"Hoffnungswolken" von Myu Myu
Am Abend schaute er kurz beim Haus des Mädchens vorbei. Es blickte den alten Mann, der seinen Job verloren hatte, an und sagte:
„Ich werde mich bei der Firma eines Freundes erkundigen, ob sie nicht einen Nachtwächter brauchen. Komm morgen um diese Zeit noch mal zu mir und frag nach! Ach, Großväterchen, wo du gerade hier bist, geh nicht wieder, bevor du etwas gegessen hast.“
Obwohl er abwinkte und dankend ablehnte, sprang das Mädchen auf und lud ihm Reis und Curry auf einen Teller. Wenn er für Leistungen etwas zu essen bekam, freute es ihn immer. Dieses Mal jedoch wurde er verlegen. Das Mädchen schien nicht zu bemerken, was in ihm vorging.
„Im Alter braucht man nur noch wenig, um satt zu werden. Es ist nicht mehr so herzerquickend.“
„Hier, nimm, Großvater! Hühnerfleisch…!“
„Hühnerfleisch – ach, das konnte ich die letzten drei Viertel meines Lebens nicht essen, glaube ich. Aber im ersten Viertel hab ich schon mal Hühnchen probiert. Sieh mal – es ist doch ganz passend, dass ich kein Fleisch mehr kauen kann. Das ist das gerechte Urteil der Natur.“
Die quirligen Gesten des Mädchens wurden auf Grund von seinen Worten für einen Moment langsamer. Sie sah ihn an und griff dabei nach einer Suppenschale.
„Ach, sei nicht traurig. Ich glaube nicht, dass wir ein schlechtes Kamma haben. Was für ein gutes Geschick ist es, einen weiteren Tag in der Welt der Menschen verweilen zu dürfen! Einen Tag mehr am Leben sein zu können, ist durch nichts zu ersetzen. Ich danke der Menschenwelt! Ich bin der Erde so dankbar! Was für eine Last muss es sein, über sechs Milliarden Menschen tragen zu müssen, und da erlaubt sie mir, noch einen weiteren Tag zu leben… Na ja, ich bin ja auch leicht.“
Der alte Mann hatte bemerkt, dass das Mädchen traurig war, und mit einer Prise Humor gesprochen. Sie verharrte auf der Stelle, sah ihn immer noch an. Über Großvaters Gesicht, das zum Himmel aufsah, sammelten sich Wölkchen aus allen Himmelsrichtungen. Vor seinen Augen bildete sich ein großes Wolkenbündel, eine riesige Haufenwolke.
„Meine Hoffnung für morgen ist so groß wie diese Regenwolke. Ach ja, die Hoffnungswolke eines alten Mannes…“ Er musste in sich hinein lächeln, weil ihm etwas so Poetisches eingefallen war.
„Oh, ob wohl meine Gedanken jetzt noch so hübsch sind, weil ich viel gelesen habe, als ich jung war? Damals war ich Bibliothekar in einer Fabrik. Man sagte, ich als Literaturliebhaber sei dort gut aufgehoben, und setzte mich um. Was ich davon hatte? Den Gewinn, dass ich Bücher lesen durfte. Die Literatur hat mich gelehrt, mich in der Welt zurechtzufinden…“
Der alte Mann wurde abwechselnd von den Empfindungen seiner Jugend fortgetragen und von den Empfindungen des reifen Menschen zurück in die Gegenwart geholt.
ihre schwierige„Weil meine Frau und ich das kleine Häuschen haben, geht es noch. Unsere Kinder kommen selber nur gerade so eben über die Runden und können sich nicht um uns kümmern. Die Guten, wenn die alte Dame sie besucht, kratzen sie ihr Weniges auch noch zusammen und geben es ihr…“ Der alte Mann wusste um Lage.
Ihm war klar, dass es eine Belastung für sie bedeutete, ihn und seine Frau täglich mit Lebensmitteln zu versorgen. Auch die alte Dame verstand das. Man konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Auch deshalb legte er bis in dieses Alter die Hände nicht in den Schoß. Solange er gesund wäre, würde er arbeiten. Seine Gesundheit war ein Geschenk, das er seinem Kamma verdankte. „Wenn wir dieses Mal verkaufen, werden wir Probleme bekommen. Das kommt nicht in Frage. Wir werden es so aushalten. Es kann nicht angehen, dass ich dieses Häuschen aufgebe.“
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