"Die nutzlose Frau" von Min Lu
Wieder nahm er einen kräftigen Schluck aus dem Glas, fischte einen Zwiebelring aus dem Eiersalat und aß ihn. „Sie essen doch gerne dieses Knabberzeug. Greifen Sie nur zu. Das Rindfleisch ist sehr gut. Hm, also… wie ich gerade schon gesagt hatte, haben wir uns damals an der Universität getroffen und ineinander verliebt. Damals war ich noch gar nichts. Und was mal aus mir werden würde, war nicht abzusehen. Wirklich. Ich hatte zwar Geologie als Hauptfach, aber vielleicht würde ich ja mal in einer Genossenschaft arbeiten oder im Fischfang. Oder ich würde vielleicht durch das Leben trödeln, weil ich keine Arbeit gekriegt habe.
Und in so einen hatte sie sich verliebt. Na ja, bei einem Universitätsstudenten besteht ja doch Hoffnung, werden Sie sagen. Aber ich war ein mittelloser Student. Unter ihren Verehrern befanden sich zukünftige Ärzte und Söhne reicher Eltern. Und dass sie sich unter all denen so einen wie mich ausgesucht hat, zeigt, dass es keine geringe Liebe war. Äh, und seit wir verheiratet sind …“ Er unterbrach sich, weil er aufstoßen musste, und spuckte aus. Dann: „Seit wir verheiratet sind, ist sie die vollkommene Ehefrau. Erträgt alles und macht alles mit, was auch immer ich taue. Als wir frisch verheiratet waren, hatten wir viel Pech. Weil es mit den Wohnungen, die wir mietete, nicht glatt lief, mussten wir immer wieder umziehen. Und weil ich so wenig verdiente, waren wir sehr knapp bei Kasse. Wenn ich sage, ich hätte viel Pech gehabt, als wir frisch verheiratet waren, denken Sie nicht, es ginge uns jetzt prima. Na ja, das wissen Sie ja selber. Außerdem, als wir dann ein Baby bekamen, konnte es nicht auf normalem Wege zur Welt kommen, sondern musste per Kaiserschnitt geholt werden. Das war natürlich viel teurer. Es hatte aber auch sein Gutes: Wer einen Kaiserschnitt bekommt, kann höchstens drei Kinder haben, nicht wahr? Sehen Sie, meine Frau ist sogar noch beim Kinderkriegen sparsam.“
Er amüsierte sich über seine eigenen Worte und lachte laut. In seinem Gesicht, das sich vom Schnaps zu röten begann, reflektierten die Schweißperlen das Licht der mit einer Autobatterie betriebenen Glühlampe, die den Laden beleuchtete.
„Meine Frau ist vollkommen in der Tugend der Geduld. Obwohl sie sich Tag für Tag abmühen und für unseren Lebensunterhalt kämpfen muss, murrt sie nicht einmal ein kleines bisschen. Was auch immer ich treibe – nie meckert sie rum. Und selbst wenn es mal nicht reicht, verzieht sie keine Miene. Na, sind Sie verwirrt? Denken Sie nicht, dass ich dummes Zeug daherrede? Aber Sie werden schon sehen. Werden schon sehen.“
Er griff nach einer Zigarre und zündete sie sich an, nahm einen kräftigen Zug, um danach ruckartig und hörbar den Rauch auszustoßen. „Die Stelle, wo ich jetzt bin, ist nicht unwichtig. Man könnte auch sagen, es ist nicht unwichtig, dass ich hier in einem Schnapsladen am Straßenrand sitze und trinke. Wie Sie wissen, kann man es auch ohne große Voraussetzungen zu etwas bringen und gut verdienen, wenn man nur zupacken kann und sich anstrengt. Mancher, der schlechtere Voraussetzungen hatte als ich, fährt jetzt schon ein Motorrad, und andere, mit den gleichen Startbedingungen, bauen Häuser, kaufen ihren Frauen Diamantohrringe und richten der Schwägerin einen Laden ein, während ich im Graben gelandet bin.“
Er stellte das leere Schnapsglas kopfüber auf den Tisch und sah es an. Der Rand war an einer Stelle ein wenig abgeschlagen. Er lächelte leicht ironisch. „Was ich sagen will, ist, ich bin ein Mensch, der seine Frau sehr liebt. Ein Kerl, der seiner Frau keinen Wunsch abschlagen könnte, wenn sie mich um etwas bittet. Wenn meine Frau in einer Villa wohnen, ein eigenes Auto fahren und sich Diamantohrringe anstecken wollte – würde ich dann so leben wie jetzt? Ich würde alles versuchen, um ihre Wünsche zu erfüllen. Aber sie bittet mich nie um solche Sachen. Sie ist einfach zu leidensfähig. Darum sage ich ja, dass sie nutzlos ist“, sagte er und goss sich den Fingerbreit Schnaps ein, der noch in der Flasche übrig geblieben war.
Dann setzte er das Glas an, ohne noch Wasser darunter zu mischen, und trank es in einem Zug aus. Das Licht wurde ein wenig dunkler. Der Wirt meinte, die Batterie gehe zur Neige.
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