"Traum auf einer Hängebrücke" von Ju
So, wie sie die Gefahr zu ignorieren pflegen, nehmen sie auch Verwunderliches gelassen auf sich. Geduldig fahren wir mit den klapperigen alten Bussen, die innerhalb der Erdölstadt verkehren. Obwohl wir uns in diese Busse hineinquetschen müssen wie die Ölsardinen, so dass man nicht einmal mehr richtig atmen kann und hinterher ganz geschafft ist, verdirbt uns das nicht die Laune. Leute, die dich an dicht stehen oder auf Säcken mit Reis oder Chili hocken, können plaudernd den Lärm des Motors und der gegeneinander klappernden Karosserieteile ohne weiteres ignorieren. Wie müde Grashüpfer kommen die nur stoßweise zu bremsenden Busse quietschend oft noch vor der eigentlichen Haltestelle zum Stehen und setzen sich auch beim Anfahren nur träge wieder in Bewegung. Die Jungen, die hinten auf dem Trittbrett fahren, sind daran gewöhnt und rufen dem Fahrer „Fahr los, Meister!“ zu, wenn alle aus- und eingestiegen sind, winken im Vorbeifahren Bekannten zu oder rufen ihre Namen, wenn sie keine Hand freihaben.
Die Mädchen und Schülerinnen aus unserer Stadt kleiden sich nach hiesiger Tradition schlicht und anständig. Da sieht man bunte Polohemden mit Schriftzügen darauf – wie in den Magazinen. Man sieht weite Blusen, geschneidert aus dem weichen, dünnen Stoff, wie er auch in den Großstädten modern ist. Wenn man aus den an die Wände geklebten Plakaten auf den in einer Stadt beliebten Kleidungsstil schließen kann, ist unsere Stadt schlicht und altmodisch.
Denn da hängen immer noch die alten Plakate mit den Gesichtern thailändischer Filmschauspielerinnen. Einige Phoebe-Cates-Poster kann man hier und dort auch sehen. Aber unsere Stadt kennt keine Nastassja Kinski und auch keine Isabella Rosselini.
Die Jugendlichen aus unserer Stadt mögen – wie die meisten myanmarischen Jugendlichen – am liebsten oberflächliche Actionfilme, bei denen man nicht viel nachdenken muss. Wenn das Mya Sein Yaung Kino, das oft ausländische Filme zeigt, chinesische Kung Fu Filme, japanische Karatefilme, indische Bollywoodfilme oder einen James Bond bringt, drängen sich die Leute danach, und es reicht nicht, dass wie üblich am Abend zwei Vorstellungen gegeben werden. Selbst bei vier Vorstellungen am Tag können solche Filme über viele Tage und Wochen laufen, und der Kinosaal ist immer noch voll. Filme wie „Julia“ oder „Am Wendepunkt“ wurden dagegen zur einzwei Tagen gezeigt und dann abgesetzt.
Wenn man am Musikladen vorbei geht, hört man immer dieselben alten Lieder. Lieder wie „Le’thi sou’ma la? Le’wa pyan ma la?“ oder „Pyan pei to ma sin hsa ne…pyan pei to“ – als ich das letzte Mal dorthin gefahren bin, konnte mir selbst meine dreijährige kleine Nichte schon diese Lieder vorsingen. Ich weiß nicht warum, aber ich träume immer wieder von dieser schlichten, ergrauten, eigentlich langweiligen Kleinstadt. Manchmal begegne ich im Traum vertrauten Gesichtern, aber kenne die Menschen nicht, und manchmal muss ich jemand anlächeln, dermich herzlich grüßt, obwohl es mir vorkommt, als ob ich sein Gesicht noch nie gesehen hätte. Wenn die Geräusche und Schatten der Stadt mich sanft entführen, gelange ich im Traum wieder in diese Stadt, die ich vermisse. Einmal …Mein Vater kniet vor dem Hausaltar, das rote Buch mit der Thiri Mingala Sutta in der Hand, und rezitiert den buddhistischen Text. Mutter hat eine Kopfkissenhülle über ihren Stickrahmen gespannt, um kleine Blüten hineinzusticken, und meine jüngeren Schwestern schreiben mir einen Brief.
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