Der Aufstieg und die Entwicklung der englischen Tea Rooms
Tee kam im 17. Jahrhundert durch die portugiesische Katharina von Braganza, die Gattin von Charles II., nach England und wurde zunächst als Luxusgetränk der Oberschicht genossen. Im 18. Jahrhundert gewann Tee durch sinkende Preise und den Teehandel der East India Company an Popularität und wurde zum Nationalgetränk. Bis heute ist Tee ein wichtiger Bestandteil der britischen Kultur und Identität, geprägt von Ritualen wie dem Afternoon Tea und einer Vielfalt an Sorten und Zubereitungsarten, auch wenn der Teekonsum in England zugunsten des Kaffees kontinuierlich zurückgeht.
Die englische Teestube, der Tea Room, ein scheinbar alltäglicher Bestandteil der britischen Kultur, hat eine faszinierende Geschichte, die eng mit gesellschaftlichen Veränderungen und auch den Rollen von Männern und Frauen in der englischen Gesellschaft verknüpft ist.
Die Blütezeit der Kaffeehäuser
Zunächst allerdings spielten die Kaffeehäuser des 17. und frühen 18. Jahrhunderts eine zentrale Rolle im sozialen und intellektuellen Leben Englands. Diese Einrichtungen waren nicht nur Orte des Kaffeekonsums, sondern auch Zentren des Austauschs und der Diskussion. Doch im Laufe des 18. Jahrhunderts erlebten die Kaffeehäuser einen deutlichen Niedergang. Eine der wesentlichen Ursachen hierfür war der zunehmende Teegenuss, zunächst in den exklusiven Gentlemen’s Clubs, der letztlich auch zur Etablierung der öffentlichen Tea Rooms führte.
Kaffeehäuser entstanden in England erst Mitte des 17. Jahrhunderts (auf den europäischen Kontinent bereits gute 100 Jahre vorher) und verbreiteten sich dann aber schnell in den großen Städten. Diese Einrichtungen zogen eine breite Kundschaft an, darunter Händler, Intellektuelle und Politiker. Kaffeehäuser boten damals ein passendes Ambieten, in dem Neuigkeiten ausgetauscht, Geschäfte abgeschlossen und politische Debatten geführt wurden. Sie galten auch als "Penny Universities", weil man dort gegen eine geringe Gebühr für den Kaffeekonsum Zugang zu Informationen und Wissen erhielt.
Der Wandel des Getränkekonsums
Im 18. Jahrhundert begann sich das Konsumverhalten der englischen Gesellschaft zu verändern. Tee, ursprünglich ein Luxusartikel, wurde zunehmend erschwinglicher und gewann an Popularität. Der wachsende Import von Tee aus China und später Indien spielte hierbei eine entscheidende Rolle. Tee wurde (und wird!) nicht nur wegen seines Geschmacks geschätzt, sondern auch aufgrund seiner symbolischen Verbindung zur britischen Kultur und Identität.
Die Rolle der Gentlemen’s Clubs
Parallel zum Aufstieg des Tees traten die Gentlemen’s Clubs in den Vordergrund des gesellschaftlichen Lebens. Diese exklusiven Einrichtungen, die sich zunächst hauptsächlich in London befanden, boten eine private und luxuriöse Umgebung für die wohlhabenden und einflussreichen Männer der Gesellschaft. Im Gegensatz zu den Kaffeehäusern, die für eine breite Bevölkerungsschicht zugänglich waren, richteten sich die Gentlemen’s Clubs an eine wohlhabendere und exklusivere Klientel.
In diesen Clubs wurde Tee zu einem zentralen Element der sozialen Rituale. Teetrinken entwickelte sich zu einer vornehmen Tätigkeit, die oft mit feinen Speisen und eleganten Zeremonien verbunden war. Der Tee verdrängte zunehmend den Kaffee als bevorzugtes Getränk und symbolisierte einen gehobenen Lebensstil.
Der Aufstieg der Tea Rooms
Der zunehmende Teegenuss in den Gentlemen’s Clubs trug also auch zur Entstehung der Tea Rooms bei. Diese Einrichtungen, die sich vor allem im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert etablierten, boten eine angenehme und respektable Umgebung für Teegesellschaften. Im Gegensatz zu den exklusiven Clubs waren Tea Rooms später auch für Frauen zugänglich, was ihnen eine besondere gesellschaftliche Bedeutung verlieh.
Die Anfänge im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert war Tee in Großbritannien also bereits ein beliebtes Getränk, wurde jedoch hauptsächlich in den eigenen vier Wänden oder in den exklusiven Gentlemen Clubs genossen. Öffentliche Teehäuser waren oft zwielichtige Etablissements, die nicht für Frauen geeignet waren. Dies änderte sich mit der Eröffnung des Aerated Bread Company (ABC) Cafés in London im Jahr 1864. Das ABC, ursprünglich eine Bäckerei-Kette, bot Tee und leichte Mahlzeiten in einer sauberen und respektablen Umgebung an, was es für Frauen attraktiv machte.
Die goldene Ära der Tea Rooms
Der Erfolg des ABC inspirierte in Folge die Gründung zahlreicher Tea Rooms, die sich schnell zu beliebten Treffpunkten vor allem für Frauen entwickelten. Im Gegensatz zu den rauchigen Pubs, die von Männern dominiert wurden und wo Frauen oft auch gar keinen Zutritt hatten, boten die Tea Rooms eine Oase der Ruhe und Geselligkeit. Hier konnten Frauen sich treffen, um zu plaudern, zu lesen oder einfach nur eine Tasse Tee zu genießen und vielleicht eine Kleinigkeit zu essen.
Die Rolle der Tea Rooms in der Frauenbewegung
Die Tea Rooms spielten konsequenterweise eine wichtige Rolle in der Frauenbewegung. Sie boten Frauen einen Raum, in dem sie sich frei bewegen und ihre Gedanken austauschen konnten, ohne von Männern überwacht zu werden. Dies trug dazu bei, das Selbstbewusstsein und die Unabhängigkeit von Frauen zu stärken. Einige Tea Rooms wurden sogar zu Treffpunkten für Suffragetten, die für das Frauenwahlrecht kämpften, das allerdings erst 1918 eingeführt wurde.
Die Tea Rooms im 20. Jahrhundert
Im Laufe des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Rolle der Tea Rooms. Mit dem Aufkommen von Cafés und Schnellrestaurants verloren sie zunächst an Popularität und galten vielfach als altmodisch. Dennoch blieben sie ein fester Bestandteil der britischen Kultur, insbesondere in ländlichen Gebieten und bei älteren Generationen.
Die Tea Rooms heute
Heute erleben Tea Rooms eine Renaissance. Sie werden oft als nostalgische Orte wahrgenommen, die an eine einfachere, beschaulichere Zeit erinnern. Viele Tea Rooms haben sich aber modernisiert und bieten neben Tee und Scones auch eine größere Auswahl an Speisen und Getränken an. Sie sind beliebte Ausflugsziele für Touristen und Einheimische gleichermaßen.
Die englische Teestube ist mehr als nur ein Ort, an dem Tee serviert wird. Sie ist wie der Pub ein Spiegelbild der britischen Gesellschaft und ihrer Entwicklung. Von ihren Anfängen als Zufluchtsort für Frauen bis zu ihrer heutigen Rolle als nostalgisches und modernes „Café“ hat die Teestube eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen.