"Hässliche" von Khin Khin Htoo
„He, guck mal da! Ein Hündchen!“
„Komm, komm! Hier, hier nimm!“ Die Kinder rufen mich heran und legen Reisklumpen vor mich hin auf die Erde, wo sie sitzen. Ich traue mich nicht recht zu fressen.
„Oh, die blutet ja.“ Die Kinder sammeln sich um mich und besehen meine Wunde.
„Die arme. Wer hat sie denn bloß so geprügelt?“
„Ja, genau. Papa, Papa! Hier ist eine kleine Hündin, Sie blutet!“, ruft eines der Kinder und ein Erwachsener kommt in meine Nähe. Als ich vor lauter Angst gerade aufspringen und weglaufen will, berührt er meinen Kopf. Mitleidig wischt er mir mit einem feuchten Tuch das Blut ab.
„Sieh mal. Wer prügelt denn einen Hund so?! Das sind doch Unmenschen!“
Die Kinder häufen Reis aus der Schüssel vor mir auf. Ich traue mich nicht zu fressen und sehe zu dem Erwachsenen hoch.
„Friss nur, friss. Du hast bestimmt Hunger, oder?“
Ah … träume ich? Das ist doch nicht möglich. Ein Mensch, der Mitleid hat mit mir, die ich den ganzen Tag lang nur weglaufen musste? So was gibt es doch nicht. Ich bin traurig, so traurig, dass ich nicht einmal mehr fressen mag. Ich flüchte wieder unter das Bett.
„Die Arme, mag nicht einmal mehr fressen.“
Vor meinem inneren Auge sehe ich große Villen, Restaurants und große Hunde die sich als Herren der Straße aufspielen wollten. Und dann, die Menschen, die ich getroffen habe, die Familie, die Mitleid mit mir hat. „Menschen sind schon ziemlich verschieden, was?“, geht es mir noch durch den Kopf.
Am nächsten Morgen kommen die Kinder und streicheln mich. Vielleicht, weil ich die ganze Nacht ruhig durchgeschlafen habe? Weil ich mich sicherer fühle? Ich bin frisch und erholt. Ich schlappere das Abgießwasser vom Reis, das sie mir geben, bis ich richtig satt bin.
„Papa, wir behalten sie doch, oder?“
„Na, wenn sie will, kann sie ja bleiben. Reiswasser haben wir genug.“Bin ich glücklich! Das sind meine ersten Herrchen. Ich lecke sie mit der Zunge, reibe meinen Kopf an ihnen, wedele mit dem Schwanz, hocke mich vor ihnen hin und mache „Männchen“.„Ist die nicht lieb? Aber hässlich ist sie.“Ja, hässlich bin ich wirklich. An manchen Stellen fällt mir das kurze, struppige Fell von der Räude aus. Unregelmäßig schwarz und weißgefleckt bin ich. Meine Ohren sind kurz und mein Gesicht sieht rund und geschwollen aus. Nein, hübsch anzusehen bin ich nicht. „Papa, lass uns ihr einen Namen geben.“„Na, so ein hässlicher Hund – nennt sie doch „Hässliche“ ….Hahaha… “. Sieh mal an. So ein Glück… diebisches Vieh, streunender Köter rufen die Menschen hinter mir her, und jetzt nennt Herrchen mich „Hässliche“. „Hässliche.“Ich freue mich so sehr! Das ist wirklich toll. Ich habe ein Herrchen. Einen eigenen Namen. Und einen eigenen Fressnapf. Ich brauche nicht mehr hier und da Essen zu stehlen, um durchzukommen. Nein, ich stehle nie mehr. Ihre Siedlung unterhalb des Dammes ist nicht umzäunt oder von irgendetwas begrenzt. Ich kann frei laufen, wohin ich will, und jemanden, der mich angreifen würde, gibt es auch nicht. Die Hundebeißen sich nicht gegenseitig. Wir halten alle zusammen, ohne Unterschiede. Und aus dem Topf welches Hundes auch immer man frisst – niemand knurrt einen an, wirft etwas nach einem oder schlägt einen. Ich bin ja schon zufrieden, wenn ich Reiswasser trinken kann, bis mein Bauch voll und satt ist.
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