"Mein Vater und ich" von Maung Aye Mya

So wie alle Eltern der Welt Ähnlichkeiten mit ihren Söhnen und Töchtern haben, gibt es immer auch Unterschiede. Mein Vater und ich haben die gleichen dicken Augenbrauen, wir sind beide recht groß gewachsen, und wir mögen dasselbe Essen. Aber meine Augen und meine Nase sind ganz anders als die meines Vaters, denn die habe ich von meiner Mutter. Einmal, in Yangon, trafen ich und ein paar Freunde Onkel Kwa, der vor etwa fünfzehn Jahren aus unserem Dorf dorthin gezogen war. Onkel Kwa war ein Klassenkamerad meiner Mutter aus der Zeit der Mittelschule. Derjenige, der uns miteinander bekannt machte, sagte: „Die sind auch aus Mezaligon!“, und zeigte auf mich.
„Aus welchem Viertel in Mezaligon seid ihr?“
„Aus Hlegyi-Ain, Onkel.“
Noch bevor ich ausgesprochen hatte, trat Onkel Kwa an mich heran und sagte:
„Bist du nicht Khin Seins Sohn?“ Ich nickte erstaunt.
„Ja, das habe ich mir gedacht. Du hast dieselben Augen wie Khin Sein. Wie geht es deiner Mutter?“
Mutter war eine leidenschaftliche Handleserin. Bei jedem ihrer Bekannten, der zu Besuch kam, ergriff sie zuerst dessen Hand, noch bevor sie ihn darum bat. Daraufhin verkündete sie ungefragt alles, was sie daraus gelesen hatte. Sie nahm kein Geld dafür. Auch bei Vaters Bekannten oder sogar Fremden, die zu uns kamen, betrachtete sie während des Gesprächs aufmerksam deren Handflächen, und nachdem sie wieder gegangen waren, erklärte sie meiner großen Schwester, ihrer ältesten Tochter, wer eine gute Erfolgslinie und wer einen unglücklich geformten Daumen hatte.

Mutters Bekannter Onkel Kwa schien das gleiche Hobby zu haben wie sie. Er war Handleser hier in Yangon. Mutter hatte oft erzählt, dass er so häufig richtig lag, dass sich die Filmstars bei ihm die Klinke in die Hand gaben. Sie schien sehr stolz zu sein, ihn zu kennen. Ich glaube, meine Schwester, die lange mit meiner Mutter zusammen lebte, hat ihr Talent geerbt. Anders als Mutter beschäftigte sie sich nicht nur mit Handlesen, sondern scheute sich auch nicht davor, gelegentlich weiße Magie und schwarze Kunst zu bemühen. Auf dem Hausaltar standen die typischen Schalen mit Kokosnuss und Bananen, und er war mit einer Unmenge von Blumenkränzen und Gebetsketten verschiedener Größe behängt, so dass man die Buddhafigur gar nicht richtig erkennen konnte. In Leuten, die nicht Bescheid wussten, mochte beim bloßen Anblick des Altars das klamme Gefühl aufkommen, dass hier ein Sektenführer hause.

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