Entstehung der Kanarischen Inseln

Für ein tieferes Verständnis der Geologie und des Vulkanismus’ Teneriffas die Kenntnis der geologischen Vorgänge unerlässlich, die zur Entstehung der Kanarischen Inseln insgesamt führten. Hier sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse in knapper, übersichtlicher Form dargestellt.

Mythen

So zahlreich wie die antiken Mythen und Legenden über den Ursprung der Kanarischen Inseln sind bis heute die erdgeschichtlichen Theorien. Die Jahrhunderte alte Kunde von einem achten Kontinent Atlantis, der unterging oder auseinanderbrach und von dessen Resten der kanarische Archipel angeblich zeugt, wurde einhellig von der Wissenschaft ins Märchenland verwiesen. Auf dem Archipel lebt die Sage von der achten Insel weiter. So mancher alte Canario beschwört »San Borondón« während ihres kurzen Auf- und Abtauchens gesehen zu haben.

Wegeners Kontinental-Theorie

Früher rechnete man küstennahe Inseln automatisch zum jeweiligen Kontinent, zu dem eine ehemalige Landbrücke abbrach oder überflutet wurde (Schelfgebiete). Erst die moderne Geologie beschäftigte sich mit der Entstehung von Inseln. Die 1912-24 von dem deutschen Geologen Alfred Wegener entwickelte These der Kontinentalverschiebung und die daraus entwickelte Platten-Tektonik brachten einfachere Erklärungstheorien ins Wanken.

Pangea

Seit der Urkontinent Pangea vor 200 Mio. Jahren auseinanderbrach, verschieben sich die Bruchstücke – die uns heute bekannten Kontinente – mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf der obersten Schicht dickflüssiger Magma (= Gesteinsschmelze), der Erdkruste, westwärts. Wegener erklärte die Kanarischen Inseln als abgebrochene Teile der auseinander driftenden Landmassen.

Plattentektonik

Eine Weiterentwicklung von Wegeners Kontinental-Theorie, die Plattentektonik, brachte mehr Aufschluss. Danach driften die Kontinente nicht kontinuierlich gen Westen, sondern verschieben sich als kontinentale und ozeanische Platten in alle Himmelsrichtungen gegeneinander; sie rotieren mal nach links, mal nach rechts. Ozeanische Platten dehnen sich außerdem ständig aus, indem sie entlang von Gräben fortlaufend neues vulkanisches Material produzieren und sich – wie beispielsweise an der westafrikanischen Küste – unter die leichteren Kontinentalplatten schieben. In solchen Gebieten kommt es zu Bruch- und Störungszonen in der ozeanischen Platte, über denen neue Inseln entstehen können. Sie wachsen durch vulkanische Aktivitäten direkt aus dem Ozeanboden empor.

Diese Erkenntnisse entsprechen der sog. Blocktheorie, die in der folgenden Abbildung visualisiert ist:

Aus dem Meer geboren

Um die Frage »meergeboren oder kontinentalverbunden?« wurde im Falle des kanarischen Archipels lange gestritten. Die geographische Nähe zu Afrika und Ähnlichkeiten in Flora und Fauna legten die Zugehörigkeit zum afrikanischen Kontinent nahe. Aber neuere Untersuchungen zeigten, dass die Gesteinszusammensetzung der nordafrikanischen Gebirge (Auffaltung von Sedimentgestein, z.B. des Atlas-Gebirges) völlig anders ist als die der rein vulkanischen kanarischen Inseln. Außerdem trennt eine 8.000 m mächtige kontinentale Sedimentschicht auf dem Meeresboden die Inseln Lanzarote und Fuerteventura von Afrika. Die Ähnlichkeit von Pflanzen und Tieren konnte als Gegenargument nicht bestehen. In den Jahrmillionen können sie ihren Weg auch ohne eine Landbrücke gefunden haben.

Heute ist weitgehend akzeptiert, dass die kanarischen Inseln aus 3.000 m Tiefe wahrhaftig aus dem Meer geboren wurden.

Hot Spot Hawaii

Als Konsens über die Geburtsart bestand, stritt man über Geburtsfolge und formende Ursachen der insularen Geschwister. Wer ein Stück Plastik, z.B. eine PVC-Fliese, über eine sporadisch brennende Flamme zieht, beobachtet an den heißen Punkten versetzte Beulen (Brandstellen). Tritt nun (statt der Flamme) aus einem feststehenden Schlot (hot spot) im oberen Erdmantel glühendes Magma aus und durchbricht die (Fliesen-) Platte, wächst nach Jahrmillionen das vulkanische Gestein über die Wasseroberfläche. Wenn sich dieser Vorgang Millionen Jahre später wiederholt, ist die ozeanische Platte (die PVC-Fliese) 2-18 cm/Jahr weitergewandert. Auf diese Weise entstand die Hawaii-Inselgruppe. Lange Zeit galt dieselbe Hotspot-Theorie auch als Erklärung für die Entstehung der Kanaren.

Junge und alte Inseln

Für Hot-spot sprach das Alter der kanarischen Inselschwestern: die östlichste, Lanzarote, weist die ältesten Vulkan-Gesteine auf (19 Mio. Jahre). Die westlichsten, La Palma und El Hierro, sind die jüngsten (1,6 bzw. 0,7 Mio. Jahre). Auch die zu Hügeln abgetragenen Berge im Archipelosten bedeuten ein höheres Inselalter.

Neueste Insel »El Medio«

Gegen Hot-spot spricht aber das Wachsen der 8. Insel »El Medio« (bis dato 500 m unter dem Meeresspiegel) zwischen Gran Canaria und Teneriffa, also wieder östlich von Palma und Hierro.

Plattenbrüche

Als man aber auf Fuerteventura, La Gomera und La Palma Sedimente fand, die nachweislich aus großer Tiefe vom Meeresboden angehoben worden sein mussten, gab es erste Zweifel an der Gültigkeit der Hot-spot-Theorie für die Kanaren.

Magmakammern bilden sich sowohl unter den kontinentalen als auch unter den ozeanischen Platten. Die Subduktionzonen, d. h. der Bereich, in dem sich die ozeanischen Platten unter die sich wehrenden Kontinentalplatten schieben, sind dabei besonders bruchgefährdet. Aus den entstehenden Spalten tritt Magma aus. Magma könnte aber auch einzelne Teile der ozeanischen Platte wie Kochtopf-Deckel angehoben haben.

Uralte Meeressedimente (200-37 Mio. Jahre) wurden derart aus 3.000 m Tiefe bis über den Meeresspiegel gehoben. Nur so lassen sich die Tiefsee-Sedimente auf Fuerteventura und der viel weiter westlichen Inseln La Palma und El Hierro erklären. 

Ein Bruchsystem in der ozeanischen Platte könnte auch durch die ungeheuren tektonischen Erschütterungen entstanden sein, die zur Auffaltung der über 4.000 m hohen nordafrikanischen Gebirgsketten (Atlas) geführt haben. Dieses sich von Ost nach West fortsetzende Bruchsystem würde – wie die Hot-spot-Theorie – das abnehmende Alter der Inseln von Ost nach West erklären.

Fazit

Als wahrscheinlich gilt heute, dass sowohl das Untertauchen der atlantisch-ozeanischen Platte unter die afrikanische Kontinentalplatte als auch die Gebirgsauffaltung in Nordafrika zu dem Spaltensystem geführt haben, aus dem die Lava ausfloss, die sich in ihrem höchsten Punkt – dem Teidegipfel – 3.700 m über den Meeresspiegel erhebt. Im Einzelnen gibt es viele Argumente für und wider und noch viel zu erforschen. Die Kanaren geben ihr Geheimnis so schnell nicht preis. Vielleicht leben auch deswegen die Sagen und Mythen weiter – bis hin zu »San Borondon«, den vielen Sekten und kanarischen Wahrsagern.