"Mein Vater und ich" von Maung Aye Mya
Während ich das Handlesen meiner Mutter und die Magie meiner Schwester für ziemlichen Humbug hielt, muss ich zugeben, dass ich in meiner Jugend eine gewisse Akzeptanz für Vaters Astrologie empfand, ohne auch sie allzu ernst zu nehmen. Manche seiner Voraussagen trafen ein, andere nicht, und es gab schon Fälle, in denen ich ihn bestätigte, wenn es angebracht war. Um zu meiner Eingangsthese zurück zu kommen: Ja, Vater und ich hatten unzählige Gemeinsamkeiten. Sogar beim Heiratsalter. Genau wie Vater, der dreißig Jahre alt war, als er Mutter heiratete, ging auch ich erst im Alter von dreißig Jahren die Ehe ein. Aber es sind die Unterschiede zwischen uns, die wichtig für diese Geschichte sind.
Dass ich, wie oben gesagt, Vaters Astrologie im Prinzip akzeptiert hätte, ist so gemeint: Genau genommen handelte es sich bei der Astrologie, der Vater nachging, um die ganz gewöhnliche Horoskop-Tradition abhängig vom Geburtsgestirn, die jeder in Myanmar kennt. Darüber hinaus gab es noch bestimmte Ernährungsvorschriften, die auf astrologischen Berechnungen beruhten. Wenn ein Patient mit seinem Leiden zu Vater kam, griff dieser zu Schiefertafel und Griffel, fragte ihn nach seinem Geburtsdatum und fing an, auf der Tafel herumzukritzeln und dies wieder wegzuwischen. Er erkundigte sich nach dem Gestirn seiner Geburt, errechnete dessen Wirkungen und verkündete dann, welches Essen er nicht verträgt, was er meiden sollte, was er im Verhältnis drei zu eins gemischt einnehmen solle. Er gab auch etwas von seiner Mixtur heraus und machte dabei einen ungeheuer wahrhaftigen Eindruck. Und er hatte nicht wenige Kunden. Noch mehr als mit Horoskopen war er mit Berechnungen für seine verschiedenen Mixturen beschäftigt, so dass ihm kaum eine freie Minute blieb. Bevor er auf eine längere Reise ging, trug er Mutter auf, was für Mixturen sie wem geben sollte in Abhängigkeit vom Wochentag seines Erscheinens und dem seiner Geburt. Mutter notierte all das in einem Notizbuch. Vater hieß mit bürgerlichem Namen Nyo Maung, aber seine Klienten nannten ihn gewöhnlich nur Meister Nyo.
Als meine Versetzungsprüfung in die Mittelstufe bevorstand, gab Vater mir und meiner Schwester seine magischen Ratschläge. Ich sollte je einen Spross von der Kokospalme und von der Jujube bei mir tragen, meine Schwester einen Spross der Toddy-Palme oder, wenn sie keinen fand, einfach ein Stückchen Palmzucker in ihre Umhängetasche legen. Ich weiß nicht, ob es wegen der magischen Utensilien in unseren Taschen war, aber als wir zur Prüfung gingen, fühlten wir uns wie große Krieger, die siegesgewiss in die Schlacht zogen. Am Abend zuvor hatten wir noch eifrig gelernt. Aber daran dachten wir nicht, wenn wir eine Aufgabe lösen konnten. Ich muss gestehen, wir haben es vor allem auf die Kokos- und Jujubensprossen zurückgeführt.
Darüber hinaus muss ich noch ein paar andere Dinge erwähnen, die ich Vater glaubte. Was wir Geschwister außer unserem Schulstoff unbedingt auswendig lernen mussten, war sein Heilmittel-Vers. Diesen hatte Vater mit Kreide an die Holzwand unserer Veranda geschrieben, wo wir immer unsere Hausaufgaben machten. Ich kann ihn bis heute auswendig:
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