Durch Vaters Kommentar wurde alles noch schlimmer. „Erschießen wäre das Beste“, sagte er. Solche Bemerkungen waren typisch für Vater. Manchmal, wenn er ganz plötzlich in rasende Wut ausbrach, schrie er: „Ich erschieß dich!“ Anfangs hatte er ziemliche Angst vor Vaters Drohungen gehabt und hatte, ganz fest die Hand der Mutter fassend, bei ihr Schutz gesucht. Er hatte nicht gewagt, den Vater anzusehen. Er hatte Vaters Stimme nicht hören wollen. Aber er hätte ja nirgendwohin weglaufen können. Wenn ihm wegen Vaters Drohungen vor Angst die Tränen gekommen waren, hatte er fürchten müssen, erneut beschossen zu werden, und war in die Arme der Mutter geflüchtet. Und dann hatte Vater auch auf Mutter gezielt.
Später dann hatte er keine große Angst mehr. Nun nahm er seinen Mut zusammen und schoss einfach im Spaß zurück. Wenn Vater wutentbrannt: „Ich knall dich ab!“ brüllte, würde er, den Daumen aufgerichtet, mit dem Zeigefinger zielend auf Vater schießen. „Peng.“
Wenn er Vaters Wut ins Herz traf, dann kam meistens langsam dessen Lächeln wieder durch. Vater hatte als Waffen auch nur seinen Mund und seine Fingerpistole. Diesmal hatte Vater wohl Recht mit dem, was er sagte. Recht wie
so oft.
„Erschießen ist da einfach das Beste. Habt ihr das noch nie in den Cowboyfilmen gesehen? Wenn sich da ein Pferd oder eine Kuh ein Bein brechen, werden die immer erschossen. Der Gnadenschuss, mit dem man ihnen das Leiden erspart.“
„Könnte man nicht versuchen, sie mit einem Seil rauszuziehen?“ Mutter war anders als Vater. Sie war sanftmütig, empfindsam. Sie wurde niemals laut. Erstaunt hörte er ihre Frage und musste innerlich lächeln. Mutter wusste nur zu gut, was er eigentlich fragen wollte. Überhaupt verstand Mutter meistens, was in seinem Innersten vor sich ging. Obwohl sich Mutters Frage an Vater richtete, fragte sie es wahrscheinlich für ihn, dachte er.
„Und selbst wenn! Was soll’s? Sie hat sich doch sowieso alle vier Beine gebrochen. Außerdem, wie soll man in diesen Kanal reinkommen? Und abgesehen davon, wie um alles in der Welt soll man die Kuh da rausholen?“ (Vaters Stimme wurde lauter und härter, und seine Augen traten ein wenig aus den Höhlen.) „Die ist doch genauso breit wie der Kanal. Da kann man die gar nicht bewegen.“
Danach redete Vater auf Englisch mit Mutter weiter. Ein Wort war dabei, das er verstand. „Shoot.“ Als er klein war, hatte Mutter immer geschimpft, wenn er kleine Insekten oder Ameisen zum Spaß getötet hatte. Im Kindergarten mussten sie buddhistische Verse aufsagen. Und abends vor dem Schlafengehen rezitierte er mit Mutter zusammen: „Panatipata ceramani sikkhapadam samadhiyami.“ Vater sah man sehr selten beten. Nur wenn zuweilen ein Mönch kam, kniete er vor ihm nieder und verneigte sich ehrfurchtsvoll bis auf die Erde. Woher kam es nur, dass Vater andere umbringen wollte?
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