"Jedes Jahr am Wochenende von Ende November, also von Chanukka-Beginn bis zum griechisch-orthodoxen Weihnachtsfest Anfang Januar, wird hier im Wadi Nisnas ein buntes Straßenfest gefeiert, eine Art Weihnachtsmarkt bei 25 Grad Wärme und blitzblauem Himmel.
Auf dem Platz in der Nähe des Beit Hagefen, dem jüdischarabischen Kulturzentrum, das dieses Fest veranstaltet, hält der Bürgermeister eine Rede, arabisch-christliche Pfadfinder marschieren auf und singen, eine Menge Menschen ist auf den Beinen.
Im Wadi Nisnas riecht es noch mehr als sonst nach orientalischen Gewürzen und nach Humus, dem in Olivenöl schwimmenden Kichererbsen Mus. Rosa Zuckerwatte wird feilgeboten, Luftballons, aufblasbare Weihnachtsmänner und Kunststoff-Weihnachtsbäume, Kanarienvögel in Käfigen, Keramik, Schmuck, Wasserpfeifen, frisch gepresster Orangensaft. Arabischer Kaffee wird aus Kupferkannen in kleine Tässchen gegossen, Falafel Verkäufer liefern sich über Lautsprecher einen Reklamekrieg, es gibt reichlich Suffganiot, in Öl gebackene Krapfen, das traditionelle Chanukka-Gebäck. Die Menschen drängeln und schieben, jüdische Israelis in Shorts und Jeans, Drusenfrauen mit weißem Schleier, Beduinen mit traditionellem Kopfputz. Dazwischen Gruppen amerikanischer Touristen mit Fotoapparaten und Fähnchen schwenkender Reiseleiterin. Livemusik dröhnt, man hört arabische und israelische Lieder, besonders beliebt ist griechische Musik. Ein junges Mädchen im engen bauchfreien Top improvisiert einen Bauchtanz, angefeuert von der Menge.
Bejachad, culam bejachad, zusammen, alle zusammen, tönt es laut von einem der Lautsprecher. Zusammengehörigkeit ist das Leitmotiv vom „Fest der Feste“, das von Juden, Christen, Moslems und Drusen im multikulturellen, multireligiösen Haifa gefeiert wird. Wie jedes Jahr zum jüdischen Lichterfest Chanukka, zum Weihnachtsfest und, wenn es der Kalender erlaubt, im moslemischen Fastenmonat Ramadan.
Hier in Haifa, dieser sehr schönen grünen Stadt am Mittelmeer leben Juden, Christen, Drusen, Bahai und eine kleine Gruppe von Ahmadiyya, einer muslimischen Reformbewegung, relativ problemlos miteinander. Der Doppelturm der Ahmadiyya-Moschee beherrscht das Bild des gesamten Südhanges des Karmel Berges."
Textauschnitt aus dem Buch von Gretel Rieber, Israel neu entdecken, Touren durch das Heilige Land
Fotos zum Kapitel 12 - Das Fest der Feste - Der Geist von Haifa
Weiter zum nächsten Kapitel: Das Freudenfest Lag BaOmer in Safed und auf dem Berg Meron in Galiläa