"Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ mir die Stadt mit ihren Bewohnern das erste Mal, als ich sie an einem Novembermorgen 1994 um fünf Uhr mit dem Zug vom milden Süden her erreichte und vom kalten Wind fast erschlagen wurde. Die frühmorgendliche Dunkelheit ließ mich beinahe erstarren. Die Männer, denen ich begegnete, trugen meist eine Art Uniformwams und hatten einen grünen Tropenhelm tief über den Kopf gezogen. Ihre Gesichter waren von der Kälte rot angelaufen und die wenigen Frauen hatten sich in Jacken und Wollkappen gehüllt. Alle stießen wie schnaubende Pferde Dampfschwälle in die Luft. Ich brauchte zur Abwehr gegen die Kälte, wie sie alle auch, eine heiße Pho, eine Reisnudelsuppe mit Fleischklößen und kauerte mich wie sie auf ein Stühlchen am Straßenrand. Das Klima ist hier mit heißen Sommern und kalten Wintern allgemein rau, was sich auf die Robustheit des Menschenschlages in der Tonkingegend abgefärbt haben muss. Sie waren grobschlächtiger und kräftiger als die Südvietnamesen und in ihren Gesichtern lag ein Ausdruck von Wildheit und Unbändigkeit."
Textausschnitt aus dem Buch von Jürg Kugler, Willkommen in Vietnam
Fotos zum Kapitel 5 – Hanoi und die Tonkinebene
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