Anagagebirge © by Hans-R. Grundmann - Reise-know-how - Verlag
Landschaft des Anagagebirges

»Besuchen Sie das andere Teneriffa!« – so werben Bus-Unternehmen für ihre Tagesausflüge ins Anagagebirge. Der Slogan stimmt, denn der Nordosten der Insel ist der Kontrapunkt zu den Urlaubszentren im Süden: abgeschieden und untouristisch in wildromantischer, spektakulärer Natur. Die Berge sind kantiger und grüner, die Gipfel schroffer und zackiger, die Schluchten tief und schmal, die Küsten zerklüftet und die wenigen Strände klein und unzugänglich. Ein Anaga-Ausflug an einem schönen Tag mit klarer Sicht bleibt ein unvergessliches Erlebnis.

Der Grund für diesen abrupten Landschaftswechsel ist geologischer Natur. Die beiden äußeren Inselzipfel im Norden, das Teno- und das Anagagebirge, sind die ältesten Teile Teneriffas und waren zwei separate Eilande, bevor sich Millionen Jahre später das Teidemassiv aus dem Atlantik erhob und alles überragend dazwischen schob.

Enge Straßen,viele Kurven

Die geologischen Bedingungen haben die Menschen jahrhundertelang extrem gefordert – und tun es auch heute noch: Zwar gibt es schon seit 50 Jahren eine asphaltierte Kammstraße, aber so mancher abgeschiedene Weiler wurde erst in den 1960er-Jahren für Pkw erschlossen. Das Fahren auf den engen Straßen erfordert volle Konzentration, denn in den unzähligen Serpentinen kommt das Lenkrad – und oft auch der Magen – nicht zur Ruhe. Ein Bus von vorn heißt zuweilen: zurücksetzen zur Ausweichstelle.

Wichtig!

Im Anaga gibt es keine Tankstellen, kaum Handy-Deckung, keine Abend-Gastronomie und fast alle Lokale bleiben montags zu.

Beste Ausblicke

Auf den Aussichtspunkten, den Miradores an der Kammstraße, wird man für alle Anstrengung reich belohnt. Wie aus dem Flugzeug schaut man aus 1.000 m Höhe über Berge und Täler, mal zur einen, mal zur anderen Inselseite, auf kleine weiße Dörfer, die Hafenanlagen von Santa Cruz oder Puerto de la Cruz, mal auf den Teide-Kegel, mal übers Meer bis Gran Canaria. Mit einer einzigen Körperdrehung sieht man alles zugleich.

Monteverde

Wie ein Wall stellen sich diese Berge dem feuchten Nordostpassat in den Weg und zwingen ihn aufzusteigen. Dabei kühlt er ab und kondensiert zu Wolken, die die Nordhänge einhüllen oder fetzenweise in Schwaden über den Kamm jagen. Dies ist die Welt der Monteverde, der immergrünen Berge, mit feucht-kühlem Klima, wo im Schutze des dichten Lorbeerwaldes viele Farnarten und Moose gedeihen. Auch auf die südlichen Berghänge schwappen die Wolken noch ein wenig über. Diese Nebel erwärmen sich auf der südlichen Anagaseite schnell wieder und erreichen die Küste als warmer Fallwind. Entsprechend karg sind die Südhänge, die nur nach den ersten Winterregen von sprießenden Tabaibas (Wolfsmilch) mit einem grünen Schimmer überzogen werden.

Infrastruktur

Ein Dutzend kleiner Weiler liegt im Anagagebirge. Es sind keine Fischer- sondern Bergdörfer, alle auf der grünen Nordseite, eingebettet in fruchtbare, aber winzige terrassierte Felder, die durch mühsames Aufschichten von Lavageröll entstanden sind. Viele ihrer Mauern sind zerfallen und die Felder liegen brach, denn die Jugend von Anaga hackt lieber am Computer als in der Scholle. Man sieht hier überwiegend ältere Menschen, die dem gewohnten Leben treu geblieben sind. Davon profitieren die relativ wenigen Touristen. Sie finden in jeder Ortschaft zumindest einen Laden, ein einfaches Restaurant oder eine Tapa-Kneipe. Dagegen haben Handys kaum Deckung und sogar Telefonzellen sind rar. Aber zwei, drei Busse pro Tag verbinden selbst noch das kleinste Kaff mit dem Rest der Welt.

Frisch und kühl

Selbst im Sommer sollte man besser eine wärmende Windjacke oder einen Pullover dabei haben. Auch wenn die Sonne scheint, kann es hier oben merklich kälter sein (bis ca 10°C), als unten an der Küste. Abends im Frühjahr und Herbst wissen die Bergbewohner ein wärmendes Kaminfeuer zu schätzen – im Winter sowieso. Für einen Anaga-Ausflug sollte man früh aufstehen, denn meist setzt die Passat-Wolkenbildung schon mittags ein.

Wandern

Unter Wanderern ist das Anagamassiv populär. Doch muss gut zu Fuß sein, wer sich die landschaftlichen Schönheiten erwandern will. Die Wege sind schmal und steil, die Höhenunterschiede enorm. Die nur sporadische Beschilderung ist mäßig bis schlecht. Neben einer angemessenen Ausrüstung sollte man die Wetteraussichten im Kopf und die Bus-Fahrpläne in der Tasche haben, wenn man keinen Rundweg, sondern von A nach B gehen will.

Wer auf eigene Faust aufbricht, muss sich also schon etwas vorbereiten und mit An- und Rückfahrt einen ganzen Tag einplanen, denn außer in Benijo und Roques de Bodega gibt es keine Übernachtungsmöglichkeiten. Wer sicher gehen möchte, schließt sich einer geführten Wanderung an, wie sie in den Touristenhotels angeboten werden.

Einige leichte Wanderungen werden ebenso wie zwei längere Wanderungen im Buch beschrieben. Weitere finden sich im beiliegenden Wanderführer.