Urbanisation der Südküste © by Hans-R. Grundmann - Reise-know-how - Verlag
Urbanisation der Südküste

Entwicklung

Zu Wohlstand kam der Süden erst durch den Massentourismus in den 1970er-Jahren. Wie alle Kanarischen Inseln profitierte auch Teneriffa von den Konflikten im östlichen Mittelmeer (Balkan, Ägypten, Türkei). Seit 1968, als nur eine halbe Mio. Feriengäste auf die Inseln kamen, stiegen die Zahlen – abgesehen von kurzen Krisen 1973, 1980, 1990 und 2002 – stetig. Zum Jahrtausendwechsel kamen erstmals in einem Jahr mehr als 10 Mio Urlauber auf die Kanaren, davon rund die Hälfte nach Teneriffa. Nach dem 11. September 2001 und bis 2005 (Krieg/Terror/Rezession/Tsunami) stagnierten Teneriffas Besucherzahlen, sanken in einigen Orten sogar leicht. Im Prinzip war das kein »Unglück«, denn es passte durchaus zur Erkenntnis, dass – in Anbetracht der immensen Umweltschäden – die Besucherzahlen in Zukunft nur noch um maximal 1%/Jahr steigen dürften. Trotz Baustopps (Moratorien, betrieben von Reiseunternehmen und Hoteliers, deren Gäste die enge Bebauung beklagten) werden aber immer noch bereits früher genehmigte Hotelbauten ausgeführt.

Wegen der Weltwirtschaftskrise 2008/09 geht auch der kanarische Tourismus durch schwierige Zeiten, man spricht von bis zu 20% weniger Besuchern bis Juli 2009 im Vergleich zu 1-7/2007.

Las Américas © by Hans-R. Grundmann - Reise-know-how - Verlag
Las Américas

Sonniger Süden, grüner Norden

1965 kamen nach Teneriffa 134.000 Touristen (die Hälfte aller Kanarenbesucher), 2007 waren es über 5 Mio. 75 Prozent waren Ausländer (allen voran Briten, Deutsche und Skandinavier) und 25% Festlands-Spanier. Diesen Höhenflug verdankt die Insel vor allem der touristischen Erschließung seiner Südküste. Erst Mitte der 1980er-Jahre zog der Süden mit dem Norden gleich und war dann nicht mehr zu bremsen. Binnen 20 Jahren drehte er die Touristenverteilung komplett um: wählten 1975 noch 67% den grünen Norden als Urlaubsort, so buchten ab 1984 immer mehr den sonnigen Süden, der nun 80% aller Urlauber beherbergt. Am schnellsten wuchsen die Gemeinden Arona und Adeje, in denen heute rund 140 000 Gästebetten stehen. Baulandpreise am Meer kletterten zeitweilig auf € 2300 pro Quadratmeter. Mit dem Boom und Tausenden neu entstandener Arbeitsplätze an der Costa Adeje mussten weitere Wohnungen gebaut und die Infrastruktur angepasst werden. Die Einwohnerzahl in den Südgemeinden verdoppelte sich in 10 Jahren auf 150.000, in Adeje/Arona sogar von 40.000 (1994) auf über 110.000 (2008).

360 Sonnentage im Jahr

Der Grund ist eitel Sonnenschein. Der Süden hat 3.200 Sonnenstunden im Jahr, und die mittlere Jahrestemperatur beträgt 23°C. Puerto im Norden ist im Schnitt mindestens 3°C kälter, denn dort zählt man nur halb soviel wärmende Sonnenstrahlen.

Umbruch seit den 1970er-Jahren

Der Sonnenhunger der Nord- und Mitteleuropäer zwischen Oktober und März münzte die Nachteile des Südens in Pluspunkte um: Aus Malpaís, unbrauchbarem Land, wurde bares Gold. Viele Landbesitzer verkauften ihr brachliegendes Land. Und die Kleinbauern und Landarbeiter tauschten die Plackerei auf der Scholle gegen einträglichere und leichtere Jobs als Kellner, Koch oder Kioskverkäufer. Da es keiner Abrissbirne oder Enteignungsverfahren bedurfte, war die Infrastruktur für den Gästeansturm in der Wüste relativ schnell erstellt: Versorgungszentren, Süd-Autobahn (seit 1971), Südflughafen (Bau 1973-78). Ganze 12 Peseten/m2 (ca. 7 Eurocents) kostete damals das Baugelände.

Künstliche Strände und Trinkwasser

Die zwei größten Probleme – fehlender Strand und Wasserknappheit – wurden mit viel Geld und zwei fest zugedrückten Öko- Augen gelöst: Sand und Gestein wurden vom Meeresboden hochgepumpt und feinkörnig zermahlen. Damit der künstliche Strand nicht wieder weggespült wird, schützen ihn massive Dämme vor der Atlantik-Brandung.

Selbst unkritische Verfechter der hemmungslos-touristischen Entwicklung kommen über den Trinkwasserbedarf für Duschen, Pools, Gartenanlagen und Golfplätze – fünf der acht Plätze Teneriffas liegen im Süden – ins Grübeln.

Zwar hat Teneriffa – anders als die östlichen Nachbarinseln – bisher noch ausreichende Frischwasser-Reserven, aber neue Luxushotels brauchen nun eigene Entsalzungsanlagen.

Besitzverhältnisse

Ursprünglich gehörte das Gebiet um Los Cristianos/Las Américas samt höher gelegenen Arealen im Hinterland der Küste dem Noblen Don Pedro de Ponte Ivergara. Er erhielt es Mitte des 16. Jahrhunderts von der spanischen Krone als Dank für treue Kriegsdienste bei Spaniens Feldzügen in Europa. Dieses Malpaís, der schlechte Boden, blieb über Jahrhunderte Brachland.

Noch im 20. Jahrhundert war Landnahme in diesem abgelegenen Winkel Europas noch gang und gäbe, zumal im spanischen Bürgerkrieg und nach 1945 Dokumente einfach verschwanden. Der Massentourismus gebar so über Nacht manchen Großgrundbesitzer wie Antonio Dominguez mit über 600 ha Land. Eigentlich war er Bauer, doch mutierte er rasch zum Autokraten, zum sog. Cacique (Dorftyrann, Bonze, Kazike).

Erster Tourismus

Als die Idee der Tourismus-Erschließung des Südens 1956 erstmals aufkam, war die Region neben den Dominguez im Besitz von nur vier weiteren Familien. Auf deren Betreiben teilte die Gemeinde die Küste zwischen Los Gigantes und El Médano in 14 Projektzonen. Hier war das unfruchtbare Ufergebiet flach und man konnte ggf. kleine Strände mit wenig Aufwand vergrößern. Obwohl die Arbeitskräfte damals noch unglaublich billig waren, gerieten die Pläne aber ins Stocken.

Das große Geld

Die großen Deals kamen ab 1966 mit katalanischen Geschäftsgenies wie dem Seifen- und Deo-Fabrikanten Rafael Puig ins Rollen, dessen Familie heute u.a. Eigentümer des Hotels JardinTropical und der Kette Santiago ist. Als dann auch galizische, deutsche, französische und britische Unternehmer loslegten, ging es schon fast legal zu. Auch tinerfeñische Geld-Clans mischten mit.

Staatliche Eingriffe

Positiv zu vermerken ist, dass zunächst nicht geklotzt wurde; es ging eher kanarisch zu. So wurden in der Anfangsphase weniger als 30% der Pläne realisiert, obwohl der Staat infrastrukturell zuarbeitete: 1971 Baubeginn der Süd-Autobahn, 1975 der Hafen von Los Cristianos und 1978 forcierte Fertigstellung des sicheren Süd-Flughafens nach dem katastrophalen Jumbo-Crash Ende März 1977 auf dem Nordflughafen Los Rodeos mit 583 Toten.

Erste Krise 1973

Kaum waren die Las Américas-Pläne fertig, bremste ab 1973 die Ölkrise zunächst alle Privatinitiativen in anderen Projektzonen. Da nahm der Staat die weitere Planung ganz unter seine Fittiche und stellte Urbanisationspläne (Normas Subsidiarias) auf.

Expansion

Er hatte leichtes Spiel mit dem freien Bauland, denn gewachsene Strukturen wie in Puerto de la Cruz oder polit(ökolog)ische Proteste gab es nicht. Dazu war die Franco-Diktatur (bis 1975) noch zu nah und Bürgerinitiativen zu fern. Ende der 1970er-Jahre gab es bereits 26.000 Betten im Süden – fast so viele wie im Norden.

Bürgerproteste

Langsam wächst in der Bevölkerung der Widerstand gegen die »Zementierung der Insel«. Nicht nur Prestige-Großprojekte (Hafen in Granadilla, Autobahn-erweiterungen, Kongresshallen ect.) sind davon betroffen, sondern auch der allgemeine Bauwahn und die damit verbundene Korruption. Die Zeit der Selbstherrlichkeit politischer Entscheidungen scheint zumindest abgelaufen
zu sein: »Ya está bien!!« Jetzt ist aber Schluss!