"Hoffnungswolken" von Myu Myu
Einmal, als er vom Hafen kam, hatte er bei ihnen vorbeigeschaut. Damals war er auf dem Rückweg von seinem Neffen, der Frachtschiffer war. Sie hatten Fischpaste, Trockenfisch und Fischsoße geladen und zum Vertriebszentrum gebracht. Der alte Mann hatte ungefähr sechs Monate bei ihm gearbeitet und dafür freie Kost und zwanzigtausend Kyat bekommen. Aber es war schwierig für ihn, nach Hause zu fahren – nicht ein einziges Mal im Monat wollten sie ihn gehen lassen. Und er hatte doch auch noch seine alte Frau. Obwohl er am Fluss frischen Fisch essen konnte, blieb ihm die gesamten sechs Monate lang jeder Bissen im Halse stecken, wenn er dabei die in der Ferne zurückgelassene alte Dame vor seinem inneren Auge sah. Daraufhin durfte er wieder einmal im Monat zu ihr zurückkehren.
Den Neffen erfreute das allerdings nicht besonders. Und weil die alte Dame seinen Arbeitgebern egal war, hielt er es zum Schluss nicht mehr aus. Er kehrte endgültig zu ihr nach Hause zurück. Mit der Hoffnung, etwas über einen Job in Erfahrung zu bringen, suchte er das Haus des Mädchens auf, das in der Nähe des Hafens lag.
„Ach Großvater, trag in deinem Alter keine Lasten mehr auf deinen Schultern! Mach lieber leichtere Arbeiten. Du bist doch schon alt .“
„He, ich bin doch noch nicht alt! Gerade mal über sechzig.“
„Ach, was erzählst du denn da. Du bist genauso alt wie mein Großvater.“
„Ach ja?! Da bin ich wohl wirklich nicht mehr jung… Dass ich schon so alt bin, hatte ich gar nicht gedacht.“
Als der alte Mann so scherzte, erwiderte das Mädchen lächelnd:
„Na Großvater, du willst wohl noch mal jung sein… Ja, ja. Alte Leute wollen so gerne noch mal ganz jung sein. Meine ältere Tante zu Hause beschwert sich, dass ihre Haare grau werden, und färbt sie glänzend schwarz.“
Der alte Mann verstand, dass es in der Natur des Menschen lag, die Jugend zu lieben und dem Alter auszuweichen. Er lachte herzlich, so dass seine vom Betel rot verfärbten Zahnstummel zu sehen waren, und sagte: „Ich weiß nicht wie alt ich bin und so, das merke ich mir gar nicht mehr. Bin ja wohl schon über fünfundsiebzig, fast achtzig! Es ist nicht, weil ich jung sein möchte, Kleine. Aber wenn man alt ist, will einen keiner mehr arbeiten lassen.“
Als sie beim Thema Arbeit ankamen, verloren seine leuchtende Augen ihren Glanz.
„Wenn ich gefragt werde, bin ich über sechzig, und mit der Kraft, die ich habe, lässt man mich noch arbeiten. Wenn ich aber hingehe und sage, dass ich über fünfundsiebzig, ja fast achtzig bin, lässt mich keiner mehr Reis- oder Linsensäcke schultern, Mädchen. Wie soll ich dann noch Geld verdienen? Deshalb habe ich auch das Alter nicht mehr so genau im Kopf.“
Der alte Mann, der vor sich hin gestarrt hatte, während er redete, wandte sich nun abrupt dem Mädchen zu. Sie blickte ihn nachdenklich an. Die in liebevoll-neckendem Ton gesprochenen Worte schienen sie verlegen zu machen.
Dabei waren ihre Worte durchaus begründet: Immer wenn sie fragte, war Großvater sechzig und wurde nicht mehr älter. Auch letztes Jahr: sechzig. Und vorletztes Jahr: sechzig. Vorvorletztes Jahr: ebenfalls sechzig. „Bist du aber vergesslich!“, lachte sie.
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