
Der Gedanke dahinter: Nicht das Ranking, sondern die Vielfalt globaler Reiseerlebnisse soll im Mittelpunkt stehen. Diese Entscheidung folgt einer allgemeinen Entwicklung im Reisejournalismus – weg von Siegerlisten, hin zu kuratierten Themenreisen, bei denen Atmosphäre, Authentizität und Nachhaltigkeit zählen. Gleichzeitig wirft sie die Frage auf, ob das neue Format wirklich Orientierung bietet – oder ob es am Ende zu beliebig wird, weil alles gleich wichtig scheint.
Ein Buch voller Impulse
Inhaltlich ist Best in Travel 2026 üppig ausgestattet: Hochwertige Fotos, kurze Einführungen, Hinweise zur besten Reisezeit und komprimierte Infos zu jedem Ziel. Das großformatige Flexcover mit Klappen wirkt edler als in früheren Jahren, das Layout klarer, die Papierqualität hochwertig. Jedes Kapitel steht für eine Kategorie – Länder, Städte, Regionen oder Erlebnisse – und gibt dem Leser einen Überblick, der mehr an ein Magazin erinnert als an einen klassischen Reiseführer.
Unter den 25 Orten finden sich sowohl bekannte Namen als auch Neuentdeckungen. Cádiz in Andalusien etwa steht stellvertretend für den Trend zum authentischen Südeuropa: historische Altstadt, lebendige Markthallen, Flamenco auf den Straßen. Sardinien erscheint als mediterraner Gegenentwurf zur überlaufenen Toskana – mit betonter Langsamkeit und regionaler Küche. Utrecht in den Niederlanden ist einer jener unspektakulär schönen Orte, die Lonely Planet gern hervorhebt: Grachten, Fahrräder, junge Gastronomie – ein Mini-Amsterdam ohne Stress. Und Réunion, das französische Übersee-Departement im Indischen Ozean, darf als exotischer Farbtupfer gelten: tropische Vegetation, aktive Vulkane, Wanderwege durchs Hochland.
Diese Beispiele zeigen, dass die Redaktion bewusst auf geografische und thematische Streuung setzt. Zwischen Europa, Afrika, Asien und dem Pazifik wird die Welt zur Collage der Möglichkeiten – kein Kontinent bleibt außen vor.
Erlebnisse statt Ziele
Die zweite Hälfte des Bandes widmet sich 25 besonderen Reiseerlebnissen. Hier zeigt sich der neue Ansatz am deutlichsten: Es geht nicht mehr nur darum, wohin man fährt, sondern was man dort tut. Dazu gehören Klassiker wie Rafting auf dem Colorado River, aber auch urbane Themen wie die Street-Art-Szene in Bristol, die als Paradebeispiel für kreative Stadtkultur genannt wird. Melbournes Food-Szene steht für die Verbindung von Genuss und Lebensstil, während das Nachtleben von Belgrad als das „neue Berlin“ beschrieben wird – ein augenzwinkernder Versuch, Trendmetropolen jenseits der üblichen Verdächtigen zu präsentieren.
Manches ist dabei durchaus originell, anderes wirkt wie ein Déjà-vu. Viele Erlebnisse folgen bekannten Reisetrends – Kulinarik, Nachhaltigkeit, Outdoor-Abenteuer – und bleiben in der Beschreibung oberflächlich. Der Platz reicht nur für ein Stimmungsbild, nicht für fundierte Hintergrundinformationen. Wer tatsächlich plant, etwa nach Réunion zu reisen oder Belgrads Clubszene zu erleben, muss weiterrecherchieren. Best in Travel liefert Impulse, keine Planungshilfe.
Stärken und Eigenheiten
Was die neue Ausgabe überzeugend leistet, ist Inspiration durch Vielfalt. Das Buch vereint unterschiedlichste Reiseformen – von Fernreisen bis Nahzielen, von Naturerlebnissen bis urbanem Lifestyle. Die visuelle Qualität ist hervorragend: großformatige Bilder, durchgehend Farbdruck, moderne Typografie. Damit eignet sich der Band ideal zum Blättern, Träumen und Ideensammeln.
Positiv fällt auch der Community-Bezug auf. Lonely Planet hebt hervor, dass viele Vorschläge aus der weltweiten Leserschaft stammen. Das schafft Nähe und Authentizität – und unterscheidet den Band von algorithmisch erzeugten Online-Rankings. Wer sich für neue Entwicklungen im Tourismus interessiert, findet hier einen Spiegel der aktuellen Reisekultur: bewusster, individueller, aber immer noch mit Sinn für große Bilder.
Kritische Punkte
Gerade die Abkehr vom Ranking, die als Fortschritt verkauft wird, hat eine Kehrseite: Die Auswahl wirkt etwas orientierungslos. Alles ist gleich wichtig – und damit irgendwie austauschbar. Früher konnte man über Platz 1 debattieren, heute bleibt nur ein bunter Reigen von Empfehlungen, die wenig Verbindung zueinander haben. Für Leser, die wissen wollen, wohin es sich 2026 besonders lohnt, ist das wenig hilfreich.
Hinzu kommt der begrenzte Informationsgehalt: Die Texte sind kurz, manchmal kaum mehr als Appetithappen. Für fundierte Reisevorbereitung oder tiefergehende kulturelle Einordnung reicht das nicht. Best in Travel ist ein Schaufenster, kein Werkzeugkasten.
Ein weiterer Punkt betrifft die Kommerzialisierung. Lonely Planet selbst betreibt zwar keine eigene Buchungsplattform, verweist aber über Partnerangebote auf externe Anbieter. Das ist legitim, wirkt aber im Kontext eines redaktionellen Produkts unangenehm werblich. Ebenso fällt auf, dass wirtschaftlich attraktive Destinationen – etwa Australien, Thailand oder Kalifornien – regelmäßig vertreten sind, während strukturschwächere oder politisch heikle Regionen kaum auftauchen. Der Idealismus früherer Lonely-Planet-Jahre scheint zugunsten marktfähigerer Themen etwas verblasst.
Ein Spiegel des Reisejahres – und seiner Widersprüche
So ist Best in Travel 2026 am Ende weniger ein klassischer Reiseführer als ein Stimmungsbarometer. Es zeigt, wohin sich der globale Tourismus bewegt: zu individuellen Erlebnissen, zu Regionalität und Nachhaltigkeit – aber zugleich bleibt er Teil des großen touristischen Mainstreams.
Das Buch erfüllt seine Aufgabe, Sehnsüchte zu wecken, mit Bravour. Es bietet Stoff zum Schmökern, Nachdenken und Diskutieren, etwa wenn Belgrad als neues Trendziel Europas auftaucht oder Sardinien als Slow-Travel-Paradies präsentiert wird. Doch wer echte Orientierung und Tiefgang sucht, wird kaum fündig. Best in Travel 2026 ist damit ein schönes, inspirierendes Buch für Reisende, die gern träumen – aber keines, das einen guten Reiseführer ersetzt. Doch das ist vermutlich auch nicht dessen eigentliche Funktion.
Lonely Planet Best in Travel 2026: Die 50 besten Ziele & Reiseerlebnisse für das ganze Jahr, Taschenbuch, 296 Seiten, 16,95€