"Mein Vater und ich" von Maung Aye Mya

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Eins-drei-sieben: Zitrone und Limone.
Zwei-sechs-vier: Thanakha, Bitteringwer, Blätter der Gwe-dau’- Liane und des Teestrauchs.
Fünf: Guave, Seifenakazie
Die Zahlen standen für die Wochentage: eins für Sonntag, drei für Dienstag und sieben für Samstag, und das besagte, dass man Verletzungen, die man sich an diesen Tagen zugezogen hatte, mit Zitronen- oder Limonensaft behandeln sollte. Zwei-sechs-vier hieß, dass man für Wunden am Montag, Freitag oder Mittwoch feingeriebene Thanakha-, Tee- und andere Blätter verwenden sollte. Fünf schließlich stand für Donnerstag, an dem Blätter der Guave und Seifenakazie demselben Zweck dienen. Einmal, als Vater von seinem Arbeitsort nach Hause zurückkam, war Mutter auf den Markt gegangen, um Rindfleisch zu kaufen, denn Vater liebte Rindfleisch-Curry. Am Fleischstand wurde sie von einem Hund gebissen und hatte eine blutende Wunde an der Wade. Als die
ganze Familie um Mutter herumstand und den Biss betrachte, rief Vater: „Sag schon, was ist heute für ein Tag? Sonntag, klar. Los, holt eine Zitrone! Es wird aber ein wenig brennen.“ Als er den Saft auf die Bisswunde träufelte, verzog Mutter vor Schmerzen das Gesicht und wimmerte. Dann wurde die Wunde verbunden, und Mutter machte sich wieder ans Essenkochen. Nach ein, zwei Tagen war der Biss verheilt. Seit jener Zeit hatte ich eine gewisse Hochachtung vor dem 1-3-7-Vers. Jedes Mal, wenn ich oder einer meiner Freunde eine Verletzung hatte, spielte ich selbst den Heiler. Ich hieß jemanden etwas hiervon oder davon holen, zerrieb es dann mit den Fingern und behandelte damit die Wunde. Ich weiß nicht genau warum, aber niemals entzündete sich eine Verletzung, meist trat gleich Linderung ein.

Damit will ich nur einen der Gründe nennen, wie ich zu einem Anhänger von Vaters Lehren wurde. Aber es gibt noch mehr Sonderbares zu erzählen. In welchem Alter Vater angefangen hatte, so ehrfürchtig an diese Theorien zu glauben und sich intensiv damit zu beschäftigen, weiß ich nicht. Solange ich mich zurück erinnern kann, war er von diesem Glauben bis zu seinem letzten Atemzug so besessen, dass dieser praktisch sein gesamtes Leben bestimmte. Vater war 76 Jahre alt, alser starb. Sein ganzes Leben lang hat er den Horoskopen, den astrologisch begründeten Berechnungen, eine elementare Bedeutung beigemessen. Nur dieser Lehre glaubte er, keiner anderen. Wenn gleicher die Drei Juwelen zutiefst verehrte, zog er bei gegebenem Anlass nichts anderes in Betracht und suchte Antworten nur in astrologischen Berechnungen. Zwanzig Jahre lang habe ich in den Gemächern von Vaters Wissenschaft geruht und mich entspannt. Und im Kreise meiner Freunde hat das „1-3-7-Zitrone und Limone“ immer wieder für Heiterkeit gesorgt. Aber als ich die Zwanzig überschritten hatte, musste ich nach dem Ratschluss meines Vaters Mezaligon verlassen, absolvierte in der Großstadt Yangon neben der Arbeit ein Studium, erwarb einen akademischen Grad, begann Karriere zu machen und bin mittlerweile mit Frau und Kindern in Yangon sesshaft geworden. Obwohl die enge Bindung zwischen meinem Vater und mir an meinem Lebenin Yangon nicht zerbrach, so haben sich meine Auffassungen Stück um Stück gewandelt. Das wurde mir mit der Zeit zunehmend bewusster. Vielleicht könnte man die Stelle, an der sich unsere Auffassungen trennten, Abzweig Nummer 1-3-7 nennen.

 

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