegangen. Da liegt ein älterer Mann, weißt du.
„Ach so… ich weiß. Der ist da seit gestern Abend. Ich hab ihn gesehen. Was ist denn mit dem?“
„Was, du hast ihn gesehen?“
Meine Schwester verzieht das Gesicht, und ihr kommen die Tränen.
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