Dion Leonard, Mit Gobi durch die Wüste. Eine wahre Geschichte

Kategorie: Reisebücher des Monats ǀ

Dion Leonard ist Ultra-Marathonläufer. Normale Läufe betrachtet er eher als notwendiges Training, sein Ding sind Langstreckenläufe, je härter, desto besser, am liebsten durch unwegsames Gelände. So eine mörderische Strecke erwartet ihn in China, 155 km an vier Tagen, quer durch die Wüste Gobi, und er will ganz vorn mit dabei sein.

Mit Gobi geht`s besser durch die gleichnamige Wüste.. (c)amazon.de *

Gleich am Anfang wird er aus dem großen Pulk der Läufer von einer kleinen herrenlosen Mischlingshündin als neues Herrchen ausgewählt. Sie begleitet ihn über die gesamte Strecke eines anstrengenden Tages, trotzt der extremen Hitze und weicht fortan nicht mehr von seiner Seite. Er nennt sie Gobi. In seinem Buch erzählt Leonard, wie dieser kleine Streuner einen besseren Mensch aus ihm gemacht hat.

Es ist die Geschichte einer außergewöhnlichen Verbindung *. Wenn er an seine körperlichen und psychischen Grenzen geriet und aufgeben wollte, schenkte sie ihm neue Kraft, und manchmal kehrte er während des Rennens für sie um, wenn er spürte, dass sie Hilfe brauchte, und setzte damit seinen Sieg aufs Spiel. Obwohl er selbst nur das Nötigste an Nahrung Wasser mitgenommen hatte, teilte er diese knappen Vorräte mit dem kleinen Hund. Er beschloss, Gobi nach Europa mitzunehmen.

Das ist allerdings nicht so einfach möglich. Der Plan war, dass eine Frau aus dem Organisationsteam Gobi mit nach Ürümqi nehmen sollte. Währenddessen wollte Dion von zu Hause aus alles Nötige veranlassen, um den Hund nach Schottland zu holen. Es ging um das Wann und Wie. Dass es vor allem eine kostspielige Angelegenheit werden würde, war bald klar. Um fliegen zu dürfen, war ein tierärztliches Attest erforderlich, ausgestellt in der Stadt des Startflughafens. Es musste also jemand Gobi begleiten. In Großbritannien würden den kleinen Vierbeiner dann vier Monate Quarantäne in London erwarten. Also entstünden auch dafür etliche Kosten, und vor allem auch für Flüge bei den selbstverständlichen Besuchen. Das alles würde schätzungsweise über 6.200 Dollar betragen. Doch auch für Dions Frau gehörte Gobi schon längst zur Familie, und in dem Fall sollte Geld keine Rolle spielen.


Sie starten von Schottland aus eine Crowdfunding-Kampagne, und schon bald hatten sie das Geld beisammen, doch es wurde weiter gespendet. Medienberichte, Fernsehauftritte und die sozialen Netzwerke trugen weltweit zum Bekanntheitsgrad von Dions und Gobis Geschichte bei.


Dann erreichte Dion aus China die Nachricht, dass Gobi weggelaufen sei und vermisst werde. Und hier beginnt diese unglaubliche Geschichte erst so richtig. Leonard reiste wieder nach China, um Gobi zu suchen. Seine Verbindung vom früheren Aufenthalt und die Spendengelder seiner wachsenden Fangemeinde und nicht zuletzt das Entgegenkommen seines Arbeitgebers erlaubten ihm einen mehrwöchigen Aufenthalt in China. Viele Menschen beteiligten sich an der Suche nach dem kleinen Streuner, holten viele Erkundigungen ein und verteilten Handzettel. Es gelang Dion schließlich mit dieser Welle der Hilfsbereitschaft, die Hündin wiederzufinden.


Der Titel der englischen Originalausgabe trifft es eigentlich viel besser: „Finding Gobi“, denn Gobi gefunden zu haben und vor allem von Gobi gefunden worden zu sein, ist das beherrschende Thema des Buches, mehr noch als der Lauf durch die erbarmungslose Wüste selbst.

Es ist eine verrückte Aktion, und man mag sich fragen, warum er sich das überhaupt antut. Doch Gobi ist für Dion mehr als nur ein anhänglicher Hund. Um das zu verstehen, blendet er immer wieder Teile seiner Lebensgeschichte ein. Die kleine Hündin verkörpert für ihn das Gefühl der Zuwendung und der Liebe, die er in seiner Kindheit nie erlebt hat. Um dieses Kindheitstrauma aufzuarbeiten, hat er all das auf sich genommen.

Die Geschichte ist außerordentlich packend. Man fühlt die Strapazen mit, wenn der Körper bei einem harten Ultralauf an seine Grenzen gerät und taucht in die Gefühlswelt der Läufer ein. Und man fiebert und leidet mit Dion, der seinen Hund endlich zu Hause haben will. Vor allem aber berührt das Buch durch dieses enge, gegenseitige Band der Freundschaft zwischen Mensch und Hund.

Mit Gobi durch die Wüste *  ist kein ausgesprochenes Tierbuch. Dion Leonard verknüpft eigentlich drei Geschichten miteinander: seine eigene Kindheit, seine Erfahrungen als Ultramarathonläufer und was geschieht, als die kleine Gobi in sein Leben tritt. 

Wer nicht so sehr an Extremsport interessiert ist, sollte trotzdem durchhalten und weiterlesen, denn die Hauptperson ist Gobi, und das Buch wird im Verlauf noch richtig spannend...

Dion Leonard, Mit Gobi durch die Wüste. Eine wahre Geschichte *, HarperCollins, 304 Seiten, 12,99€

Als E-Book erhältlich für 9,99€ *