Lonely Planet „Queer Travel Guide – 50 bunte LGBTQ+ Reisen mit Tipps und Interviews aus der Community“

| von if

Mit dem Queer Travel Guide veröffentlicht Lonely Planet ein Reisebuch, das sich in mehrfacher Hinsicht von klassischen Reiseführern abhebt. Es ist nicht nur ein Kompendium von Reisezielen, sondern ein vielstimmiges Zeugnis queerer Lebensrealitäten weltweit. Statt oberflächlicher Listen à la „Top 10 Gay Beaches“ liefern Autorin Alicia Kennedy und zahlreiche Mitwirkende aus der LGBTQ+-Community persönliche Porträts, Insiderwissen und politische Kontexte. Das Ergebnis: ein vielschichtiger Reisebegleiter für eine vielfältige Leserschaft.

Struktureller Aufbau: Klar gegliedert und dennoch erzählend

Der Guide gliedert sich in drei große Teile: zunächst eine einordnende Einleitung mit einem engagierten Vorwort der Historikerin Paula Akpan und einem einfühlsamen Erfahrungsbericht der Autorin selbst. Es folgen 20 ausführlich dargestellte Destinationen – von Amsterdam über Bangkok bis São Paulo – und schließlich eine thematisch geordnete „LGBTQ+-Reise-Hitliste“ mit Kategorien wie „Abenteuer für Adrenalinjunkies“, „Relaxte Reiseziele“ oder „Wunderbare Wanderwege“.

Besonders hervorzuheben ist, dass die beschriebenen Orte nicht nur touristisch attraktiv sind, sondern auf ihre queere Alltagstauglichkeit hin überprüft werden: Gibt es sichere Bars abseits der Pride-Wochen? Wo treffen sich queere Locals wirklich – jenseits der Regenbogenmarketing-Kulisse?

Authentizität statt Regenbogenkitsch

Was den Guide auszeichnet, ist die konsequente Perspektive von innen. In jeder Stadt stellen sich ein oder mehrere queere Menschen als lokale Expert:innen vor – ob Dragqueen Pangina Heals in Bangkok, das Bloggerpaar Daan & Karl in Amsterdam oder Comedienne Aurelia St Clair in Melbourne. Ihre Berichte sind keine PR-Texte, sondern intime Erzählungen, die den Leser mitnehmen – in Viertel, Bars, Parks und Wohnzimmer, in denen queeres Leben wirklich stattfindet.

Die Texte sind stets persönlich, manchmal auch politisch. Es geht um Sichtbarkeit, um Sicherheit, um die Freude am Reisen – aber auch um Diskriminierung, ungleiche Rechte und kulturelle Unterschiede innerhalb der Community. Besonders der einleitende Essay über die Schwierigkeit, queere Reiseinformationen zu finden, benennt ein strukturelles Problem: Viele Plattformen blenden queere Perspektiven aus oder reduzieren sie auf Events und Party.

Breites Spektrum – auch jenseits des Mainstreams

Erfreulich ist der Versuch, möglichst viele Stimmen und Facetten queeren Reisens einzubeziehen. Neben den „klassischen“ queeren Hotspots wie London, Madrid oder Portland finden sich auch ungewöhnlichere Ziele wie Anchorage, Valletta oder Richmond. Und auch innerhalb der Community wird differenziert: Es kommen nicht nur weiße, männliche, cisgeschlechtliche Stimmen zu Wort – auch BIPoC, nicht-binäre, asexuelle und ältere queere Menschen erhalten Raum.

Der Themenblock zur „LGBTQ+-Hitliste“ ergänzt den Stadtteilfokus um thematische Interessen – von abenteuerlustigen Outdoor-Aktivitäten bis hin zu familienfreundlichen Urlaubszielen. Dabei bleibt der Ton immer respektvoll, informativ und inklusiv – kein leichter Spagat, der hier jedoch durchweg gelingt.

Praktische Informationen und politischer Anspruch

Abgerundet wird das Buch durch nützliche Hinweise: Ein internationaler Pride-Kalender, Adresslisten von LGBTQ+-freundlichen Reisebüros, Sicherheitstipps und juristische Hinweise für queere Reisende machen den Band auch zum praktischen Nachschlagewerk. Besonders in Regionen, in denen Homosexualität kriminalisiert wird, wird auf Vorsichtsmaßnahmen und rechtliche Hintergründe hingewiesen – ohne zu moralisieren.

Der politische Anspruch des Buches bleibt subtil, aber deutlich: Es geht um Repräsentation, um Teilhabe und um das Recht, die Welt genauso selbstverständlich zu bereisen wie alle anderen.

Eine neue Generation von Reisebuch

Der Queer Travel Guide ist kein bunter Gag für den Pride-Monat, sondern ein ernstzunehmender, hochwertig gestalteter Reiseband, der queere Perspektiven ernst nimmt. Er ist gleichermaßen Lesebuch, Informationsquelle und Inspirationsfundus – für queere Traveller, ihre Freunde, ihre Familien und alle, die mit offenen Augen reisen.

Für reisebuch.de eine klare Empfehlung – nicht als Nischenprodukt, sondern als exemplarisches Beispiel für eine moderne, inklusive Reiseliteratur.

LONELY PLANET Bildband Queer Travel Guide: 50 bunte LGBTQ+ Reisen mit Tipps und Interviews aus der Community Gebundene Ausgabe, 240 Seiten, 26,95€

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