Zuckerrohr und Kohle

Bereits Anfang des 16. Jahrhunderts errichteten die Spanier auf Teneriffa große Zuckerrohrplantagen – so auch im äußersten Nordosten der Insel. Das kleine abgelegene Bergdorf Taganana erlebte damals eine Blütezeit. Dort gab es Wälder und sprudelnde Bergbäche und damit die entscheidenden Rohstoffe für die Zuckerrohrverarbeitung: Holz und Wasser.

Mit Wasser wurden die Zuckermühlen betrieben und mit Holz der Zuckersirup (Melasse) verkocht. Zudem eigneten sich die harzhaltigen Baumstämme zum Bau und Abdichten von Wasserleitungen. Darüberhinaus gab es billige Arbeitskräfte ganz in der Nähe: alte Stiche zeigen, wie Negersklaven (aus Westafrika) die harte Arbeit in den Plantagen verrichten.

Holzkohle

Doch schon nach wenigen Jahren intensiver Zuckerproduktion waren Anagas Holzreichtümer erschöpft und die Wälder kahlgeschlagen, zumal man sie obendrein nutzte, um Holzkohle für die Küchenherde der Insel herzustellen. Die Köhler-Wirtschaft gab Tagananas Nachbardorf Las Carboneras (»Die Kohlenmeiler«) seinen Namen.

Weinbau/Malvasia

Die Konkurrenz aus Amerika beschleunigte Teneriffas Niedergang als Zuckerproduzent. Tagananas Plantagenbesitzer sattelten um auf Rebstöcke. Ihr roter, schwerer Malvasier – eine aus Kreta eingeführte Rebensorte – war bald vor allem an den europäischen Höfen und in England begehrt. Ein kanarisches Fass Wein kommt in Shakespeares »Fallstaff« vor, und Sir Walter Scott erwähnt den Tropfen in »Ivanhoe«.

Doch Geschmäcker ändern sich, und als die adligen Kehlen jählings andere Sorten bevorzugten, war Tagananas ökonomisches Schicksal besiegelt. Es fiel in einen 300-jährigen Dornröschenschlaf, als die Anbindung an den Rest der Insel und die internationalen Märkte nicht mehr von Bedeutung war.

300 Jahre Stillstand

Die Bauern ackerten nur noch für den Eigenbedarf auf den fruchtbaren, aber schweißtreibenden Terrassenfeldern (Mais, Weizen, Gerste, Kartoffeln). Viele wanderten ab, teils bis Südamerika. Die alte, einfache Infrastruktur verfiel, aber für die wenigen, die in der Abgeschiedenheit blieben, reichte es zum Überleben. Erst nach dem II. Weltkrieg wurden Anagas Bergdörfer mit Bulldozern und
Asphalt aus ihrem Schlaf geweckt. Heute pendeln die Enkel der Berg- und Ziegenbauern zu ihren Arbeitsplätzen in den Städten und betreiben in ihren Gemüsegärten Weekend-Landwirtschaft.

Nur wenige Menschen verharren in ihren alten Traditionen. Man erkennt sie an hellen, schweren Filzumhängen (mantas). Ärmellos und knöchellang schützen sie vor kühlen Winden und kriechender Kälte. Ein Blick unter das Cape lüftet das Geheimnis: ihr wärmender Erfolg beruht auf der Doppellage des Stoffs.

Parque Rural de Anaga

Die Verlockung, auch das Anagagebiet für den Tourismus zu öffnen, war groß. Doch der Bau von Ferienhäusern und Hotels hätte die Schönheiten der Gebirgswelt zerstört. 1987 wurde Anaga zur geschützten Zone erklärt, und 7 Jahre später der Parque Rural de Anaga ins Leben gerufen.

Entwicklungsprogramme unterstützen die Wiederansiedlung von Landwirtschaft und die Erneuerung der Terrassenfelder. Eine bessere Infrastruktur soll die Agrarprodukte bequemer und schneller zum Markt gelangen lassen. Auch Aufforstung und Fischfang werden gefördert. Der Tourismus beschränkt sich hier weitgehend auf Ausflügler, die mit Bussen und Leihwagen kommen.