"Der zu viel wollte" von Hpe Myint

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Danach bin ich nur noch gelegentlich nach Hause gekommen und kaum mehr in die Stadt. Und wenn doch, traf ich Hla Htun nicht ein einziges Mal. Aber ich erkundigte ich mich bei seinen Verwandten nach ihm. Ich erfuhr, dass er nicht nur im Dorf Hngettaw, sondern in der ganzen Gegend um den Oberlauf des Hsatthay zu einer respektierten, einflussreichen Persönlichkeit geworden war. Er habe im Dorf geheiratet und sei zu einigem Landbesitz gekommen, hieß es. An der Handelskooperative einer ganzen Gruppe von Dörfern sei er auch beteiligt. Und im Dorfrat sei er auch, sagte man mir. Einer meiner Freunde erzählte: „Dein Bekannter Hla Htun ist nicht mehr derselbe wie früher. Er ist immer fein angezogen, mit Aktentasche und Zigarette und sieht gar nicht mehr so blass, bescheiden und schlicht aus wie damals als Klosterschüler. Angefangen von der Art zu reden, alles hat sich verändert an ihm. Als ich ihn einmal getroffen habe, habe ich ihn gefragt, ob er denn das Kloster vergessen habe. Nein, vergessen habe er das nicht. Aber er würde jetzt das machen, sagte er, und deutete mit einer Geste seiner Hand das Herunterkippen eines Schnapses an. Und weil der Abt das erfahren habe, hätte er furchtbar mit ihm geschimpft. Deshalb gehe er dem Abt jetzt aus dem Weg, sagte er. Wie er das im Dorf handhabt, weiß ich nicht. Aber wenn er in die Stadt kommt, hat er schon morgens eine Schnapsfahne.“
„Ja, nachdem er jetzt eine wichtige Persönlichkeit ist, wird er wohl auch imitieren, was wichtige Leute so machen. Ich sehe ihn aber immer noch als den Klosterschüler. Und er ist nicht zu unterschätzen. Schließlich hat er damals darum gebetet, einmal wie Prinz Siddharta zu werden.“
Erst nachdem ich Hla Htun fünfzehn Jahre nicht mehr gesehen hatte, begegnete ich ihm wieder. Der Ort, an dem ich ihn traf, war das Kreiskrankenhaus. Nachdem ich Assistenzarzt geworden war, hatte man mich nacheinander in zwei verschiedene Orte versetzt.
Erst danach kehrte ich in meinen Heimatort zurück. Etwa drei Monate nachdem ich dort wieder angekommen war, begegnete ich Hla Htun. Er kam als Patient ins Krankenhaus.
Er war am ganzen Körper gelb. Gelbsucht. Es ging ihm das dritte Mal so. Und jedes Mal hatte er Fieber und Schmerzen, konnte nicht essen und nicht trinken, schrie vor Schmerz und übergab sich ständig, so dass er völlig kraftlos war. Spindeldürr war er geworden.
Ich, der ich selbst Gefallen an der Vorstellung gefunden hatte, dass mein Freund Hla Htun, wie mir berichtet worden war, in feiner Kleidung, mit Aktentasche, Schnäpschen trinkend und mit Duya-Zigarette zwischen den Fingern in der Stadt an wichtigen Sitzungen teilnahm, war ziemlich unglücklich, ihn so am ganzen Körper gelb, krank, abgemagert und einem alten Mann ähnlich zu sehen. Als er mich sah, sagte er zugleich freudig und traurig: „Herr Doktor, retten Sie mich!“, - „Lass das ‚Herr Doktor’, wir sind doch unter uns. Und die Krankheit, die du da hast, ist keine, wo du „rette mich!“ schreien müsstest. In ein paar Tagen wird das schon wieder besser“. Und in freundschaftlich neckendem Tonfall: „Nur weil du jetzt zu den respektablen Persönlichkeiten im Dorf gehörst, brauchst du ja nicht allen Schnaps, den du zu fassen kriegst, alleine auszutrinken! Deshalb ist deine Leber so angegriffen und diese Krankheit erwischt dich immer wieder.“
Tränen liefen über sein Gesicht. „Das mache ich jetzt nicht mehr, Doktor. Ich betreibe doch nur noch Landwirtschaft.“ Ich erwiderte nichts.

Als ich am nächsten Tag ins Krankenhaus kam und in das Zimmer Hla Htuns hineinsah, bemerkte ich eine junge Frau, die an seinem Bett saß und ihm die Füße massierte, und ein Mädchen, das ihm eine Zitronenlimonade zubereitete. Eine Krankenschwester, die im Vorbeigehen bemerkte, wie ich die drei ansah, blieb stehen und sagte zu mir: „Herr Doktor, weil der Patient vom Land kommt, hält sich das zum Glück noch in Grenzen. Rechts eine Frau und links eine. Mit beiden wohnt er im gleichen Haus zusammen, sagt er.“ Als ich meine Visite machte und zu Hla Htuns Bett kam, ihn nach seinem Befinden gefragt und untersucht hatte, erinnerte ich mich plötzlich an früher. Ich musste lachen und fragte ihn: „Hla Htun, erinnerst du dich daran, wie du darum gebetet hast, in den Gemächern Ramma, Subha und Suramma von Hofdamen umgeben zu sein?“ „Natürlich erinnere ich mich daran, Doktor. Weil ich mich zu sehr bemüht habe, Prinz Siddharta ähnlich zu werden, habe ich ja meine Arbeit als Lehrer verloren“, sagte Hla Htun mit schmerzlicher Mine. Seine beiden Frauen in der Nähe aber lächelten.

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