"Traum auf einer Hängebrücke" von Ju
Ich träume oft. Und in jedem Traum verweile ich immer wieder an ein und derselben Stelle. Immer sind dort viele Gebäude, viele Hügel, viele Bäume und viele Gesichter. Diese Träume, die meine Seele so liebt, machen mich oft sehr glücklich, aber sie hinterlassen auch ein Gefühl von Sehnsucht.
In der letzten Nacht träumte ich auch wieder, dass ich an diesen weit entfernten, vertrauten Ort gelangte. Dieser Ort aus meinen Träumen ist eine kleine Stadt, die ich sehr vermisse. Weil meine kleine Stadt auch die Stadt meines Liebsten ist, höre ich den Klang seiner Gitarre, wenn ich von ihr träume. In Wirklichkeit spielte er Gitarre an der Straßenecke bei seinem Haus, auf der Hollywood-Schaukel im Garten oder auf einem Stuhl im Wohnzimmer, in meinem Traum aber sitzt er immer auf einer sacht schwingenden Schaukel. Und jedes Mal ist es Sai Hti Hsains Lied vom verschwundenen Nibbana., das er spielte. Der Grund, weshalb ich mich in ihn verliebt hatte – in ihn, der nur gelegentlich mit mir sprach und dabei fast immer ein ernstes Gesicht machte, der, wenn er mich kommen sah, ohne mir etwas anzubieten in aller Ruhe weiter aß, der, ohne es vor mir zu verbergen, bäuchlings auf dem mit Matten ausgelegten Estrichboden lag und die Liebesbriefe seiner drei, vier Freundinnen beantwortete und mir
niemals etwas vormachte – dieser Grund war ein recht belangloses Ereignis. Das Erstaunliche daran war nur, dass ich dabei die ganze Zeit auf einem Turm stand, der keine Treppe hatte. Wenn er seine Hand ausstreckte, konnte ich nicht zu ihm gelangen, und er konnte auch nicht zu mir kommen. Wir starrten uns nur gegenseitig sehnsuchtsvoll an. So etwas erlebt man wohl selten.
Weil mein Liebster ein einfacher junger Mann ist, sind seine Füße immer schmutzig und staubig vom Laufen. Als ich einmal leise „Oh, deine Füße …!“ gemurmelt hatte, schämte er sich keineswegs und sagte lachend: „Bin eben ein armer Schlucker!“ Weil er begeistert Zigaretten rauchte, begann ich, den Geruch von Zigarettenrauch zu lieben. Der Zigarettenrauch aus meinen Träumen duftet aber noch besser.
Immer wieder hört man Gerüchte, unsere Beziehung, die sich still und leise über acht Jahre hingezogen hatte, ohne dass jemand so recht wusste, worin sie eigentlich bestand, habe sich jetzt in Bitterkeit verwandelt. Für uns beide ist das wohl die Wahrheit. Für die Dauer unser beider Leben wird er die See lieben müssen. Und mich hassen. Wir werden es dabei belassen müssen, unser Kamma zu verfluchen. Bevor er mich hasste, hatte er mir einmal Champakblüten mitgebracht, damit ich sie mir ins Haar stecken konnte. Als ich, die gerne vorgab, unnahbar zu sein, sie statt dessen aber auf dem Hausaltar dem Buddha opferte – hat er da gelächelt oder eher enttäuscht ausgesehen?
Ich erinnere mich nicht mehr genau. Sicher ist aber auf alle Fälle, dass ich mir noch nie Blumen in die Haare gesteckt habe. Als wir jung und noch nicht befreundet waren, wohnten wir in derselben kleinen Stadt. Gerade als wir uns näher gekommen waren, zogen wir beide fort. Als wir, ohne uns verabredet zu haben, beide zur gleichen Zeit zu Besuch in unsere Stadt kamen, waren wir glücklich. Oft war das im Oktober zur Zeit des Lichterfestes oder im April zum Wasserfest.
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