Kleiner Reiseführer Koblenz

Ehrenbreitstein ©falco by Pixabay.com
Die Festung Ehrenbreitstein blickt auf eine lange Geschichte zurück. © falco by Pixabay.com

Das Highlight

Eine Römerstadt am Rhein, aber kein Relikt wie Trier und kein Ballungsraum wie Köln. Die einzigartige Lage an den Confluentes von Mosel und Rhein hat Koblenz den anderen immerhin voraus. Für Reisende, die drei Stunden Zeit übrig haben und nichts am Ort erledigen müssen, weder im Bundesarchiv noch bei der Debeka, gilt bis auf weiteres meine Empfehlung: So stracks wie möglich zum Deutschen Eck, Einstieg in die dortige Seilbahn. Die Errichtung der Kabinenbahn auf das hohe Ostufer des Rheins galt als besondere Attraktion der Bundesgartenschau 2011. Die Besichtigung einer Festungsanlage mag historisch Desinteressierte langweilen oder Pazifisten befremden, aber dem Ehrenbreitstein am Rhein bleibt trotz alledem seine grandiose Aussicht. Erhaltung, Nutzung und Begrünung des Komplexes sind aller Ehren wert.

Koblenz Auguste Viktoria © Kiwi by Pixabay.com
Das Denkmal der Kaiserin Auguste Viktoria in den Rheinanlagen. Die Gemahlin Kaiser Wilhelms II. hat sich lange in Koblenz aufgehalten und besuchte die Stadt bis zu ihrem Tod immer wieder. © Kiwi by Pixabay.com

Zu Fuß vom Rhein zur Mosel

Zwischen Ostern und Spätherbst ist das Angebot der Stadt an alle Flanierenden eindrucksvoll. Vom Hauptbahnhof als Ausgangspunkt ergibt sich der Weg zum Rhein fast von selbst. Er führt einen Kilometer in Richtung Osten, überquert zwei breite Durchgangsstraßen und endet an den Rheinanlagen. Die Promenade ist großzügig begrünt und mehrstreifig angelegt. Die Beziehungen zwischen Fußgängern und Radfahrern wirken werktags am Vormittag noch ziemlich friedlich und tolerant. Auf dem Strom zeigt sich der gewohnt emsige Schiffsverkehr, gegenüber steigen bebaute Hanglagen empor, unweit rauscht eine belebte Verkehrsader. Hinweistafeln verkünden uns das Alter der Grünanlage, wir sind hier in Kaiserin Augustas Zeiten. Später verjüngt sich die Benennung der Rad- und Spaziermeile dann noch bis zu Konrad Adenauer. Im 20. Jahrhundert lebten manche Deutsche in vier verschiedenen Straßen und waren dabei nicht einmal umgezogen.

Unweit der zentralen Veranstaltungshalle, einem Klotz im Stil der Siebziger Jahre, unterqueren wir die Rheinbrücke mit dem weiter angeschwollenen Lärmpegel der B 49, und stoßen auf ein besonderes Gastro-Gehege: das Weindorf. In diesen Messehallen wollten die deutschen Winzer einst der gesamten Republik die Spitzenleistungen ihrer Produktion präsentieren. Man errichtete dazu eine Reihe von Fachwerkhäuschen in landschaftlicher Bauweise. Bei beständiger Popularität feiert der Betrieb demnächst seinen 100. Geburtstag.

Beim Spazieren nordwärts passiert man eine Skulptur aus rötlichem Sandstein, deren lateinische Inschrift schon seit geraumer Zeit verwittert. Auch die symbolische Aussage des Kunstwerks erschließt sich den Betrachtern eher schwer. Hier soll das Andenken des Publizisten Joseph Görres der Nachwelt erhalten werden. Aus den vielen, die Napoleon mit der Schreibfeder in die Schranken weisen wollten, ragte Görres hervor, denn sein Zeitungstitel „Der Rheinische Merkur“ überlebte sogar noch Konrad Adenauers Zeiten.

Koblenz Schloss © analogicus by Pixabay.com
Das Kurfürstliche Schloss spiegelt den Glanz vergangener Zeiten wider. © analogicus by Pixabay.com

Klassizistisch und sehr raumgreifend präsentiert sich nun das ehemalige Kurfürstliche Schloss, schmucklos bis auf ein Giebelrelief. Bei seiner großformatigen Nüchternheit überrascht es nicht, dass der Komplex heute von mehreren Bundesbehörden genutzt wird. Der Zweite Weltkrieg hat vom ursprünglichen Schloss kaum mehr als die Grundmauern übrig gelassen, die Buga 2011 hat die Außenanlagen wiederhergestellt und zusätzlich der Gastronomie einige Entfaltung gewährt. Der Name „Grand Café“ deutet bei den Getränken eine Alternative zum Weindorf an. Hausherr im Schloss wurde 1850 ein Mann, der sich in weiten Teilen der Berliner Bevölkerung als „Kartätschen-Prinz“ unbeliebt gemacht hatte. Seine Aufgabe als Militärgouverneur der Provinzen Rheinland und Westfalen dürfte erholsamer gewesen sein als der Artilleriebeschuss von Aufrührern.

Nach dem Karrieresprung zum Deutschen Kaiser 1871 blieb „Wilhelm der Große“, wie er nach seinem Ableben genannt werden durfte, in Koblenz von Bedeutung. Die Gartenanlagen des Schlossgebäudes erneuerte damals ein Künstler, der, wie später zahllose Bundesbehörden, von Bonn nach Berlin umzog: Peter Joseph Lennée. Die Buga 2011 hat in Koblenz einige seiner Blumen, Beete und Sträucher wieder aufgehübscht oder neu erstellt.

Das Regierungsgebäude der Rheinprovinz wirkt beinahe halb so groß wie der Berliner Dom, auf das kolossale Mauerwerk klatschte man dann noch die gewünschten Stilelemente, irgendwie byzantinisch und ein bisschen gotisch, sowas macht Eindruck. In unsere Zeit emporgewachsen ist hier mittlerweile eine prachtvolle Platanenallee mit einem Laubdach, das selbst kräftigen Schauern Paroli bieten kann.

Die neue Stadtmitte von Koblenz

Zwei Jahre nach der Buga wurde in Koblenz neu festgelegt, wo die Stadtmitte zu finden ist. Der leberwurstgraue „Zentralplatz“ erhielt den uralt-römischen Lorbeerkranz und definierte sich neu als Forum Confluentes. Die Shopping-Mall-Bebauung für den Einzelhandel mit Weltmarken erhielt ihren Gegenpol durch ein öffentliches Gebäude vom Allerfeinsten. Dessen dreieckige Gestalt erinnert an den Zusammenfluss von Rhenus und Mosella, die Keimzelle der Stadt. Touri-Info , städtische Mediathek und die Bestände des Mittelrhein-Museum sind in strahlendem Weißgrau postmodern umhüllt, der Aufzug über fünf Stockwerke führt auf eine Plattform mit Aussicht über die gesamte Innenstadt. Das Romanticum ermöglicht eine virtuelle Schifffahrt auf dem Mittelrhein mit siebzig Haltepunkten. Irgendwo zwischen den interaktiven Hotspots kämmt sich auch die schönste Jungfrau ihr goldenes Haar.

Löhrstraße

Menschen aus den Gemeinden der Eifel und des Hunsrücks brauchen von Zeit zu Zeit das Erlebnis einer City. Die Einkaufsmeile wimmelt werktags, sie braust und tobt samstags. In den Haupteinkaufszeiten herrscht dann ein Andrang, der anderthalb Meter Abstand zwischen Passanten kaum zulässt. Ansonsten gilt: Fuzo bleibt Fuzo, beinahe überall in Deutschland. Hier wie dort dominieren nach den Zerstörungen im Krieg nüchterne Zweckbauten die Innenstädte, in deren Einkaufsstraßen sich der übliche Mix der Filialen und Shopping Malls (in Koblenz: Löhr-Center) verbreitet hat. Nur an ihrem Nordende, wo sich die Löhrstraße allmählich verengt, hat sich mit den Erkerhäusern ein Gebäude-Ensemble erhalten, das eine Ahnung vom früheren Stadtbild vermittelt. Die Koblenzer Altstadt blieb zumindest im Grundriss enger und krummer Gassen erhalten. Am historischen Rathaus empfiehlt sich der Schängelbrunnen als Treffpunkt. Hier können Einheimische zunächst einmal jedem Besucher erklären, wer oder was ein Schängel ist. Wer innerhalb von drei Minuten dann von einem blitzartigen Wasserstrahl durchnässt wird, wird den Koblenzer Schängel auch nicht mehr vergessen. Zwischen Rathaus und Moselufer, rund um den Marktplatz Am Plan, zeigt Koblenz seine höchste Dichte an Kneipen, Cafés und Restaurants. Plätze im Freien sind schon am Vormittag heiß umkämpft.

Vor langer Zeit warb das städtische Fremdenverkehrsbüro für Koblenz mit dem knackigen Slogan „KO ist okay“. Dem Knockout durch massives Gewimmel von Verbrauchern lässt sich in KO immerhin an einer Stelle entkommen. Wir glauben es kaum, aber der Florinsmarkt war einst die Stadtmitte von Koblenz. Heute verwelken dort zwei historische Bauten hinter Sicherungszäunen und warten auf ihre Erweckung. Die römisch-katholische Florinskirche steht allen Interessenten offen. Es waltet eine heilige Stille, wenn nicht gerade der Flaschencontainer am Rande des Parkplatzes befüllt wird. Auch einige Fußgänger beleben den Ort, denn von hier aus führt ein Gasse hinab zur Mosel.

Forum Confluentes © Mikeev by Pixabay.com
Bildung, Kunst und Kultur, alles unter einem Dach im Forum Confluentes © Mikeev by Pixabay.com

Das Deutsche Eck

Überall in diesem unseren Lande regen sich Bestrebungen, jenen Mann zu würdigen, der mit 29 jüngster Landtagsabgeordneter und mit 39 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz wurde. Am Südufer der Mosel, unweit ihrer Einmündung in den Rhein, formen vier Hinkelsteine ein Monument, das die mehrspurige Durchgangsstraße zum Peter-Altmeier-Ufer aufwertet. Helmut Kohl, der einstige Junge Wilde der pfälzischen CDU, wird wohl später einmal seinen Ehrenplatz zwischen seinem Großvater Adenauer und seinem Vorgänger Altmeier finden. Busparkplätze, Souvenirshops , Bratwurstbetriebe und eine anschwellende Strömung fußläufiger Besucher verkünden die Nähe zu der bekanntesten Ecke in KO. Sie wird eine „deutsche“ genannt, was sich aber nicht auf eine Standardsituation in einem Fußball-Länderspiel bezieht, sondern auf den Deutschen Orden. Hierbei wiederum geht es nicht um Verdienste wider den tierischen Ernst oder für die Bundesrepublik. Der Deutsche Orden ist eine karitative Vereinigung mit ihrem Hauptsitz in Österreich. Im Mittelalter verfügten die damals klösterlich wohnenden Ritter über beträchtlichen Streubesitz an Immobilien in ganz Europa. Vor allem Burgen, aber auch Spitäler wie am Zusammenfluss von Mosel und Rhein. Das erhalten gebliebene Deutschherrenhaus ist heute eine der Zweigstellen des Museum Ludwig. Wer bei Regen nicht unter die Platanen möchte, kann hier die Sammlungen zur französischen Malerei der Moderne betrachten. Ein umhegter Bezirk in den Grünanlagen am Haus wahrt mitten im Rummel um das Deutsche Eck einen Restbestand von klösterlich-meditativer Ruhe. 

Deutsches Eck© NatureImages by Pixabay.com
Das Deutsche Eck - Seit mehr als 1000 Jahren trägt das Dreieck am Zusammenfluss von Rhein und Mosel diesen Namen. © NatureImages by Pixabay.com

In unmittelbarer Nähe zur tagsüber nonstop über den Rhein gondelnden Seilbahn reitet er nun wieder für Deutschland: Kaiser Wihelm der Erste. Zwischen 1945 und 1993 war er vom Parcours am Deutschen Eck verschwunden, der Legende nach machte amerikanische Artillerie dem Reiterstandbild im letzten Frühjahr des Zweiten Weltkriegs endgültig den Garaus. Aus zahlreichen deutschen Städten und Gemeinden war sein Abbild schon vorher ohne feindliches Feuer verschwunden, als Rohmaterial für kriegswichtige Zwecke wurden seine Statuen des öfteren zusammengeschmolzen. Am Kyffhäuser aber blieb er auf seinem Ross sitzen und überdauerte nach zwei anderen Republiken auch noch die DDR. An der Porta Westfalica blieb er unter einem gewaltigen Baldachin stehen, dort hebt er weiterhin den rechten Arm ostwärts in Richtung Weser. An den confluentes von Rhein und Mosel blieb zunächst nur sein leerer Sockel. Das preußisch-rheinländische Provinzialdenkmal widmete der erste Bundespräsident zum Mahnmal für die deutsche Einheit um, mit der entsprechenden Flagge auf dem Sockel. Anfang der Neunziger Jahre wollte die Landesregierung von Rheinland-Pfalz den reitenden Kaiser Wilhelm nicht einmal geschenkt wiederhaben. Nachdem die neuen Bundesländer gerade zu Straßen, Plätzen und Plastiken „Goodbye Lenin“ gesagt hatten, erschien die Wiedereinsetzung des kaiserlichen Reiters ziemlich unangebracht. Die drei Millionen DM aus dem Vermögen eines lokalen Zeitungsverlegers nahm die Stadt Koblenz nach heftigem Artilleriefeuer aus allen möglichen Medien schließlich doch noch an, das Land Rheinland-Pfalz verzichtete auf seine Rechte am Grundstück. Seit dem denkwürdigen 2. September 1993 dürfen an Mosel und Rhein wieder 69 Tonnen Stahl reiten, reiten, reiten. Die Reisenden und Knipsenden aller Länder vereinigen sich dort gern unter dem linken Vorderhuf des kaiserlich- majestätischen Paradepferdes, schauen durch das oder in das Objektiv und sagen dabei „cheeeeese“, so glücklich wie nur selten im Leben.

 

Georg Balhuber