"Moskitos" von Aung Nay Thway
Ein paar Kinder von der Frischfischreihe des Marktes, die mit Fahrrädern unterwegs sind, bestaunen von der Straße aus, was an solchem Schauplatz Merkwürdiges geschieht. Mit ununterbrochenem Wirbel der Metallstäbe auf dem Becken, so dass es in ganz Jambudipa zehntausendfach widerhallt, lockt Po Thup Leute an. Kunden und umherlungernde Männer, Frauen, Kinder jeden Alters. Des Weges kommende Rad- und Rikschafahrer legen Tempo zu. Über hundert Leute sind um den Magier versammelt.
Da klatscht der Meister, auf dem Boden sitzend, laut in die Hände, und das große Becken wird still. Auch der Zank um einen guten Platz verstummt. Und die jungen Burschen, die wie im Dunkel abendlicher Video-Veranstaltungen auf ihre Chance bei den Mädchen lauern, bremsen sich. Erst als das verehrte Publikum mucksmäuschenstill geworden ist, entledigt sich der Herr seiner warmen Umhüllung und erhebt sich urplötzlich.
„Verehrtes Publikum! Ich, Aung Shwe San von den Bergen, erweise Ihnen meine Hochachtung. Damit alle gut sehen können, bitte ich die Vorderen höflichst, sich zu setzen. Was ich vorausschicken möchte, ist, dass die meisten Leute in unserem Land, von dem wir alle leben, Bauern sind, unsere Ernährer. Indem ich Mutter Erde berühre, gelobe ich, dass ich diese Zauberkunststücke vorführe aus dem tiefen Wunsch, diesen unseren Wohltätern zu danken.“ Nach dieser sonderbaren Begrüßung hebt der Meister Staub auf und wirft ihn gen Himmel gleich dem Rauch, den man bei berühmten Shows sich ausbreiten lässt. Und Po Thup erzeugt passend dazu mit Becken und Klöppeln einen gedehnten Dauerklang.
Die Zuschauer scheinen sich von dem Staub nicht gestört zu fühlen. Offenbar ist aus der Eröffnungsrede des Meisters nur ins Ohr gedrungen, dass er unbedingt Dank abstatten wolle, und man ist nun voller Erwartung verschiedenster Art. „Also, schaut her! Da sind die Kerle, die euch immer quälen. Das hier ist eine Königskobra, das eine Schreckviper, das eine zinnoberrote Kettenschlange. Schaut her, schaut her!“ Quatsch! Um Eindruck zu schinden, nennt er Namen, wie sie ihm einfallen. Die Schlangen hinterlassen verschwommene Dreckspuren auf seinem nur von einem kurzen ärmellosen Westchen bedeckten Oberkörper. Verschlungene, lustlose Schlangen.
Aber das Erscheinungsbild des Meisters, der o-beinig würdevoll daherschreitet, die Schlangen um seinen schmächtigen, kleinen Körper mit dem Rundrücken gewunden, hätte selbst den großen Zauberkünstler David Copperfield dazu gebracht, sich hinzusetzen und zu weinen. Seinetwegen schreien die meisten Mädchen angstvoll auf, wenn er in die Nähe kommt. Männer, die ihre Chance wittern, ziehen eine Schau ab, indem sie vorgeben, sich nicht zu fürchten oder zu ekeln.Als er meint, genug Runden absolviert zu haben, gebietet er seinem Gehilfen Po Thup, der auf seinem Instrument eine Stimmung des Abscheus erzeugt, mit lautem Ruf und Handzeichen Stop. „Meine Damen und Herren Ernährer! Wer wagt, die Garantie zu übernehmen, dass man nicht am Biss einer dieser Schlangen stirbt? Überlegt doch mal, was passiert, wenn man nicht rechtzeitig zum Krankenhaus, zum Medizinstützpunkt kommt und Gegengift spritzen kann! Deshalb …“Dem Publikum scheint nicht der Gedanke zu kommen, dass der wortgewaltige Zauberer, der eben die Schlangen von seinem Körper nimmt, eine Moskitofangmaschine ist.
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