"Mein Vater und ich" von Maung Aye Mya

 

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Jedes Mal, wenn ich während meiner Studienzeit nach Hause kam, kehrte ich zurück in die gewohnte Geborgenheit von Vaters astrologischen Berechnungen und Mutters Handleserei. Einmal fragte Vater mich:
„Weißt du eigentlich, warum wir dich nach Yangon geschickt haben?“
„Weil ihr nur meine Schwester lieb hattet und mich nicht…?“ scherzte ich.
„Wenn du hier geblieben wärst, hättest du auch eine Frau aus der Provinz heiraten müssen, so wie Htein Win und Thein Oo. Die sind jetzt Lehrer und müssen mit ihrem Dorfleben vorlieb nehmen. Du wohnst in Yangon und bist zu einem Großstadtmenschen geworden. Habe ich dir damals nicht oft die Geschichte von Königin Me Nu erzählt?“
Htein Win und Thein Oo waren ehemalige Klassenkameraden von mir. Htein Win war mit der Tochter einer wohlhabenden Familie im drei Kilometer entfernten Dorf Thapyaysan verheiratet. Htein Oo hatte eine alte Freundin aus seinem Dorf geheiratet und mittlerweile auch schon Kinder.
Die Geschichte der Königin Me Nu hatte Vater oft bei Tisch erzählt. Me Nu, die später einmal die Hauptkönigin werden sollte, war ursprünglich ein einfaches Dorfmädchen gewesen. Während Me Nu eines Tages im Bach nahe dem Dorf badete, hielt ein Falke ihren Longyi, den sie am Ufer zurückgelassen hatte, für ein Stück Fleisch und raubte ihn. Als sie mit dieser Geschichte zum Abt des Klosters am Dorfeingang ging, weissagte ihr dieser, dass sie einen mächtigen Mann heiraten würde und riet ihr, aus dem Dorf weg nach Mandalay zu gehen: „Bleibst du im Dorf, wirst du nur einen Mächtigen des Dorfes abbekommen. Gehst du aber in die Stadt, hast du die Chance, das dortige Oberhaupt, also den König, zu heiraten.“ Me Nu folgte diesem Rat und wurde als Nanmadaw – Palastherrin – Me Nu berühmt. Diese Geschichte war eng mit Vaters Vorliebe für die Astrologie verbunden. Es war, als hätte er Me Nu als Beleg für den Verlass
auf seine Astrologie adoptiert. Obwohl ich die gewichtigen Worte meiner Eltern nicht besonders ernst nahm, sagte ich in respektvoller Manier:
„Heißt das, wenn ich hier geblieben wäre, hätte ich mit zwanzig heiraten müssen?“
Auf Vaters Wink hin fragte mich Mutter:
„Erinnerst du dich noch? Bevor du nach Yangon gingst, hatten wir von der Familie des Markthändlers Tin Kwi eine große Mädchenpuppe aus Pappmaschee geliehen, die wir eine Weile hier behalten haben.“

„Klar erinnere ich mich. Die habt ihr mir damals für vier, fünf Tage ins Bett gelegt. Was sollte das eigentlich?“ Vater sagte:
„Das war eine Beschwörung, um zu verhindern, dass du zu jener Zeit eine Frau findest. Dein Horoskop wies damals deutlich auf eine Heirat.“
Ich lächelte und antwortete neckend:
„Da musstet ihr so schwere Geschütze auffahren? Ihr hattet mich ja praktisch verheiratet! Und jetzt bekomme ich natürlich keine Frau mehr.“
Damals war ich tatsächlich noch ledig und hatte auch noch keine Freundin.
„Ach, du… Ich werd’dir…“, sagte Vater und holte mit der Hand aus. Auf diese Art zog ich meine Eltern jedes Mal, wenn ich zurück nach Hause kam, mit ihren astrologischen und magischen Themen auf, und die Sehnsucht war kompensiert.

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