Alles, was man über Pubs in England wissen muss (II): Arten von Pubs

Lion Inn
Der Tresen im Lion Inn, einem historischen Pub in Blakely Ridge. ©Kreuzschnabel-Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, by Wikimedia Commons

“Last orders!“ - die Sperrstunde

Die Sperrstunde in englischen Pubs war eine gesetzliche Regelung, die es Pubs verbot, Alkohol nach einer bestimmten Uhrzeit auszuschenken. In England und Wales wurde die Sperrstunde 1915 während des Ersten Weltkriegs eingeführt, um den Alkoholkonsum zu reduzieren und die Arbeiterproduktivität zu steigern. Diese Maßnahme war anscheinend erfolgreich und wurde nach dem Krieg beibehalten und somit zu einer festen Institution der britischen Pub-Kultur.

Das folgende Ritual lief mehr oder weniger variantenreich jeden Abend in allen Pubs ab. Gegen 22:45 Uhr läutete der Wirt am Tresen eine laute Glocke, und es konnten nach dem unüberhörbaren Ausruf “Last Orders!“ noch schnell die letzte Bestellungen getätigt werden. Die Gäste durften sich aber weiter im Pub aufhalten, bis sie ihr Glas ausgetrunken hatten, auch wenn der Druck vom Wirt ab 23.00 Uhr deutlich erhöht wurde: “Drink up, please!“
 Die Sperrstunde wurde in den folgenden Jahrzehnten mehrfach geändert, 1954 wurde sie von 23:00 Uhr auf 23:30 Uhr „verlängert“. 1988 wurde die Sperrstunde in England und Wales auf 23:00 Uhr zurückgesetzt und in 2005 in England und Wales schließlich vollständig abgeschafft.

Die Aufhebung der Sperrstunde war eine umstrittene Entscheidung. Befürworter argumentierten, dass sie den Pubs mehr Flexibilität (und Umsatz) sowie den Kunden mehr Freiheit bieten würde. Gegner hielten dagegen, dass sie zu mehr Alkoholkonsum („Binge-Drinking“) und zu Problemen wie Gewalt und Vandalismus führen würde. Es gibt in der Tat wissenschaftlich fundierte Hinweise darauf, dass die Aufhebung zu einer Zunahme des Alkoholkonsums von 3-4 % geführt hat.

Nach gesetzlicher Regelung dürfen Pubs montags bis samstags zwischen 11 Uhr und 23.00 Uhr Alkohol ausschenken. Während die Kneipen in den großen Städten 12 Stunden ohne Unterbrechung geöffnet haben, machen Gasthäuser auf dem Lande zwischendrin auch mal zu. Sonntags haben Pubs maximal zwischen 12:00 und 22:30 Uhr geöffnet.

Barley Mow
The Barley Mow, ein "Free House" in Bath. ©EKoelzer-Reisebuch.de
St. Austell
Ein von der Brauerei St. Austell betriebener Pub in Padstow. ©EKoelzer-Reisebuch.de

Arten von Pubs

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Pubs, die „gebundenen“ und die „freien“. Seit dem 20. Jahrhundert befinden sich die meisten Kneipen im Besitz von Brauereien oder werden von diesen betrieben, so dass nur Biersorten der jeweiligen Brauerei im Angebot sind. Im Kontrast dazu entwickelte sich das Konzept des „freien Hauses“ , eines Pubs, der nicht an eine bestimmte Brauerei gebunden ist, sondern eine Auswahl an hochwertigen (und auch teureren) Fassbieren zum Ausschank bringt. Solche „Free Houses“ erkennt man an der stolzen Aufschrift z.B. auf dem Pub-Schild.

Es gibt unterhalb dieser beiden Kategorien viele verschiedene Arten von Pubs in England, jede mit ihrem eigenen Charme und ihrer eigenen Zielgruppe. Hier sind einige der beliebtesten:

Traditional Pubs sind die klassischen Pubs, die man sich vorstellt, wenn man an England denkt und wie sie oben beschrieben sind. Sie sind vorwiegend in Gebäuden mit Geschichte untergebracht und bieten eine gemütliche Atmosphäre. In traditionellen Pubs erwarten den Besucher typisch englische Gerichte und Biersorten.

City Pubs sind in großen Städten wie London und Manchester, Birmingham etc. zu finden. Sie sind in der Regel größer und lebhafter und auch moderner als traditionelle Pubs und bieten eine breitere Auswahl an Gerichten, Getränken und Unterhaltungsmöglichkeiten.

Country Pubs findet man in ländlichen Gegenden in Dörfern oder an Landstraßen. Sie sind meist kleiner und gemütlicher als City Pubs und bieten eine entspannte Atmosphäre. Diese Country Pubs sind beliebte Treffpunkte für Einheimische und bieten Besuchern/Touristen eine gute Möglichkeit, die Kultur der Gegend kennenzulernen und mit locals ins Gespräch zu kommen.

Theme Pubs

Themenpubs, auch Themenbars genannt, sind Pubs oder Bars mit einem bestimmten Thema oder Ambiente. Diese können auf einer Vielzahl von Dingen basieren, wie z. B. einer bestimmten Musikrichtung, einer historischen Epoche, einer fiktiven Welt oder sogar einer bestimmten Speise oder einem bestimmten Getränk.

Themenpubs sind in England beliebt, weil sie etwas anderes als die traditionelle Pub-Erfahrung bieten. Sie können unterhaltsame und anregende Orte sein, um etwas zu trinken oder zu essen, und sie bieten oft ein sozial integrativeres und interaktiveres Erlebnis als ein normales Pub.

Sherlock Holmes Pub
Im Sherlock-Holmes-Pub in London. ©Maschinenjunge Lizenz: GFDL, cc-by 3.0 by Wikimedia Commons

Beispiele für Themenpubs in England

Der Sherlock-Holmes-Pub in London ist im viktorianischen Stil gestaltet und voller Anspielungen auf die vielen Bücher und Filme, in denen die Figur Sherlock-Holmes mitgewirkt hat.
Im Obergeschoss findet sich eine Dauerausstellung zum berühmtesten Detektiv Englands.

Die Harry-Potter-Bar The Cauldron in London ist so hergerichtet, dass sie wie der „Leaky Cauldron“ aus Harry Potter aussieht, und bietet eine Vielzahl von Harry-Potter-Themengetränken und -Snacks.

Der Oktoberfest-Pub in Londons Fulham Road ist wie eine traditionelle bayerische Bierhalle gestaltet, und es bietet eine Vielzahl deutscher (bayerischer) Biere und natürlich Brezeln.

Eagle and Child
The Eagle and Child war das Stammlokal von J.R.R. Tolkien, der hier an seinem Roman "Der Herr der Ringe" schrieb. ©iStock-peterspiro

Live-Music Pubs

Live-Music-Pubs sind seit Jahrhunderten ein Eckpfeiler der populären britischen Kultur. Diese Lokale bieten Musikern eine ideal Plattform in entspannter, wohlwollender Atmosphäre, auf der sie ihr Talent oft erstmals öffentlich unter Beweis stellen können. England verfügt über eine lebendige Live-Musikszene mit Pubs, in denen ein breites Spektrum an Genres vertreten ist, von traditionellem Folk und Jazz bis hin zu Rock, Punk und Indie. Viele berühmte Bands von den Beatles über The Police bis Oasis und unzählige mehr starteten ihre Karriere in Pubs oder angeschlossenen Clubs.

Sing along Pubs (bzw. Karaoke Bars)

In Sing-Along-Pubs sind die Gäste zu bestimmten Zeiten eingeladen, sich dem Gesang der gespielten Musik anzuschließen. Früher geschah dies zu Livemusik, heute bieten DJs eine breite Auswahl an Musik, von klassischen Hits bis hin zu aktuellen Chartstürmern. Sing-Along-Pubs sind somit zeitweilige Karaoke-Bars, sie erweisen sich nach wie vor als sehr populär und stärken das Gemeinschaftsgefühl.

Sport Pubs sind spezialisierte Theme Pubs, die sich auf die beliebtesten Sportarten konzentrieren. Sie sind in der Regel mit großen Fernsehern ausgestattet, auf denen Sportereignisse - oft aus dem Pay TV - live gezeigt werden. Sport Pubs sind ein beliebter Ort, um Fußballspiele, Rugby, Pferderennen oder Cricket Matches etc. zu verfolgen, darauf zu wetten und generell um mit Freunden Sport zu schauen und dabei maximalen Spaß zu haben.

Pub Aktivitäten

Darts

Darts hat eine lange Geschichte, die wenig überraschend beim Militär begann. Bereits die Römer und später die Franzosen und Engländer verwendeten kurze Wurfpfeile als Waffe auf dem Schlachtfeld. Die ersten Dartsspiele wurden wahrscheinlich in England im 16. Jahrhundert entwickelt. Darts, so wie wir das Spiel heute kennen, entstand wohl aber erst im 19. Jahrhundert in Amerika. Als Dartziele dienten einfache Holzscheiben mit Zahlen darauf. Von Anfang an war Darts ein Freizeitvergnügen zum Bier im Pub, das es für die meisten auch geblieben ist. Erste Wettkämpfe fanden zwischen nahegelegenen Kneipen statt. Ein offizielles Regelwerk existiert seit den 1930ern. Es gibt mittlerweile viele verschiedene Arten von Dartsspielen, darunter die Klassiker „501“, „301“ und „Cricket“. Seit den 1950er Jahren wurde Darts in England zu einem populären Fernsehsport. Heute ist Darts immer noch ein beliebter Zeitvertreib in englischen Pubs, wo man an einem oder mehreren elektronische Darts-Automaten gegeneinander spielen kann. Einige Pubs halten weiterhin regelmäßig Darts-Turniere ab, an denen auch Gäste teilnehmen können.

Billard, Tischfußball, Flipper- und Spielautomaten

Das aus Frankreich importierte Billardspiel fand früh in den Pubs seine ideale Heimstätte. In England gab es angeblich bereits im 17. Jahrhundert Billardclubs, die regelmäßig in Wirtshäusern spielten. Heute ist Pool Billard dort die mit Abstand beliebteste Variante, auch wenn Billardtische immer seltener zu finden sind. Tischfußball und Flipperautomaten sind weitere Klassiker der englischen Unterhaltungskultur in Pubs, die seit dem frühen 20. Jhd. dort Einzug hielten und immer weiter entwickelt wurden. Die Flipperautomaten sind oft mit nervigen Licht- und Soundeffekten ausgestattet, die mit dem Spielgeschehen interagieren – ähnlich wie die unsäglichen Slot Machines (Fruit Machines), die Spielautomaten, von denen es aktuell im Schnitt einen in den verbliebenen 40.000 in englischen Pubs gibt. Wer sich davon gestört fühlt, wechselt am besten den Raum – oder den Pub...

Dart
Großbritannien ist das Mutterland des Darts. ©Elizaveta Maximova-Pixabay.com
Billard
Billard gibt es in vielen Varianten, z.B. Snooker, Pool-Billard, Karambolage, Russisches und Englisches Billard. ©12019-Pixabay.com

Pub Quiz

Ein Pubquiz ist ein Quiz-Spiel in einer Kneipe, bei dem verschiedene Gruppen gegeneinander antreten. Es ist eine beliebte Freizeitaktivität in Großbritannien und Irland.
Pubquizze finden in der Regel einmal pro Woche statt, meist am Dienstag oder Donnerstag. Die Teilnahme ist überwiegend kostenlos, aber einige Pubs verlangen einen kleinen Eintrittspreis.
Um an einem Pubquiz teilzunehmen, bildet man ein Team aus zwei bis sechs Personen. Die Fragen werden vom Quizmaster gestellt, der ein freiwilliger Helfer des Pubs ist. Die Fragen sind in verschiedene Kategorien unterteilt, wie z. B. Geschichte, Geografie, Popkultur, Sport oder aktuelle Ereignisse.
Die Antworten werden traditionell auf einem Zettel notiert. Die Teams mit den meisten richtigen Antworten gewinnen den Preis, der vorzugsweise aus einer Runde Getränke für das Team besteht.

Pub Crawl

Der berühmt-berüchtigte Pub Crawl in England ist eine Kneipentour, bei der an einem Abend mehrere Pubs in einer bestimmten Gegend, oft einem Stadtteil, besucht werden, die fußläufig erreichbar sind. „Crawl“ (Kriechen) bezieht sich dabei ironisch auf die Art der Fortbewegung der Teilnehmer im weiteren Verlauf des Abends... .
Bei der buchbaren kommerziellen Variante wird die Tour in der Regel von einem lokalen Reiseleiter geführt, der die Gruppe von Pub zu Pub begleitet.

Fox and Hounds
Das Fox and Hounds in Lyndhurst ist bekannt für seine Quiz-Abende. ©EKoelzer-Reisebuch.de

Frauen und Pubs

Die Geschichte von Frauen in Pubs in England ist komplex und exemplarisch für die zögerliche Emanzipation von Frauen in der Gesellschaft bis ins späte 20. Jahrhundert. In früheren Zeiten waren Pubs Männerdomänen, und Frauen hatten oft gar keinen Zutritt. Dies war teilweise auf die bekannten traditionellen Geschlechterrollen zurückzuführen, die Frauen als Hausfrauen und Mütter sahen, die sich nicht in öffentlichen Räumen, dem neben „der Arbeit“ wichtigsten Teil der „Männerwelt“, aufhalten sollten. Darüber hinaus waren Pubs Orte des Alkoholkonsums und manchmal auch der Gewalt, was sie für Frauen nicht nur aus Männersicht gefährlich machte. Dies leitete sich u.a. vom starken Einfluss der Anglikanischen Kirche ab, die unterstellte, dass Frauen nicht in der Lage seien, Alkoholkonsum zu kontrollieren und daher leicht zu Sünden und Vergehen verleitet werden könnten.

Es gab jedoch immer Ausnahmen von dieser Regel. In einigen Pubs wurden Frauen geduldet, und in anderen wurden sie sogar willkommen geheißen. In den meisten Fällen waren Frauen jedoch auf spezielle Bereiche von Pubs beschränkt, wie z. B. auf die "Ladies Lounge", oder sie mussten in der public oder saloon bar an einem Tisch sitzen und warten, bis ihnen ihr Begleiter ein Getränk brachte.

In den 1960er Jahren begann sich die Situation für Frauen in Pubs zu ändern. Die Frauenrechtebewegung kämpfte massiv für die Gleichberechtigung der Geschlechter, was in Folge zu Veränderungen in der Pub-Kultur führte. 1962 wurde der Licensing Act verabschiedet, welcher Frauen erlaubte, sich in allen Pubs in England und Wales aufzuhalten, (Alkohol) zu trinken und Essen zu bestellen.

Dieses Gesetz war ein wichtiger Meilenstein für die Emanzipation der Frauen in Großbritannien. Es ermöglichte ihnen, an einem wichtigen Teil der britischen Kultur teilzunehmen und trug generell dazu bei, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern.

In den folgenden Jahren wurden weitere Fortschritte erzielt. 1975 wurde das Sex Discrimination Act verabschiedet, das Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in allen Bereichen des öffentlichen Lebens untersagte. Dies führte z.B. dazu, dass Frauen in Pubs nicht mehr auf bestimmte Bereiche beschränkt waren.

Heute sind Frauen in Pubs selbstverständlich gleichberechtigt mit Männern und schon lange ein aktiver Teil der lebendigen englischen Pub-Kultur.

Gay Pubs

Bestimmte Pubs, sogenannte Molly-Houses, vor allem in abgelegenen Vierteln größerer Städte, waren schon vor Jahrhunderten mehr oder weniger geheime Treffpunkte von homosexuellen Männern. Diskretion war für die Besucher eine elementare Voraussetzung, weshalb man sich vor allem in separaten Hinterzimmern traf. Die Gefahr, „aufzufliegen“, gedemütigt und sozial geächtet und verurteilt zu werden, war allgegenwärtig in einem Land, das bis 1967 Homosexualität in als gravierend empfundenen Fällen unter mehrjährige Gefängnisstrafe stellte. Prominente Opfer dieser inhumanen Rechtspraxis waren z.B. der Schriftsteller Oscar Wilde und der Informatiker Alan Turin, der die Enigma-Kodierung der Nazis entschlüsselte. Nach der Legalisierung von Homosexualität schossen Gay Pubs und Clubs zunächst wie Pilze aus dem Boden, bis in den 1980er Jahren das Aufkommen von AIDS diesem Boom zunächst ein herbes Ende bereitete. Gleichzeitig wurden diese Lokale aber zu Zentren der Gay Community, die es sich zum Ziel machte, über AIDS aufzuklären und gegen die sich wieder verstärkende Diskriminierung homosexueller oder queerer Menschen im Allgemeinen zu kämpfen. Heute gilt vor allem London als ein Zentrum der europäischen LGBT+-Bewegung und -Szene. Im Stadtteil Soho gibt es die klassische Schwulenszene mit den vielen Bars und Clubs, zum Beispiel in der Old Compton Street und den umliegenden Seitenstraßen. Hier treffen sich queere Menschen aus London unbehelligt mit Gleichgesinnten aus dem Rest der Welt.