Die Geschichte klingt so abenteuerlich wie unglaubwürdig: Als im Jahre 1603 der 21-jährige schottische Schneiderjunge William Lithgow unter dem Fenster seiner Liebsten singt, schneiden ihm ihre Brüder beide Ohren ab. Da entschließt sich der junge Mann, in den Orient aufzubrechen, wo unter dem Turban der Verlust von zwei Ohren nicht auffällt.
Meist zu Fuß bereist er weite Teile der Welt. Seine insgesamt drei leidvollen Wanderungen führen ihn quer durch Europa und bis nach Arabien, Ägypten und Abessinien.
Der Wahrheitsgehalt dieser "Perle der Reiseliteratur" (Buchjournal) mag im Detail oft fragwürdig sein, unzweifelhaft wird hier jedoch ein buntes Spektrum der europäisch-orientalischen Welt des frühen 17. Jhd entfaltet, das einzigartig erscheint. Dabei ist Lithgow alles andere als ein angenehmer Protagonist, mit dessen selbstgerechten und misanthropischen Ausführungen und Tiraden sich der Leser kaum indentifizieren mag.
Wer könnte es mit diesem widerborstigen "schottischen Odysseus auf Schusters Rappen" aufnehmen an Erlebnissen, Wagnissen und (natürlich) unverdientem Leid? Aber das Ganze wird so unterhaltsam und schlitzohrig erzählt und kommt in der Übersetzung von Georg Deggerich so frisch herüber, dass man sich wünschte, mehr moderne Reisebücher würden diesen Bildungs- und Vergnügungswert aufweisen.
Die zahlreichen bunten, ganzseitigen Illustrationen des satirischen Zeichners Papan verstärken den (lügen-)märchenhaften Charakter des Dargestellten. Sie sind schön anzuschauen, würden aber vom Stil her besser in ein Kinderbuch passen.
Vor- und Nachwort des schlauen Herausgebers Roger Willemsen sowie einige erklärende Anmerkungen runden das Bild einer gelungenen Edition dieses historischen Reisebuchs ab.
Wer z.B. viel unterwegs ist und Zeit zum stillen Zuhören hat, für den empfiehlt sich die von Willemsen höchstpersönlich vorgelesene Hörbuch-Ausgabe. Die kann man sich auf seinen MP3-Player downloaden oder klassisch als CD bestellen.
Die wundersamen Irrfahrten des William Lithgow
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