"Sein Horoskop" von Ma Wint (Myit Nge)

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Zwischen den ummauerten Gebäuden ging Aung Thein, den ererbten Säbel geschultert, seine Runden als Nachtwächter. Er wusste, dass jetzt im Sommer die Nächte kurz waren. Zeit zu schlafen würde er nicht haben. Da er die ganze Nacht allein Dienst tun musste, kam es ihm dennoch vor, als ob sie kein Ende nehmen wollte.
„Vater, pass gut auf. Unter diesem Dach liegen zweitausend Zementsäcke für den Bau der Fabrik. Wenn nur einer davon verschwindet, wird dein Lohn um zwei Monatsgehälter gekürzt.“ Die Warnungen seines Sohnes hielten nachts seine Augen weit offen. „He, ich bin als Bauer großgeworden, da kann man nicht verpennt sein“, beruhigte er seinen Sohn und nahm die Verantwortung auf sich. Der Mond, der anfangs schmal wie die Augenbraue eines jungen Mädchens war, nahm langsam zu, wurde voll und veränderte sich immer weiter, indem er wieder abnahm, bis er schließlich ganz verschwunden war. Der Dienst von Aung Thein aber, der unter dem Mondlicht mit dem Säbel auf der Schulter seine Runden drehte, bis es Morgen wurde, veränderte sich kein bisschen. Nur in der Neumondnacht musste er noch aufmerksamer sein als sonst. Wenn ein Bösewicht kam, würde er es mit seinem Säbel zu tun kriegen. Jedesmal, wenn er daran dachte, fiel ihm sein Großvater ein, dem der Säbel einmal gehört hatte. Und er erinnerte sich an seinen Vater, der damit gegen die Japaner gekämpft hatte. Hatten sie ihm den Säbel vererbt, damit er damit Nachtwächter würde? Während er so grübelte, wurde er traurig. Er vermisste seinen Vater und seinen Großvater. Wollte Verdienst für sie erwerben und Abbitte bei ihnen leisten. Als er mit Tin Mi darüber sprach, dass er eine Opferzeremonie für das Heil seines Vaters und Großvaters machen wollte, war die Herrin des Hauses einverstanden. Also arrangierte Aung Thein alles für seine Zeremonie. Er lud fünf Mönche ein, bat den alten Onkel Han und den Lehrer Kyaw Mya dazu. Htun Thaung, Maung Kyaw und seine anderen Freunde konnte er nicht einladen. Die waren in Dörfer bei Singain gegangen, um sich dort als Landarbeiter zu verdingen. Und auch wenn ihm nicht danach war, musste er Tin Mi zuliebe ihren Vater Ba San einladen.

Ba San war in der letzten Zeit recht freundlich zu Aung Thein gewesen – vielleicht, weil er schon lange nicht mehr die Geschichte des Säbels erzählt hatte. Als die Mönche gespeist hatten und predigen wollten, saßen Aung Thein und Ba San zufällig nebeneinander. „So ein Horoskop ist schon etwas Besonderes. Weil euer Geschick günstig ist, trefft ihr im rechten Moment jemanden wie Herrn Boss, der hilft. Auf euch selbst gestellt, hättet ihr kaum genug zu essen, von so einer Zeremonie gar nicht zu reden.“ Diese Worte, die Ba San vor der Predigt zu ihm gesagt hatte, fuhren ihm schmerzhaft ins Herz und hallten in seinen Gedanken wider, während der Mönch sprach. Als er den Krug zum Tropfen des Wassers in der Hand hielt und anhub, die Formeln für das Teilen des Verdienstes mit den Ahnen zu sagen, war ihm die Kehle wie zugeschnürt und es fiel ihm schwer, auch nur einen Ton herauszubringen. Nachdem die Mönche gegangen waren, wandte sich Aung Thein hastig Ba San zu mit der Frage: „Ist denn mein Horoskop wirklich so gut?“ „Ja, sehr gut.“ „Ich äh… Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich besser den Säbel, den ich von meinem Großvater geerbt habe, wetzen soll, biser wieder scharf ist, oder ob ich ihn dem Kloster spenden soll.“ Als er Aung Theins Worte hörte, fuhr Ba San zusammen und sah ihn erschrocken an. Aung Thein sah abwesend ins Leere. In seinen Augen standen Tränen. Ba San seufzte laut hörbar. Dann sah er noch einmal verständnislos zu Aung Thein hinüber. Tatsächlich, Aung Thein weinte.

 

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